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Essen bei Oma
von Brigitte Diem

An die Küche in dem kleinen Haus meiner Großmutter erinnere ich mich noch heute ganz genau. Wenn man die Tür zur Küche öffnete, so fiel der Blick sofort auf den großen Tischofen. Beheizt wurde er mit allem was in einem Bauernhaushalt anfiel. Holz von Auslichten der Bäume, Abfallholz, Papier, Karton, Abfälle, usw. wurden verbrannt. Eine große Eisenplatte, die von einem blank geschmirgeltem Aluminiumrand eingefasst war, bildete das Hauptelement dieser Ofenart. Auf der linken Seite war das Ofentürl in der Mitte das Backrohr und am rechten Rande der beheizten Fläche, war der Wasserbehälter in die Platte eingelassen und dahinter Platz für alles Essbare, das warm gehalten werden sollte. Nachdem man sich als Besucher im Winter frierend zum Ofen begeben hatte, hielt man die Hände über die Platte, rieb sie aneinander und hielt sie wieder drüber usw.. Jeder Neuankömmling übte diese Zeremonie, die dann durch ein genussvolles „Aaahh“ abgeschlossen wurde. Der zweite Teil des Rituals war, allerdings nur für sehr gute Bekannte des Hauses, der Blick in die Töpfe. Neugierig hob man den Deckel der Pfanne oder des Topfes, guckte erwartungsvoll hinein und nahm eine Nase voll von dem verführerischen Duft und dann kam die unweigerliche Frage: „Willst was essen?" Man wollte immer. Dann räumte die Oma ihren Platz, weil er näher zum Ofen war und dem Gast warm werden sollte, servierte eine Kostprobe aus dem Topf und stellte sich mit dem Rücken zum Ofen, den Allerwertesten an den Umlauf des Ofens gelehnt. Beide Hände umfassten links und rechts der Hüften die blankgeputzte Messingstange des Umlaufs und so beobachtete sie mit Vergnügen und Genugtuung wie es schmeckte. Und da schmeckte alles, vom Braten, bis zu den Marillenknödel, Gulasch oder Faschiertes, Kartoffel, Reis mit Saft, ja sogar Bohnen aß ich bei der Oma. Es war einfach ein Gesamtkunstwerk, bei Oma zu essen. Es passte alles, die Umgebung war gemütlich und unkompliziert, die Geruchsmischung aus Holzofenfeuer, Essen und kalter Winterluft waren einfach anregend. Es machte gar nichts, wenn man einmal daneben patzte, die Kost war deftig und immer in großen Mengen vorhanden - und Oma stand daneben und freute sich.
Oma ist heute schon 25 Jahre tot, aber irgendwie habe ich den Duft dieser Küche immer noch in der Nase wenn ich in die Gasse einbiege. Dann steigt Oma wie ein Geist aus der Flasche und fragt mich immer noch:" Willst was essen?"

© by Brigitte Diem. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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