Literatur in Seenot Gero von Büttner berichtet von einer literarischen Bootsfahrt Das klingt gut: Vier Autoren lesen ihre Texte an Bord eines Schiffes. Und so macht sich der Literaturliebhaber auf den Weg zum Bodensee, wo diese Lesung stattfinden soll. Eingeladen hat der Internationale Bodensee-Club. Die Veranstaltung selbst ist eingebunden in die 14. Baden-Württembergischen Literaturtage, die dieses Jahr in Überlingen und Pfullendorf stattfinden. »Litera-Tour auf dem Bodensee« so lautet die Schifffahrt offiziell, und sie wurde am 20. September 1997 bereits zum zehnten mal durchgeführt. Den Literaturliebhaber beschleicht jedoch bereits beim Betreten der MS Graf Zeppelin ein merkwürdiges Gefühl, welches sich bei den Eröffnungsreden dann auch bestätigt: Da begrüßt der Herr Kantonalrat den Herrn Landrat, da lacht der Herr Bürgermeister über die belanglosen politischen Anspielungen des Eröffnungsredners und da wird eines klar: Hier ist man unter sich, hier preist man die Region Bodensee und sich selbst, hier dient die Literatur nur als schmückendes Beiwerk, als Anstrich von Niveau und Bildung. Und so findet sich der Literaturliebhaber plötzlich inmitten einer Realsatire wieder, bei der die Bedeutung des Schriftstellers dem Publikum vorweg anhand seiner Preise und Ehrungen vermittelt wird. Ja selbst der bestens bekannte Lyriker und Schriftsteller Robert Gernhardt wird in einer langen, überflüssigen und vom Blatt abgelesenen Rede vorgestellt. Gernhardt ist aber in der Tat der einzige Lichtblick dieser Veranstaltung, denn er spielt mit dem Publikum, nimmt es wahr und reagiert darauf. Schön und bedeutungsschwer sind auch die Texte von Raoul Schrott, doch für den Ort eher ungeeignet. Leider sitzt die Hälfte der Zuhörer mit dem Rücken zum Vortragenden, ist doch die Bestuhlung mehr auf den kulinarischen Teil der Veranstaltung hin ausgerichtet als auf den literarischen. Markus Werner beweist wieder einmal, dass der Autor nicht immer der beste Vorleser der eigenen Texte ist, und man gewinnt eher den Eindruck, als überprüfe er sein Manuskript nochmals auf Rechtschreibfehler, so monoton ist sein Vortrag. Vier Stunden später, nachdem alle Autoren und auch die Autorin Susanne Geiger ihre Texte vorlesen durften und die Schlachten um die letzten verbliebenden Stücke des Zwetschgenkuchens geschlagen sind, endet alles, wie es begann: Der Chef der Weißen Flotte dankt der Organisatorin, dass alles so wunderbar war und diese gibt den Dank brav zurück. Der Herr Kantonalrat verabschiedet sich vom Herrn Landrat und alle sind sich sicher, im nächsten Jahr, da gehts wieder auf die Litera-Tour. Der Literaturliebhaber aber hat eines gelernt: Meiden Sie Veranstaltungen auf Schiffen, denn Sie haben keine Möglichkeit, den Veranstaltungsort vorzeitig zu verlassen! 20.09.1997 Gero von Büttner lebt als freier Publizist in Überlingen am Bodensee |