Das Ziel im Auge behaltend glitt die Spinne an ihrem seidenen Faden hinunter und landete unbemerkt auf der Glatze des Pianisten. Satz von Antje Löwenberg, Hamburg Die Geschichte zum Satz: Der Pianist schlief. Er war über "Every little thing hurts", ein Lied, das er als Siebzehnjähriger tagein tagaus gehört hatte, in eine Improvisation geraten, die ihn weiter und weiter vom Thema entfernte. So weit, dass nur Abbruch geholfen hätte, oder die weniger mutige Variante, der Schlaf. Der Pianist hatte die weniger mutige gewählt. Seine Augen hatten zu flackern begonnen, er hatte an sein Moped gedacht, eine Kreidler, er hatte darüber gelacht, dass er die Führerscheinprüfung nicht bestanden hatte, dann hatte er gähnen müssen, sein Kopf war aufs Kinn gesunken und nun saß er da. Er schlief gern vorm Klavier. Obenauf stand die Urne mit der Asche seines Vaters, rechts das Foto eines Graffiti - ein Mondgesicht, das ihm sehr ähnelte -und daneben der Hausgeist aus Sperrholz und Klopapier. Dieser Platz war sein Lieblingsplatz. Und so schlief er. Träumte, dass eine Spinne sich von seiner glänzenden Glatze abseilte und die erste Verbindung zur Nase herstellte. Von dort gelang es ihr, Fäden an der der Nase gegenüber liegenden Klavierlampe zu befestigen, von dort führte wieder einer zurück zur Nase, und so zog sie ihr Netz enger und enger. Ob ihr jemand ins Netz geht, ist eine andere Geschichte. Aber schön war das Netz. Und tief war der Schlaf, den der Pianist schlief. Er war fast ein anderer, als er erwachte. Ob er erschrak? |