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Pilzschlemmerei bei Kerzenschein
von Ursula Krüger

"Ich möchte dich Freitag zu mir einladen", sagte Herbert und strahlte mich an.
"Einladen? Du guckst aber feierlich?" Ich beobachtete meinen Freund aus den Augenwinkeln, nie hatte er so geheimnisvoll ausgesehen.
"19 Uhr bei mir. Ich koche für uns."
Ich kannte Herbert seit sechs Monaten. Er hatte nie verraten, dass er kochen kann, um so gespannter war ich, als ich an der Tür in der Kreuzgasse klingelte. Er öffnete in der originellen Schürze mit der Aufschrift "Ich koch‘ dir was". Genüssliches Aroma fächelte durch die Diele und lockte mich an. Schon stand ich in der Miniküche. "Lecker!" jubelte ich, meine Geschmacksknospen fuhren Karussell.
"‘tschuldigung, die Küche gehört heut mir", raunte Herbert und schob mich sanft in die Stube. "Nimm bitte hier Platz". Mir stockte der Atem, als ich den festlichen Tisch sah. Rote Rosen, Kristallgläser, Kerzenlichter, Blütenservietten und eine Schale mit grünen Salatrosen erweckten Harmonie pur. Mir wurde heiß. Ein Duft von würzigen Pilzen zog durch das traute Heim. Ich konnte kaum erwarten, den ersten Bissen zu nehmen.
"Lass dir‘s schmecken", hauchte Herbert, und stellte zwei Teller auf den Tisch. Ein "das Auge isst mit" kreiertes Pilzgericht mit safrangelbem Kartoffelbrei duftete so verführerisch, dass ich sofort zur Gabel griff. "Hmm! Ein pikanter Geschmack", rief ich begeistert.
Herberts Augen leuchteten. Er hatte Rotwein eingefüllt und hob mir ein Glas entgegen: "Auf dein Wohl Usch – und auf den genussvollen Abend".
Der Rebensaft vibrierte auf der Zunge, solch vollmundigen Tropfen hat sie nie zuvor gespürt. Aus dem Grammophon erklang mein Traumlied "Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein" – ich war gefesselt im Rausch von Geschmack und Genuss. Auf meinem Gaumen prickelten Maronen, Pfifferlinge, Stein-, Butter- und Birkenpilze. "Delikat, sahnig, hm!"
Dann flüsterte Herbert: "Nun zum Wohl auf uns beide!"
"Ja, auf uns", ein köstlicher Pilz streichelte meine Sinne. Ich erhob mein Glas: "Lecker, wahres Gaumengold!" Der Kartoffelbrei schmeckte cremig, und ich bekam nicht genug vom Schmaus. "Oh ja", nickte ich, als Herbert noch eine Portion auftat. Auch der zarte Salat mit Petersilie und Zitronensaft mundete. Und plötzlich fragte Herbert: "Möchtest du meine Frau werden?"
Welche Überraschung! Ich sagte: "Ja" und bin nach 44 Jahren so glücklich wie einst bei der Pilzschlemmerei im Kerzenschein.

© by Ursula Krüger. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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