Gebt mir mehr Lügen, die Wahrheit ist so trocken. Satz von Ralf S., Fürth Die Geschichte zum Satz: Bitte. Hier: Die Jubiläums-Geschichte. Zum 100. Baba Singh war wie immer im Tschai-Shop. Ian fragte, ob er gut geschlafen habe und Baba bejahte. Wir frühstückten. Beim zweiten Tee fuhr ein klimatisierter Bus vor. An die vierzig rosarot verbrannte Touristen fielen über Babas Tschai-Shop her. Sie sprachen Deutsch. Sie sahen sich um, sahen das lodernde Feuer, eine offene, aus Tonziegeln gemauerte Feuerstelle, sahen die halbnackten Jungs, sie sahen zur Decke hoch, in der mandarinengroße Spinnen hausten, und ich wußte, es gefiel ihnen hier nicht. Nur die Mutigen bestellten Tee. Die anderen diskutierten darüber, ob das Wasser wohl gut sei. Ich hätte es ihnen verraten können, aber ich wollte nicht. Die ganze Zeit musterten sie uns. Sie tuschelten, und als einer seine Kamera auf Ian richtete, stand ich auf, pflanzte mich vor ihm auf und fragte in bestem Hochdeutsch, ob er nicht fragen könne, mein Freund, dessen Frisur es ihm offenbar angetan habe, könne sich nicht wehren, er sei stumm, es sei eine Unverschämtheit, ob man da, wo er herkäme, immer so unverschämt sei, und überhaupt: Was haben Sie hier zu suchen? Der Mann war verblüfft. Er konnte ja nicht wissen, dass diese Frage letztendlich mir galt. Nachdenklich sah er mich an, und ich hatte das Gefühl, er überlegte, woher er mich kennen könnte. In der richtigen Stimmung, ihm auf die Sprünge zu helfen, knallte ich die Hacken zusammen und riß den rechten Arm hoch. Wenn es eines gibt, was meine Landsleute zutiefst irritiert, ist es dieser Gruß. Ian prustete vor Lachen. Der Mann zog kopfschüttelnd ab. (aus: Hermann Mensing "Zuversicht süße Lüge" Roman 1987) |