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Hunger
von Heidrun Geck

Der Hunger war da. Nein, falsch, er ist noch da. Der Hunger nach Leben und der Hunger nach einem guten Essen. Beides zusammen ist verbunden. Das Leben genießen, satt werden durch Taten, die immer wieder neu geschehen müssen, um den Lebenshunger zu stillen. Das Essen genießen, satt werden durch Mahlzeiten, die immer wieder neu zusammengestellt werden müssen, um den Nahrungshunger zu stillen. Jeden Tag aufs Neue ein Menü zusammenstellen, würzen, abschmecken, das Gericht zu fade finden und mit feurigem Paprika nachlegen, Kräuter zugeben, experimentieren mit exotischen Gewürzen. Die feinen Nuancen erschmecken, sich daran ergötzen, davon satt werden, dass es aufregend schmeckt, dass es anders schmeckt, dass es ungewohnt und spannend ist, was vom Teller in den Magen geht.
Ganz anders dagegen: Eine Mahlzeit zusammenstellen lassen bei einem der zahlreichen Fast-Food-Anbieter. Das geht schnell und befriedigt den schnellen Genuss, falls es überhaupt ein Genuss ist. Sattwerden zählt, schnell und sofort. Sättigungsbeilage, ein Begriff aus den ostdeutschen Tagen des geteilten Deutschlands, muss sein. Menge zählt. Satt werden bis der Arzt kommt, nichts mehr merken außer Völlegefühl. Es ist schade um die Geschmacksnerven, die dabei nicht zum Einsatz kommen, vor lauter Angst, dass der Körper nicht satt wird. Den Lebenshunger befriedigen auf gleiche Weise: Völlegefühl zählt. Schade um die Gefühle, die Lebensgefühle, die bei Völlerei nicht zum Einsatz kommen, vor lauter Angst, etwas zu verpassen. Der Hunger nach Leben und der Hunger nach Nahrung muss gestillt werden, wie auch immer. Die Tage sind kostbar, die uns das Leben in allen Varianten bietet - möglichst gut gewürzt. Die guten Mahlzeiten sind ebenso kostbar, die einen Hauch von Exotik in unseren Speisenplan bringen. Der Hunger muss befriedigt werden - der Hunger nach Nahrung und nach Leben.

© by Heidrun Geck. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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