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Vergangen und vergessen
von richW

Kennen Sie das Autobahnkreuz Feuchtwangen/Crailsheim!? Die Ausfahrt Feuchtwangen mit Spielbank, Gewerbegebiet, neudeutschem Autohof, neuerdings Diskothek und Hotel, das Zimmer stundenweise vermietet. Unvermeidlich das Mc Donald's Restaurant. Wo sich A 6 und A 7 kreuzen, haben wir als Kinder unseren Moped Grand Prix veranstaltet.

Seit Jahren antworte ich auf die Frage, wo ich denn herkäme: “Aus der Einöde!” In Wirklichkeit (s.o.) belehrt mich der Strukturwandel eines besseren. Ich schaue mit Wehmut zurück, als wir nach den Mopedrennen erschöpft nach Hause kamen und unsere Mutter uns durch Kuhmilch mit Honig neues Leben einhauchte. Danach gab's Hühnersuppe mit frisch gebackenem Brot oder Dampfnudel mit Vanillesoße.
Schon früh mußte ich den Traktor vor dem Vollernter fahren. Ich war selig, wenn nach langem Erntetag im Schatten der Linde vom “Kerabauer” Most ausgeschenkt wurde, die Brotzeit mit Schinken, Brat- und Leberwürsten, Gurken, Tomaten, dem Radi in unendlichen Variationen aufwartete.
Im Zentrum unserer vielköpfigen Familie: der Garten meiner Mutter. Ein unendlicher Spielplatz zwischen Obstbäumen, Beerensträuchern, Gemüsebeeten, Erdbeeren, die uns auf köstlichen Kuchen zuteil wurden. In der Scheune waren neben der Werkstatt auch Hasen-, Schaf- und Hühnerstall verborgen. Daneben wiegte sich Weizen und Roggen sanft im Wind.
An Schlachttagen verwandelte sich ein Schwein in Würste, Fleisch und Schinken. Zu Sauerkraut, noch in der Neige des Herbstes gehobelt und gesalzen, unter unseren Füßen in Tonkrüge gestampft, oder zu den angebräunten Bratkartoffeln wurde aus der Schlachtschüssel gegessen.
Ich erlag damals der Küche meiner Mutter: dem Duft des Bratens, den Klößen, Spätzle oder dem gebackenen “Kartoffelbrei”, vielfältigsten Soßen, Gemüse al dente, dem Zauber ihrer Mehlspeisen, Apfel im Schlafrock, Zwetschgendatschi, Kartoffelfingern, Gebäck, Kuchen, Zwischenmahlzeiten und Naschereien.

Heute hat sich viel verändert, ich bin zum Freund der mediterranen Küchen geworden. Doch seit einiger Zeit hat meine Lebensgefährtin einen Kunden in der “Einöde”, die längst keine mehr ist. Sie bringt Lebensmittel und Mahlzeiten mit nach Hause. Frische, Geschmack und Qualität übertrifft alles, was es in Supermärkten zu kaufen gibt. Und wissen Sie, was meine Lebensgefährtin seitdem zu mir sagt: “Wenn unsere Mütter sterben, dann ist das alles verloren. Die Art und Weise, wie sie kochen, die Rezepte, die sie kochen und auch Früchte und Lebensmittel, mit denen sie kochen !”

© by richW. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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