»Hypertexte schaffen keinen Inhalt«

Interview mit dem Internet-Literaturpreisträger Peter Berlich

Peter Berlich,33, ist von Beruf Physiker und nebenbei Hobby-Literat und Mitglied einer Laien-Theatergruppe. Er stammt aus Wuppertal, lebt und arbeitet aber schon mehrere Jahre in Freiburg.
     Sein Beitrag CORE wurde mit dem Internet-Literaturpreis 1997 der Wochenzeitung
Die Zeit ausgezeichnet. Mit Peter Berlich sprach Wolfgang Tischer.


Literatur-Café: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Internet-Literaturpreises der Zeit! Hat Herr Sommer, der Herausgeber der Zeit, denn persönlich angerufen?

Berlich: Ja, das war ganz lustig: erst hat die Zeit bei mir angerufen und ich war nicht da, dann habe ich bei der Zeit angerufen und Theo Sommer war nicht da; schließlich hat er mich dann im Büro erreicht..

Literatur-Café: Bist du das erste mal beim Wettbewerb dabei?

Berlich: Ich bin das erste mal dabei. Ich hatte im letzen Jahr schon mal überlegt mitzumachen, aber das hat sich zeitlich nicht ergeben, und dieses Jahr habe ich es gerade noch geschafft.

Literatur-Café: Der Beitrag ist also speziell für den Wettbewerb entstanden?

Berlich: Nur zum Teil. CORE zerfällt in zwei Teile: in den Umgang mit der Erzählmaschine, der in der oberen Bildschirmhälfte stattfindet, und in die Geschichte, die die Maschine erzählt.
     Die Idee mit der Erzählmaschine habe ich lange mit mir herumgetragen, aber mir war nicht klar, was sie eigentlich erzählen sollte. Ich habe an eine romanhafte Erzählung gedacht, bis ich die Idee hatte, eine frühere Geschichte von mir umzuarbeiten. Von da ab wusste ich, wie CORE aussehen würde, und ich habe das nur noch runtergeschrieben.

Literatur-Café: Wodurch wurde die Geschichte inspiriert? Vom Film Casablanca?

Berlich: Diese Kantine, die ich im Text beschreibe, gibt es ganz konkret. Es ist die Kantine des CERN in Genf, wo ich drei Jahre war. Zu der Zeit habe ich den Text auch geschrieben, verquickt mit jeder Menge freier Assoziationen.

Literatur-Café: Wie sah der Text vorher aus?

Berlich: Im wesentlichen war das die Geschichte vom Humphrey und Ingrid, die in der unteren Bildschirmhälfte erzählt wird. Aber der Text war ohne die Computerbefehle der oberen Hälfte ungegliedert, und ihm fehlte ein wenig der Kontext.

Literatur-Café: Schreibst du mehr Texte dieser Art?

Berlich: Ich schreibe gelegentlich Sachen, die aber im Grunde bisher keinen größeren Wirkungskreis erfahren haben. Das wird mehr im Bekanntenkreis rumgereicht.

Literatur-Café: Das sind dann aber eher »normale« Texte?

Berlich: Ja, was man so normal nennt (lacht). Klassische Prosa eben. Im Usenet und im WWW habe ich über die Jahre auch einige Texte veröffentlicht, aber die waren größtenteils satirischer oder parodistischer Natur.

Literatur-Café: Also keine Hypertexte?

Berlich: Nein. Einige der Wettbewerbsbeiträge haben einen richtig kreativen Gebrauch davon gemacht, aber wenn man damit nicht sehr sorgfältig umgeht, kann es einen Text sehr unleserlich machen. Wenn man sich verschiedene kommerzielle Web-Sites anschaut, dann werden dort häufig Hyperlinks ohne Sinn und Verstand angewendet. Das zerreißt dann eher den Zusammenhang, als dass es einen neuen schafft.

Literatur-Café: Das heißt, du steht der Sache eher skeptisch gegenüber?

Berlich: Ich stehe der Sache nicht nur skeptisch gegenüber. Ich finde aber, dass die Hypertexte per se nicht von vornherein neuen Inhalt schaffen. Das muss erst gefüllt werden, und man muss lernen es zu gebrauchen.

Literatur-Café: Hast du nach Deinem Erfolg vor, mehr in dieser Richtung zu machen?

Berlich: Ganz sicher. Ich schreibe ja auch Texte und ich werde das ganze weiterverfolgen.

Literatur-Café: Wirst du auch auf der Softmoderne in Berlin sein?

Berlich: Mich reizt die Veranstaltung sehr. Zwar habe ich im Moment viel zu tun, aber ich rede mir ein, dass ich auch im Zug arbeiten kann (lacht). Ich werde mal sehen.

Literatur-Café: Vielen Dank für das Gespräch, ich hoffe, dass wir uns in Berlin sehen!

August 1997

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