Erdmanns Buchtipps
Es muss nicht immer das Neueste sein - Empfehlungen von Jens Erdmann
Billard um halbzehn Im Mittelpunkt dieses Romans steht die Geschichte einer rheinischen Architektenfamilie, die gleichzeitig das deutsche Schicksal der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts symbolisiert. Die berufliche, aber auch die private Entwicklung dieser Architektenfamilie ist über drei Generationen eng mit einer Abtei verwoben, die dem gleichen Schicksal unterlag wie viele andere historische Gebäude.
Ostpreußen ade Ralph Giordano hat hiermit ein ungewöhnliches Buch vorgelegt, beeindruckend sowohl in der Darstellung als auch dem behandelten Stoff, ein Buch, dessen Inhalt lange nachzuschwingen vermag. Es stellt eine gekonnte und gelungene Mischung aus Erzählung, Geschichtsbuch und Reisebeschreibung dar, mit ungewöhnlicher Erzählperspektive. Die im Titel bereits angedeutete Melancholie des dargestellten Landes durchzieht das Buch wie ein roter Faden und lässt dabei doch auch andere Gefühle aufkommen.
| Medea Christa Wolf blickt mit dem Medea-Stoff erschreckend tief in die menschliche Seele, in die teilweise sehr dunklen und geheimnisvollen Katakomben unseres Geistes. Dabei entwirft sie ein kristallenes Spiegellabyrinth, in dem sich verschiedenartigste Charaktere spiegeln und wo mit jeder Spiegelung, neuen Lichtreflexen gleich, weitere, noch tiefere Einblicke ermöglicht werden.
Die Verwandlung Ich möchte dieses Buch empfehlen, da es mich zum Nachdenken über mich und meine Umwelt gebracht hat, immer wieder in meinen Gedanken auftaucht und beschäftigt. Franz Kafka hat in seinem Weltklassiker eine Studie über menschliches Sein und Verhalten entworfen, tiefgründig, nicht einfach zu erkennen, nie ganz deutbar. Es ist viel darüber geschrieben und interpretiert worden, doch nichts ersetzt die eigene Leseerfahrung, die bei jeder Lektüre anders ausfällt. Hier ist der Fantasie ein Rahmen gesetzt, in dem sie schwelgen und wuchern kann. Leser, die kritische Auseinandersetzungen mit der Literatur mögen, kommen sicher auf ihre Kosten.
Halbzeit Was Reinhard Baumgart schrieb, als er folgende Zeilen zu Martin Walsers »Halbzeit« niederschrieb - »ein Buch, das reicher wäre an Ansichten von unserer Wohlstandsgesellschaft, ist in Deutschland noch nicht geschrieben worden« - kann ich aus eigener Leseerfahrung bestätigen. Obwohl es bereits 1960 erschien, überraschte mich die Aktualität der Geschichte. Nur an wenigen Stellen wurde mir bewusst, dass der Spiegel, den Walser den Deutschen der Wirtschaftswunderjahre vorgehalten hatte, nicht uns galt, uns aber noch immer so tief zu treffen vermag.
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