StartseiteProsaDer Stand – Eine traurige Geschichte, die ich lesen wollte

Der Stand – Eine traurige Geschichte, die ich lesen wollte

Ein Bild zur Geschichte, erstellt von der KI
Ein Bild zur Geschichte, erstellt von der KI

Am vergangenen Sonntag habe ich einen Krämermarkt besucht. Zwischen Bürsten, Kerzen und Wollsocken war ein Stand mit alten Laserdruckern aufgebaut. »Ihr persönliches Horoskop« stand auf einem Schild und »Dein Kind, der Held im eigenen Buch«. Wahrscheinlich wird der Name des Kindes in einen Lückentext eingefügt, und die Horoskope setzen sich aus Textbausteinen zusammen. Ein überholtes Geschäftsmodell in Zeiten der KI, die sowas mittlerweile schneller und individueller kann. Der ganze Stand war plötzlich ein Bild der Vergänglichkeit. Leichte Melancholie und Trauer überkamen mich. Ich stelle mir einen Großvater vor, der voller Stolz an diesem Stand ein Buch für seinen Enkel zum Geburtstag erstellen lässt, der nur müde lächelt.

Die Idee zu einer Geschichte. Allerdings möchte ich sie gar nicht schreiben, sondern vielmehr lesen.

Daheim öffne ich das Notebook und tippe meine Beobachtung und meinen Geschichtswunsch als Prompt ein. Hier ist die Geschichte, die ich lesen wollte.

Wolfgang Tischer

Der Stand

Die Sonne steht schräg über dem Marktplatz, als Martin die letzte Plane über seinen Tisch spannt. Zwanzig Jahre macht er das jetzt. Zwanzig Jahre, in denen er jeden zweiten Samstag hier aufbaut, zwischen den Käseständen und den Frauen, die Lavendelsäckchen verkaufen.

Der Computer braucht länger zum Hochfahren als früher. Martin hört das Lüftergeräusch, das in letzter Zeit lauter geworden ist. Drei Drucker stehen aufgereiht hinter ihm, weiße Plastikgehäuse, die an den Ecken vergilbt sind. Einer hat einen Streifen im Ausdruck, aber Martin weiß genau, wie er das Papier einlegen muss, damit es nicht auffällt.

»Personalisierte Horoskope«, steht auf dem Banner. »Dein Kind – der Held im eigenen Buch«. Die Schrift ist verblichen, die Laminierung löst sich an einer Ecke. Martin hat schon daran gedacht, ein neues drucken zu lassen, aber die Preise sind gestiegen.

Er erinnert sich noch an den ersten Tag. Damals hat er bis in die Nacht gearbeitet, um die Textbausteine zu programmieren. Hunderte von Sätzen für die Horoskope, verschiedene Varianten für die Kinderbücher. »Leo-Kinder sind mutig und…«, »Fische sind verträumt und…«. Bei den Büchern gibt es die Piratengeschichte, die Prinzessinengeschichte, die Weltraumgeschichte. Der Name des Kindes wird eingesetzt, manchmal auch die Haarfarbe, wenn die Eltern das wollen.

Die ersten Jahre waren gut gewesen. Die Leute standen in der Schlange. Großeltern vor allem. Sie ließen sich die Muster zeigen, wählten sorgfältig aus, zahlten die achtzehn Euro, später zweiundzwanzig, jetzt neunundzwanzig. Sie warteten die zehn Minuten, während der Drucker arbeitete, und nahmen das Buch in die Hand, als wäre es etwas Besonderes.

Martin öffnet die Plastikbox mit den Klarsichthüllen. Darin liegen die Musterbücher. Eines für jede Geschichte. Die Seiten sind an den Rändern gewellt, weil im letzten Winter Wasser in die Box gekommen ist.

»Morgen, Martin«, ruft Werner vom Käsestand herüber.

»Morgen.«

»Wird heute wieder heiß.«

»Ja.«

Werner verkauft seit dreißig Jahren Käse. Früher hatte er einen Laden gehabt, aber der lief nicht mehr. Jetzt nur noch die Märkte. Sie sprechen nicht viel darüber, aber sie wissen es beide.

Die ersten Besucher kommen gegen zehn. Eine Familie mit zwei Kindern. Die Mutter bleibt kurz stehen, liest das Banner, schaut auf die Musterbücher. Der Vater zieht schon weiter. »Komm, Laura«, sagt die Mutter. Die Kinder haben nicht aufgeschaut.

Gegen elf kommt ein älteres Paar. Sie bleiben länger stehen. Die Frau nimmt eines der Musterbücher in die Hand, blättert. Martin steht auf.

»Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?«

»Wir schauen nur«, sagt der Mann.

»Für die Enkel vielleicht?«

»Wir haben noch keine«, sagt die Frau und legt das Buch zurück.

Sie gehen weiter.

Martin setzt sich wieder. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein Notizblock. Darauf hat er am Morgen notiert: »Standgebühr 85 Euro. Parkplatz 8 Euro. Benzin circa 25 Euro.« Darunter eine Rechnung: Er muss mindestens vier Bücher verkaufen, um auf null zu kommen.

Um halb zwölf kommt eine junge Mutter mit einem Jungen, vielleicht sieben Jahre alt. Sie bleiben vor dem Stand stehen. Der Junge schaut auf die Bilder der Musterbücher. Die Mutter liest das Banner.

»Guck mal«, sagt sie zu ihrem Sohn. »Ein Buch, in dem du der Held bist.«

Der Junge nickt vorsichtig.

Martin steht auf. »Es gibt verschiedene Geschichten. Piraten, Weltraum, Drachen …«

Die Mutter zieht ihr Smartphone aus der Tasche. Sie tippt etwas, schaut auf den Bildschirm. Dann dreht sie das Handy zum Jungen.

»Schau mal, Max. Hier kann man auch …«

Sie sprechen leise. Martin sieht, wie der Junge auf dem Display etwas berührt, wie seine Augen größer werden. Die Mutter nickt.

»Danke«, sagt sie zu Martin, ohne ihn anzuschauen. »Wir überlegen es uns.«

Sie gehen weiter.

Martin setzt sich wieder. Der Lüfter des Computers summt. Von Werners Stand riecht es nach Bergkäse.

Am Nachmittag verkauft er ein Horoskop. Eine Frau, Mitte vierzig, die für ihre Freundin ein Geburtstagsgeschenk sucht. »Etwas Lustiges«, sagt sie. Martin tippt das Geburtsdatum ein, wartet, während das Programm die Textbausteine zusammensetzt. Der Drucker zieht das Papier ein, Zeile für Zeile.

»Neun Euro fünfzig«, sagt Martin.

Die Frau zahlt bar. Sie steckt das Horoskop in ihre Tasche, ohne es anzuschauen.

Gegen sechs ist der Markt leerer. Die Sonne steht tief, wirft lange Schatten über die Pflastersteine. Martin beginnt, die Musterbücher einzupacken. Dabei fällt sein Blick auf eines, das ganz unten in der Box liegt.

»Sophie und die Zauberblume«, steht darauf. Er hat es vor vielen Jahren gemacht, als seine Tochter fünf gewesen war. Sophie mit blonden Haaren und grünen Augen, stand in der Geschichte. Er hatte damals mehr geschrieben als nötig, hatte sich Mühe gegeben mit den Sätzen, hatte ein eigenes Bild eingefügt, das er gemalt hatte.

Er weiß nicht, ob Sophie das Buch noch hat. Sie sprechen nicht mehr viel miteinander. Seit der Scheidung lebt sie bei ihrer Mutter in einer anderen Stadt. Sie schreibt manchmal, kurze Nachrichten. »Alles gut hier. Hoffe bei dir auch.«

Martin legt das Buch zurück in die Box.

Die Drucker brauchen lange, bis sie abgekühlt sind und er sie einpacken kann. Er rollt die Kabel auf, baut den Tisch ab, faltet die Plane zusammen. Werner ist schon weg. Der Lavendelstand auch.

Auf dem Parkplatz lädt Martin alles in den Kofferraum. Der Wagen ist alt, fünfzehn Jahre. Am Stoßfänger ist der Lack abgeplatzt. Er setzt sich auf den Fahrersitz, aber startet den Motor noch nicht.

Auf dem Beifahrersitz liegt Sophies Buch. Es ist aus der Box gerutscht, als er sie verstaut hat. Er nimmt es in die Hand, schlägt es auf. »Sophie ging durch den Wald und suchte die Zauberblume«, liest er. Die Seiten sind vergilbt an den Rändern.

Er legt das Buch zurück auf den Sitz.

Dann startet er den Motor und fährt los. Die Straße führt aus der Stadt hinaus, vorbei an Feldern, die im Abendlicht golden schimmern. Das Radio ist aus. Nur das Motorengeräusch, das Rauschen der Reifen auf dem Asphalt.

Das Buch liegt die ganze Fahrt über neben ihm.

Geschichte erstellt mit der KI Claude

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