Ach Gott, das waren noch Zeiten, als die ersten grünen Abgeordneten im Bundestag die steife Ordnung der grauen Kleidungskluft fantasievoll durchbrachen. Wo Parlamentsdebatten auch für Frauen interessant und lehrreich waren, die sich an Petra Kellys Pullover strickenden Mitstreiterinnen ein Vorbild nehmen konnten. Alles aus und vorbei. Wieder herrscht das alte Outfit - Einerlei. Doch will ich nicht erneut Klage führen über die Mimikry jener 68er, die nun am lohnenden Ende ihres langen Marsches durch die Institutionen angelangt sind. Gönnen wir Joschka den eleganten, dreiteiligen Anzug und Michaela Schreyer die Mitgliedschaft in der europäischen Kommission. Doch an löbliche Beispiele sei erinnert, an Menschen, die auch weiterhin jedem Konformismus trotzen, die uns auch und gerade mit ihrem Äußeren zum Wandel, zum Umdenken aufrufen wollen. Dabei denke ich weniger an das adrette S-M Pärchen, welches ich vor einigen Monaten in der Frankfurter Innenstadt sah. Er, ganz in Leder und angekettet an einem Hundehalsband, lief seiner Domina auf allen Vieren hinterher. Eine eher unwürdige Zurschaustellung neuer, experimenteller Beziehungsmodelle. Interessanter erscheinen mir Neuerungen der Kleiderordnung, die auch unmittelbaren praktischen Zwecken dienen. Von einer originellen Idee berichtete vor einigen Wochen die Nachrichtenagentur Reuters. Ein schwedischer Räuber besaß den Mut, einen Überfall auf ein Postamt einmal ohne die konventionelle und inzwischen reichlich langweilige Strumpfmaske zu begehen. Als großes Huhn verkleidet verschaffte er sich Einlass und konnte die Kassiererin sprachlos machen. Dass er aus Verärgerung über die leere Kasse anschließend mit einem Baseballschläger einige Fenster zertrümmerte, muss als Stilbruch bei seinem sonst so avantgardistischen Vorgehen angesehen werden. Aller Anfang ist freilich schwer, man sollte ihm die gleiche verzeihliche Nervosität zubilligen wie jenem Kollegen, der vor einigen Monaten getarnt mit einer Affenmaske eine Bank im Kreis Unna stürmte. Er feuerte einen Schuss aus seiner Gaspistole ab, auch rief er noch laut und vernehmlich "Überfall", danach aber lief er davon, in letzter Sekunde hatte ihn der Mut verlassen. Man sollte über dieses Missgeschick nicht lachen, immer ist es leichter, den Fußstapfen eines anderen zu folgen, als selbst neues Terrain zu betreten. Dass dies stets mit Risiken verbunden ist, erlebte auch ein Pfarrer aus dem Erzbistum Freiburg. Der 39 Jahre alte Geistliche hatte in Frauenkleidern - einen bisschen Spaß muss sein - einen KarnevalsClub besucht. Danach wurde ihm die Ausübung seiner priesterlichen Tätigkeit untersagt. Angeblich war es nicht das weibliche Gewand als solches, sondern allein dessen Kürze, vielleicht auch die Blondhaarperücke, welche Sanktionen herausforderten.
Dennoch, auch die katholische Kirche wird und muss weiblicher werden. Und unsere Welt wird bunter werden. Eines Tages wird man sich jener Menschen wieder erinnern, die auch in ihrem Äußeren zementiert scheinende Tabus durchbrochen haben. Wenn Sie also morgen Ihrer Bank einen Besuch abstatten oder auch nur den Gottesdienst besuchen, denken Sie daran: Fantasie ist machbar, Herr Nachbar!
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