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Wie war’s mit Thea Dorn? Das nochmals neue Literarische Quartett

Das Literarische Quartett vom 06.03.2020: Vea Kaiser, Thea Dorn, Jakob Augstein und Marion Brasch (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)
Das Literarische Quartett vom 06.03.2020: Vea Kaiser, Thea Dorn, Jakob Augstein und Marion Brasch (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)

Zunächst ist man irritiert: derselbe Vorspann, derselbe Ort, dieselbe Deko. Doch wo ist Christine Westermann? Wo sitzt eichhörnchenhaft aufgerichtet Volker Weidermann? Aber nein, es ist ja das nochmals neu strukturierte Literarische Quartett mit Thea Dorn als Chefin im literarischen Ring. Hat das neue Konzept funktioniert?

Statt eines wechselnden Gastes gibt es künftig drei wechselnde Gäste und eine gleichbleibende Gastgeberin Thea Dorn. Die sitzt nun auf einem kleinen Sofa und damit etwas tiefer als die anderen in ihren Stühlen. Der freie Platz auf dem Sofa dient Dorn als Ablagefläche für Bücher.

Die Gäste der ersten Sendung, die mit Thea Dorn über Bücher diskutierten, waren die österreichische Schriftstellerin Vea Kaiser, der Freitag-Verleger Jakob Augstein und die Radio-Journalistin Marion Brasch.

In einem Interview mit dem Börsenblatt des Deutschen Buchhandels hat Thea Dorn erläutert, dass man bei der Buchauswahl fürs Quartett künftig stringenter vorgehen werde. Die Bücher werden hauptsächlich von der Redaktion ausgesucht, die Gäste übernehmen deutlicher die Patenschaft für einen Titel. Dabei sollen idealerweise zwei Titel für ein breiteres Lesepublikum besprochen werden (ein deutschsprachiger und ein internationaler) und ein Titel soll so eine Art Wiederentdeckung sein. In dieser Sendung war dies »Vor Rehen wird gewarnt« von Vicky Baum aus dem Jahre 1951. Außerdem wurde über »Haus der Namen« des irischen Schriftstellers Colm Tóibín, über »Die rechtschaffenen Mörder« von Ingo Schulze, das für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist, und über »Nochmal Deutschboden« von Moritz von Uslar diskutiert.

Und wie war’s mit Dorn?

Zunächst gut.

Einmal abgesehen davon, dass Augsteins Gegenlobhudeln bei der Vorstellungsrunde wieder das Jeder-kennt-Jeden offensichtlich machte, hatte Thea Dorn die Runde zunächst gut im Griff. Sie erteilte und übergab klar das Wort, hielt sich zurück und diskutierte mit, wenn es jeweils angebracht war. Trotz niedrigerem Sofa hat Thea Dorn die Gesprächsführung und -leitung klar und dominant in der Hand. Ein Pluspunkt gegenüber Weidermann. Dass die drei Gäste in ihrer Meinung und Haltung nicht gleich einzustufen waren, war ebenfalls ein Pluspunkt. Ein weiterer Pluspunkt war das Fehlen der emotionalen Leseperspektive à la Westermann. Ebenso war die aktiv und fundiert mitredende Vea Kaiser ein Pluspunkt. Und dass sich das Nacherzählen von Handlungen in Grenzen hielt.

Bei der Buchvorstellung des jeweiligen Paten läuft nun eine Sanduhr mit, um die Redezeit auf 90 Sekunden zu begrenzen, was freilich nicht klappt, wenn die Diskussionsleiterin bei »ihrem« Buch 150 Sekunden benötigt.

Die Diskussion um »Die rechtschaffenen Mörder« endete leider mit Rede und Gegenreden, gerne hätte man eine differenzierte Entgegnung auf Augsteins Einwand gehört, warum man einen Rechtsradikalen gleich wieder so extrem und unsympathisch darstellen müsse, dass es dem Leser allzu einfach macht, sich von ihm zu distanzieren.

Beim dritten Buch hätte die Redaktion deutlicher eingreifen und es Thea Dorn entreißen sollen. Thea Dorn hat eine Schwäche für die griechische Mythologie (und Martin Walser). Titel mit griechisch-mythologischen Inhalten und Referenzen sollte sie nicht mehr vorstellen, denn zu schnell ist der »Och, nö, nicht schon wieder«-Effekt erreicht. Wie viele ZDF-Zuschauer wohl die Frage »Wie hat der Autor diesen bekannten [Klytaimnestra-]Mythos aufgearbeitet?« genauso spannend finden wie Altphilologin Vea Kaiser?

So ging es am Schluss bei Vicky Baum zu sehr in die »Ich fand, …«-Diskussion und der Versuch, aktuelle Dinge wie die MeToo-Debatte durch ältere Text zu sehen, führte zu kruden Überlegungen, »wie viele Rehe wohl hinter dem armen Placido Domingo her waren«. Zum Glück rief da Augstein Dorn zur Ordnung.

Durch Thea Dorn als Diskussionsleiterin hat das Literarische Quartett eine Aufwertung erfahren. Sie sollte jedoch das Gespräch durchgängig stringenter moderieren und auf persönliche Steckenpferde verzichten.

Wolfgang Tischer

Link ins Web:

  • Das Literarische Quartett vom 06.03.2020 in der ZDF-Mediathek

Die in der Sendung vom 06.03.2020 besprochenen Bücher:

  • Moritz von Uslar: Nochmal Deutschboden: Meine Rückkehr in die brandenburgische Provinz. Gebundene Ausgabe. 2020. Kiepenheuer&Witsch. ISBN/EAN: 9783462053258. 21,70 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
  • Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder: Roman. Gebundene Ausgabe. 2020. S. FISCHER. ISBN/EAN: 9783103900019. 21,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
  • Colm Tóibín; Giovanni Bandini (Übersetzung); Ditte Bandini (Übersetzung): Haus der Namen: Roman. Gebundene Ausgabe. 2020. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG. ISBN/EAN: 9783446261815. 24,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
  • Vicki Baum; Carl-Heinz Ostertag (Übersetzung): Vor Rehen wird gewarnt: Roman. Gebundene Ausgabe. 2020. Arche Literatur Verlag AG. ISBN/EAN: 9783716027844. 24,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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12 Kommentare

  1. Theater Dorn mag eine überaus belesene
    und scharfsinnige Kritikerin sein.
    Aber sie trägt ihre Positionen allzu oft mit
    einer selbstgewissen, süffisant garnierten
    Unirritierbarkeit vor, die sich stets hart an der Grenze zur Besserwisserei und Arroganz bewegt.
    Man hat immer das Gefühl, Frau Dorn müsse sich und anderen etwas beweisen, etwa in dem Sinne; Seht und hört her, auf Grund meines brillanten Intellekts gebührt mir natürlich auch die Deutungshoheit über das jeweilige Buch.
    Kein Wunder eigentlich bei jemandem, der sich qua Namensgebung als die weibliche Ausgabe von Theodor Adorno versteht, zumindest als dessen authentische und legitime Adeptin.
    Also: (Viel) weniger wäre hier entscheidend mehr.

    Es ist nach der ersten Sendung des neuen Formats noch zu früh für ein Urteil.
    Ein Mehrwert gegenüber dem bisherigen Format, in dem es drei Stammteilnehmer/innen gab, ist für mich nicht erkennbar.
    Es bleibt zu hoffen, dass es künftig tatsächlich um die zu diskutierende Literatur geht und die jeweils eingeladenen Gäste nicht nur als Staffage für die Selbstdarstellung der Moderatorin dienen.

  2. Ich habe die erste Sendung unter der Regie von Thea Dorn mit Spannung erwartet. bin aber leider total enttäuscht. Ich kann Wolfgang Tischer überhaupt nicht zustimmen. Ich fand die Sendung insgesamt viel langweiliger und ich hatte den Eindruck, dass es gar nicht so sehr um die Bücher ging,
    Vielmehr stellten sich hier Vea Kaiser und Thea Dorn abwechselnd ins Rampenlicht.
    Ich war sehr enttäuscht.

  3. Da kann ich Mona Krassu nur zustimmen.
    Und noch eine Bemerkung zu Wolfgang Tischer:
    Warum soll “das Fehlen der emotionalen Leseperspektive” ein “Pluspunkt” sein?
    Als sei ein emotionaler Zugang zur Literatur etwas
    Verwerfliches…
    Und bisweilen hat Christine Westermann auf bestimmte Lesarten und Aspekte aufmerksam gemacht, die der kalt sezierenden Vernunft von Frau Dorn entgangen ist.
    Den Druckfehler in Zeile 1 meines obigen Kommentars bitte ich zu entschuldigen.
    Natürlich muss es Thea Dorn heißen.

  4. Das war sehr langweilig.
    Aufgrund der Darstellung und Diskussion werde ich keines der Bücher lesen.
    Dadurch dass die Bücher vorher von drei Menschen kommentiert wurden, die ich “kenne”, konnte ich auch einschätzen, ob mich die Bücher interessieren.
    Jetzt sehe ich betroffen, den Vorhang zu und keine Fragen, die mich interessieren.

  5. Warum die Kommentare so bösartig? Thea Dorn ist eine inelektuelle, dabei witzig und kreativ. Prima, dass sie diese Sendung übernahm. Ich wünsche ihr alles Gute und danke für ihren Schwunk, den sie dort reingebracht hat. Ich freue mich schon jetzt auf jede nächste Sendung und bitte alle wohlgesinnten, dass sie auch mal was Nettes schreiben und nicht nur die Nörgler-innen, ätsch!
    Liebe Frau Dorn, ich habe u. a. Ihre wunderbare Rede zum Geburtstag unserer Verfassung gehört. Sie sind eine herrliche Bereicherung für unser Land. Ihre Gefühle zur Nation sind meinen ähnlich, obwohl ich zwei Staatsangehörigkeiten habe usw. Alles Gute und bereichren Sie uns weiter! AnnaJK

  6. Meine Kommentare sind nicht “bösartig”,
    sondern entsprechen einem subjektiven Eindruck,
    den ich sachlich geäußert habe.
    Dass Frau Dorn auch Verdienste um die
    Literatur hat, stellt doch niemand in Frage…

  7. Ich bin gespannt gewesen auf das neue Format und restlos begeistert.
    Thea Dorn ist eine exzellente Literaturwissenschaftlerin und Philosophin und ich erwarte auch, dass dies deutlich wird. Mit Esprit und einer gewissen Koketterie – na und – wird sie dieser Rolle gerecht.
    Ich will nicht hören, was ich selbst weiß, ich will etwas Neues lernen.
    Die Gäste waren gut gewählt, enttäuscht hat mich niemand, weil jeder individuelle Aspekte einbrachte und so das Gespräch bereicherte.
    Ich freue mich schon auf die nächste Sendung, vielleicht könnte man auf eine Stunde erweitern, aber als Anregung zum Lesen dienen die 45 Minuten allemal.

  8. Der Titel des Vorläufer-Artikel traf es ganz gut: “Das literarische Quartett wird zur Thea-Dorn-Show“. Das heißt nicht, dass ich die Sendung schlecht fand (die Qualität wird sich im Laufe noch zeigen müssen). Aber es ist für mich nicht mehr DAS Literarische Quartett mit seinen drei Konstanten, sondern nun eher ein AnneWill&Co-Talk-Show-Format, das sehr von ihren Gästen abhängen wird. Ich fand gerade gut, dass man um die unterschiedlichen Einstellunge und Vorlieben der Stammbesetzung wusste und so deren Berurteilungen der Büchern besser einschätzen konnte. Insofern habe ich in der “emotionalen Leseperspektive à la Westermann” überhaupt nichts negatives gesehen – nicht jeder hat ein Literaturstudium absolviert.
    Ich bin gespannt – aktuell bleibt das Lesenswert!-Quartett für mich das bessere Quartett.

  9. Ich fand die Moderation von Thea Dorn sehr gut, viel besser als Volker Weidemann. Gut, dass wir nicht mehr sein “Kopf hoch” hören müssen am Schluss. Frau Westermann habe ich nicht vermisst.
    Allerdings hat mir die Auswahl der Literatur nicht gefallen. Muss zwei Mal Nationalsozialismus sein, griechische Mythologie? Naja.
    Ich freue mich dennoch auf die nächste Sendung.

  10. Mir gefällt Thea Dorns Selbstgefälligkeit und – verliebtheit überhaupt nicht. Das Literarische Quartett ist ohnehin nicht meine Lieblingsliteratursendung, aber jetzt absolut nicht mehr ansehbar für mich.

    • Ja, da muss ich leider zustimmen.
      Thea Dorn ist zweifellos sehr belesen,
      aber sie trägt ihre Bewertungen zu oft
      mit ironisch- besserwisserischer Süffisanz vor.

      Eine gute Alternative ist der Literaturclub auf 3sat.

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