satz-für-satz für hermann mensing

 

Er sank auf den Stuhl, stützte den Kopf in die Hände und versuchte sich zu konzentrieren; darauf, dass die Stimmen der anderen, die er seit seiner Geburt in seinem Kopf hatte und die sein Schicksal besiegelten, endlich verschwinden würden.

Satz von Alexis Key, Berlin

 

 

Die Geschichte zum Satz:

Sie sprachen fortwährend, und das Schlimmste war, dass sie ihn übergingen. Dass sie Dinge beschlossen, die er zu tun hätte, dass sie ganz und gar unverschämt über sein Leben herrschten. Er hatte es schon mit Spaziergängen versucht, er hatte sich betäubt mit allem, was zur Betäubung taugt, er hatte sein Leben aufs Spiel gesetzt und war gerettet worden, die Stimmen hatte er nicht besiegt. Dann hatte er diese Idee. Er begann, den sich streitenden Stimmen in seinem Kopf Namen zu geben. A. B. C. D. Manchmal kamen neue hinzu und andere verschwanden, aber das Grundpersonal war immer das gleiche. Und als er so weit war, sie sofort identifizieren zu können, nahm er Papier und Bleistift, und begann, für A. B. C. und D. Dialoge zu schreiben. Da ihm das aber schwer fiel, hörte er sich um, fragte nach und fand schließlich jemanden, der professionell mit Sprache arbeitet. Er erklärte ihm seine Situation und seine Idee: schreiben Sie mir ein Stück, in dem A. B. C. und D. auftreten, bringen sie A. B. C. und D. in eine Situation, die ausweglos erscheint, spitzen sie den Konflikt derart zu, dass A. B. erschießt, C. darauf A. ans Leder will, D. versucht, beide auseinander zu bringen, und bei dem anschließenden Gemetzel kommen A. C. und D. um. Der Autor machte sich an die Arbeit. Das ihm vorgeschlagene Personal war ein wenig widerspenstig, aber nach einigem Drängen, nach Straffen der Handlung und dikatorischem Beharren gelang es ihm schließlich, den gewünschten Konflikt herbeizuführen. Als A. B. C. und D. schließlich tot waren, spürte der Autor große Trauer. Sein Auftraggeber jedoch hatte zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl, allein zu sein. Allein ohne die Stimmen der anderen. Er fühlte sich ein wenig einsam, aber das war eine andere Geschichte.

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über den Autor Hermann Mensing
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