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Die Muse
von Kristina Hohage

Ich steckte in der Krise! Ich hatte kein Geld, Hunger, Augenringe und eine Schreibblockade! Zu dieser Zeit zog ein Mann neben mir ein, der einem Magier aus meinem unvollendeten Werk so glich! Vielleicht war ich aber auch nur zu sehr in mein Buch vertieft. Der Mann sprach mit keinem, und keiner sprach mit ihm! In seiner Gegenwart konnten alle nur sein höfliches Kopfnicken erwidern - alle Worte verschwanden für einen Augenblick aus den Köpfen! Aber außer mir schien dies keinem aufzufallen! An seiner Tür stand kein Name und er bekam weder Besuch noch Post! Das einzige, was darauf schließen ließ, dass er tatsächlich in seiner Wohnung wohnte, war der köstliche Geruch, der hin und wieder vor seiner Tür zu riechen war. An einem Abend war mein Hunger so groß und mir mein Spiegelbild so zu wider, dass ich beschloss das Schreiben an den Nagel zu hängen! Auf dem Weg zum Papiercontainer wäre ich fast über ein Tablett, das auf meiner Fußmatte stand, gestolpert!
Auf ihm befand sich ein vorzüglich duftendes drei-Gänge-Menu! Ohne auch nur einen Gedanken an Herkunft und Sinn des Menus nachzudenken, fing ich an zu essen!
Alles um mich herum völlig vergessend, konnte ich nur noch genießen! Erst nach dem Essen entdeckte die kleine weiße Karte. „Schreiben Sie, las ich! Ich gehorchte und schrieb die ganze Nacht wie im Wahn! Auf einmal hatte ich keine Probleme mehr damit, meine Gedanken in Worte zu fassen! Am nächsten Morgen fand ich ein köstliches Frühstück vor meiner Tür. So vergingen einige Wochen, ich schrieb und ich aß. Ich kann mich nicht erinnern auch nur einmal geschlafen zu haben, Essen und Schreiben war alles, was ich brauchte! Ich weiß -wenn auch nicht woher- , dass mein Nachbar für die kulinarischen Kunstwerke verantwortlich war. Ich kann mir auch nicht erklären, warum er für mich kochte, warum wusste er von meiner Arbeit?
Alles was ich weiß ist, dass sein Essen meine Muse war! Ich fand tatsächlich einen Verlag, der mein Buch verlegte. Wildfremde Menschen schrieben mir, dass mein Buch sie verzaubert hätte. Mit Beendigung des Buches, endeten auch die köstlichen Mahlzeiten. Eines Abends sah ich den Mann mit einem Koffer in der Hand die Strasse entlang gehen. Kurz bevor er aus meinem Blickfeld verschwand, drehte er sich zu mir um und nickte mir höflich zu. Ich nickte zurück.

© by Kristina Hohage. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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