Idylle von Anant Kumar

Als es heute Nachmittag, an einem sehr grauen, nassen Adventstag, weiter nieselte, stieg eine Frau mit ihren zwei Jungen, die ihre Pubertät noch nicht überschritten hatten, in die Straßenbahn Linie 3 ein. Eine Muttergestalt mit einer Tüte, die große fladenbrotartige nicht typisch deutsche Brote enthielt. Vom Aussehen und Verhalten her ordnete ich sie dem östlichen Teil Europas zu. Meine Vermutung bestätigte sich, als ich später eine slawische Sprache hörte.
     Die beiden Jungen schienen sehr an der Mutter zu hängen. Beide wollten bei ihr sitzen. Daher mussten sich die drei auf dem Zweierplatz quetschen. Doch der Platz erwies sich als zu eng für die zwei vor dem Mannesalter stehenden Söhne und die wohlbeleibte Mutter. Deswegen stand der Junge, der in der Mitte saß, auf und nahm den Platz auf dem Rücksitz. Aber seinen Kopf hielt er dennoch umständlich der Mutter und dem Bruder zugewandt.
     Die Mutter brach ein gutes Stück Brot ab und gab es dem Jungen neben ihr. Der Junge nahm es und knabberte vergnügt daran. Die Mutter brach daraufhin ein ähnlich großes Stück Brot ab und gab es dem zweiten Jungen. Der nahm es ebenso vergnügt und begann, daran zu knabbern. Nach ein paar Sekunden brach die Mutter ein viel kleineres Stückbrot ab und knabberte selbst daran. Diese Handlung wiederholte sich noch einmal bis zu meinem Aussteigen. Im stürmischen Wetter schlängelten sich draußen die Menschen mit ihren Adventseinkäufen.

© 1999 by Anant Kumar. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.


ZurückSeitenanfangWeiter