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Apfelwangenpoporund
von Beate-Helena Wehrle

Bleich und leblos liegt er in seinem metallenen Ruhebett. Durchgewalkt. Geknetet. Die Frau setzt sich auf den kleinen Schemel vor dem Herd und nimmt ihren Beobachtungspunkt vor dem gläsernen Guckloch ein. Sie schüttelt ihre Arme und gähnt. Als könne sie so sein Gedeihen vorantreiben, lässt sie ihn nicht mehr aus den Augen.

Sie lächelt, als sich der schlaffe Körper vorsichtig in der Wärme regt. Er beginnt zu atmen. Erst ruhig und gleichmäßig, dann sichtlich bewegter. Sie spürt, wie sie den Rhythmus seines Atems übernimmt. Plötzlich bläht er sich auf, als würde er bösbubenstreichig mit einem Strohhalm voll Luft gepumpt. Der Frau stockt der Atem.

Nein, dieses Mal würde sie stark sein und der Versuchung widerstehen. Sie würde nicht wie so oft zuvor die Tür des Ofens öffnen, um mit ihrer Hand die wachsende Spannung der zarten warmen Haut zu erspüren. Um ihm zu helfen, den Druck auszuhalten. Der kalte Luftzug würde den nunmehr drallen Bauch unweigerlich wieder in sich zusammenfallen lassen. Schwer und klebrig würde der Prachtkerl in die Knie gehen. Sie spürt, wie sie von einer zarten Gänsehaut gestreift wird.

Leicht und flockig wie eine Wolke muss er sein. Nur so hat sie ihn lieben gelernt. Sie würde sich also gedulden. Die Frau lässt die Zunge über die Lippen gleiten. Als sie sieht, wie die straffe Spannung der zart gebräunten Oberfläche den Laib in der Mitte auseinanderplatzen lässt, zieht sie sich den engen Rock zurecht.

Sie starrt in den tiefen Schlund des Ofens. Verführerisches Apfelwangenpoporund. Gleich wird sie den Kuchen heraus-heben, ihr Gesicht in seine tiefe Furche legen und sich vom Geruch der frisch gebackenen Hefe durchfluten lassen. Sie wird seine zarte Haut streicheln und warten, bis die dampfende Hitze abgekühlt ist. Dann wird sie seine Nacktheit behutsam mit einem dünnen Kleid aus Zucker bedecken und sich auf der duftenden Wolke aus der Küche hinaustragen lassen in die Weite einer verführerischen fremden Welt.

© by Beate-Helena Wehrle. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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