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Gans schön schwer
von Karin Baseda-Maass

Die männlichen Vertreter unserer frühesten Vorfahren, das ist allseits bekannt, waren unerschrockene Jäger. Mit Faustkeil und Keule lauerten sie ihrer Beute auf, erlegten sie und schafften sie heim zu Weib und Kind in die Höhle. Da wurde dann geschmaust.
Diese Jagdleidenschaft, das begehrliche Streben nach essbarer Beute schlummert auch heute noch im männlichen Geschlecht. Nur haben sich die Geräte der Jagd erheblich gewandelt, statt steinerner Waffen bedient sich der Mann des 21. Jahrhunderts lieber der Spielkarten und Würfel - aber noch immer kehrt er im Triumph mit der Beute heim.
Wie neulich mein Mann nach dem Skat- und Kniffelabend. Mit Dreier-Pasch, Großer Straße und Full House hatte er eine Gans erwürfelt. Ein herrliches fleischiges Tier, das er samt Plastikbeutel glücklich in die Luft hielt, um zu zeigen, welch ein Held er war.

Doch seine Liebste hatte aus der Erfahrung der vergangenen Spielabende nur mit einer Mettwurst gerechnet und starrte ihn entgeistert an. Was sollte sie mit dem Vogel tun? Das Tiefkühlgerät war voll. Belegt bis in die letzte Schublade.
„Dann brat sie doch gleich morgen! meinte der glückliche Gewinner.
Doch seine Frau musste gestehen, dass sie noch nie in ihrem Leben eine Gans zubereitet hatte. In jahrzehntelanger Ehe war es ihr gelungen, diese Prüfung zu umgehen.

Der folgende Tag brach an.
„Wie schwer ist der Vogel denn überhaupt?" fragte sie, nachdem sie mehrere Rezepte studiert hatte.
„Weiß ich doch nicht", meinte der Mann und machte sich damit zum Mitschuldigen, falls der Braten nicht gelingen sollte. Die Küchenwaage zeigte drei Kilo, mehr hatte ihre Skala nicht zu bieten.
Die Personenwaage brachte nach zweimaligem Wiegen - einmal Hausfrau ohne Vogel, dann Hausfrau mit Vogel - und anschließendem Ausrechnen der Differenz vier Kilo heraus; die Dauer des Aufenthaltes im Bratrohr konnte damit festgelegt werden.
Nun wurde gesalzen, gepfeffert, gefüllt und genäht, was das Tier hielt und endlich gebrutzelt.
Das ganze Haus duftete nach Weihnachten.
Einen so festlich gedeckten Tisch, mit Rotwein aus feinen Gläsern hatten die wilden Vorfahren sicher nicht, wenn sie ihre Beute verspeisten. Aber sie mussten hinterher auch nicht die Küche putzen!"

© by Karin Baseda-Maass. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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