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Schock: VG-Wort-Ausschüttung an Verlage ist illegal – 3 Wege aus dem Desaster

Schock: VG-Wort-Ausschüttung an Verlage ist illegal - 3 Wege aus dem Desaster

Buchverlage dürfen nicht an den Einnahmen beteiligt werden, die die Verwertungsgesellschaft VG Wort für die Urheber einzieht und verwaltet. Dies hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs heute am 21. April 2016 entschieden. Ein Revision wurde nicht zugelassen. Somit gilt das Urteil des Oberlandesgericht München von 2013. Die Verlage müssen die widerrechtlich einbehaltenen Gelder an die Urheber zurückzahlen.

Der Börsenverein für den deutschen Buchhandel befürchtet Insolvenzen insbesondere von kleinen und mittleren Verlagen.

Urheberabgabe nur an Urheber

Geräte- und Speichermedienhersteller müssen einen Anteil der Produktpreise an die VG Wort zahlen, ebenso Copy-Shops, Bibliotheken und andere Kopier- und Verleihstellen. Das Geld wurde bislang an die Urheber und an die Verlage ausgeschüttet, sodass diese bei rechtmäßig erlaubten Kopien nicht leer ausgehen. Doch dass die Verlage einen Anteil an diesen Urheberabgaben für sich einbehalten, stehe nicht im Gesetz und sei somit rechtswidrig. »Eine Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus der Wahrnehmung der ihr anvertrauten Rechte und Ansprüche ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte und Ansprüche auszukehren«, schreibt das Gericht in einer Pressemeldung. Dazu zählen allein die Autorinnen und Autoren, nicht aber die Verlage. Das Gericht erklärt, dass »die VG Wort nicht berechtigt ist, einen pauschalen Betrag in Höhe von grundsätzlich der Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage auszuzahlen.«

Was ist wirklich der Wille des Gesetzgebers?

»Der Zustand, den wir jetzt haben, war nie der wahre Wille des Gesetzgebers«, sagt hingegen der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins für den Deutschen Buchhandel Alexander Skipis. Doch wenn dem so ist, warum steht es dann nicht im Gesetz? Warum haben die Verlage in der Vergangenheit nicht schon längst darauf gedrungen, dass ihr Anteil dort verankert wird? Die Richter in Karlsruhe betonen, dass ihre Entscheidung allein auf dem jetzigen Gesetzestext beruhe. Andere Interessen dürfen bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Ob es der bestehenden Symbiose aus Verlag und Autor gut tut, ist eine ganz andere Frage. Tatsächlich wendeten sich einige Autorinnen und Autoren rund um den Initiator Tom Hillenbrand in einer Unterschriftenaktion gegen die Verlage und forderten die Entscheidung, die der BGH nun auch getroffen hat. Eine Urheberrechtsabgabe stünde logischerweise nur den Urhebern zu und dazu zählen nun einmal nicht die Verlage.

Die Verlage wiederum argumentieren, dass es ohne die Leistung der Verlage gar nicht möglich wäre, die Bücher zu vervielfältigen. Erst ihre Arbeit mache es möglich, dass die Manuskripte der Öffentlichkeit zugänglich und somit kopier- und entleihbar seien. Daher sei es nur legitim, dass sich die Verlage einen Teil an diesen Einnahmen sichern. Es gibt andere Autoren, die sich dieser Auffassung anschließen, darunter beispielsweise Nina George, die diese Sicht auch im Interview mit Wolfgang Tischer bekräftigte. Nina George sitzt selbst im Verwaltungsbeirat der VG Wort. Man müsse, so George, sich aber durchaus darüber unterhalten, wie hoch die Ausschüttung an die Verlage sei.

Mit der Ausschüttung an die Verlage ist es nun aber erst einmal ganz vorbei. Und schlimmer noch: Die Verlage müssen sogar die Anteile der letzten Jahre an die VG Wort zurückzahlen. Seit Jahren hing dieses Damoklesschwert über den Verlagen. Finanz- und Rechtsberater rieten schon seit geraumer Zeit zu entsprechenden Rückstellungen im Falle einer Entscheidung gegen die bestehende Praxis. Dieser Super-GAU aus Sicht der Verlage ist nun eingetroffen. Der Börsenverein schätzt, dass die Rückzahlungen an die Verwertungsgesellschaften in dreistelliger Millionenhöhe liegen. Je nach Verlag seien das 20 bis 200 Prozent des Jahresgewinnes. Insbesondere kleinen und mittleren Verlagen drohe die Insolvenz, da sie die Gelder bereits weiter verwirtschaftet haben und Rücklagen fehlen.

Die drei Wege aus dem Desaster für Verlage

Doch wie geht es nun weiter? Auf keinen Fall wollen die Verlage ganz auf eine Beteiligung verzichten, die jahrelang eine Grundlage ihres Wirtschaftens darstellte. Zudem dürften gerade die unbekannteren Verlagsautoren von der Ausschüttung profitiert haben. Würde sie ganz wegfallen, wäre dies indirekt auch schlecht für die Autoren. Die Verlage würden sich künftig noch weitaus mehr auf die Umsatz bringenden Bestsellerautoren fokussieren. Drei Möglichkeiten zeichnen sich als Lösung ab:

Nachdem der BGH keine Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes zugelassen hat, bliebe nur noch eine Verfassungsbeschwerde. Der Verlag C. H. Beck, der als Streithelfer der VG Wort zur Seite stand, will dies nach der ausführlichen Urteilsbegründung prüfen. Allerdings dürfte auch eine Verfassungsbeschwerde eher wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Die zweite Möglichkeit, auf die insbesondere der Börsenverein drängt, ist die Festschreibung der bisherigen Praxis im Gesetzestext. Was also nach der aktuellen Entscheidung jahrelang illegal war, soll künftig legalisiert werden. Bundesjustizminister Heiko Maas hat durchaus bereits angedeutet, dass er den Verlagen hier entgegenkommen will und einer Gesetzesänderung zugunsten der Verlage aufgeschlossen sei. Käme es zu einer solchen Gesetzesänderung – was nicht alle Autoren gut fänden – würde die VG Wort weiterhin die Gelder für Autoren und Verlage einziehen, verwalten und ausschütten. Den Verteilungsschlüssel dürfte das Gesetz jedoch sicherlich nicht vorgeben, sodass Verlage und Autorenverbände darüber weiter verhandeln und streiten könnten.

Die dritte Möglichkeit wäre ein eigenes Leistungsschutzrecht für Buchverlage, so wie es die Zeitungsverlage unlängst für sich durchgesetzt haben. Dies jedoch würde bedeuten, dass die Verlage eine eigene Verwertungsgesellschaft benötigen, da die VG Wort dann die alleinige Gesellschaft der Urheber bliebe. Ein Leistungsschutzrecht für Buchverlage dürfte gesamtgesellschaftlich nicht die besten Auswirkungen haben. Ähnlich wie die Zeitungsverlage könnten auch die Buchverlage bzw. ihre Verwertungsgesellschaft dann dazu übergehen, verstärkt auch für andere Nutzungsarten Abgaben zu verlangen und zu verfolgen, wie beispielsweise Textausschnitte auf Websites oder zusätzliche Abgaben bei Lesungen. Der Verwaltungsaufwand dürfte sich enorm potenzieren.

Die Wahrscheinlichkeit für den zweiten Lösungsweg ist derzeit sicherlich am größten. Doch bis wann er umgesetzt sein könnte und auf welche Widerstände er bei einigen Autorinnen und Autoren stößt, ist noch nicht abzusehen. Noch gibt es keine Erklärung der Urheberverbände zum jüngsten Urteil. Der Verband der Schriftsteller (VS) hat durchaus signalisiert, dass er sich solidarisch an die Seite der Verlage stellen würde. Die Autorinnen und Autoren rund um Tom Hillenbrand, die sich auf urheberpauschale.de organisiert haben, werden sich jedoch weiterhin entschieden gegen eine gesetzlich legitimierte Verlagsabgabe der VG Wort stellen.

Wolfgang Tischer

Lesetipp zum Thema:
»Ein wahrlich düsterer Tag für die Buchverlage […] und […] auch für deren Autorinnen und Autoren.«

Rainer Dresen, Leiter der Rechtsabteilung der Random House Verlagsgruppe, kommentiert den Fall und die Entscheidung des BGH: »Ein wahrlich düsterer Tag für die Buchverlage in Deutschland, und damit indirekt, aber sehr schon bald unmittelbar zu spüren, auch für deren Autorinnen und Autoren.«
Den Kommentar auf buchmarkt.de lesen »

Veranstaltungstipp zum Thema:
Wie wirkt sich das VG-Wort-Urteil des Bundesgerichtshofs in Sachen Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften auf Verlage aus – und auf die Arbeitsbeziehung zwischen Verlagen und Autoren? 

Ein Gespräch zwischen Verleger Wolfgang Ferchl (Knaus/Random House), Medienmanager und Sachbuchautor Christoph Keese (Axel Springer) und Wolfgang Tischer (literaturcafe.de) auf dem Publishers’ Forum am 29. April 2016 in Berlin.

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5 Kommentare

  1. Das war doch ein Urteil mit Ansage, nachdem zwei Vorinstanzen bereits im gleichen Sinn entschieden hatten.

    Warum dann die Verlage ab diesem Zeitpunkt keine Rücklagen aus den Ausschüttungen gebildet und die VG Wort-Tantiemen angelegt haben, kann ich ehrlich nicht verstehen. Was ist das denn für eine Kalkulation? Hat man wirklich auf den “Deus Ex Machina” gehofft, der kommen und sie alle vor dem letztinstanzlichen Urteil retten würde?

    Und um es mal klar zu sagen: so wie viele Verlage, vor allem im DiY-Bereich und in der Wissenschaft, ihre Bücher produzieren, ist dieses Gejammer extrem fragwürdig. Beispiel Wissenschaft: Da liefern die Autoren alles – Text, Satz, Grafik; Vorher wurde so eine Arbeit in der Regel gesichtet und korrigiert von der Wissenschaftscommunity. Die Verlage liefern sogar die Word- und TeX/LaTeX-Vorlagen für solche Bücher, die dann damit vorbereitet werden. Die Arbeit machen dann die Doktoranden oder die studentischen Hilfskräfte, bezahlt von der öffentlichen Hand. Der Verlag verlangt oft sogar noch Geld für die Veröffentlichung, ob er die Bücher dann wirklich verkauft (zu Fantasiepreisen oftmals), spielt keine Rolle. Aber dann VG Wort dafür kassieren. Dafür, dass der Druck organisiert, die Pflichtexemplare an die Nationalbibliothek gehen und das Buch im Verlagsprogramm gelistet wird?

    Beispiel DiY (Basteln, Handarbeiten, etc.): Da werden den Autorinnen (denn meist sind es Frauen, die als Designerinnen, Schneiderinnen etc. Bücher schreiben) praktisch KEINE Honorare gezahlt. Ich kenne Fälle von 1% vom VK (netto…), ohne Vorschuss, der Fotograf musste auch gezahlt werden. Oder ein Verlag, der in dem Bereich gerade massiv auf den Markt gestoßen ist, der von den Autorinnen erst einmal einige (!) “Moodkonzepte” für den Inhalt verlangt. Was nichts anderes heißt, als dass die dem Verlag vorschlagen sollen, wie das Design aussehen könnte, also neben dem Inhalt, den Bildern zusätzlich kostenlos Layoutkonzepte liefern sollen. Honorarangebot: 4 % vom Netto-VK: Mit welchem Recht verlangt ein solcher Verlag Urheberausschüttungen, wenn er nur noch Satz, Druck und Vertrieb organisiert? Wobei der Satz als urheberrechtlich relevanter Teil der Buchproduktion bei vielen Verlagen auch an Dienstleister vergeben wird – also das Urheberrecht auch woanders liegt. Das gleiche gilt übrigens für das Lektorat, nur so am Rande bemerkt.

    Wenn also in Verlagen nur noch Kaufleute und Vertriebler arbeiten, aber sämtliche Kreativleistungen – wie Text, Bild (dafür gibt es ja die VG Bild-Kunst) , Lektorat, grafische Gestaltung, Satz – entweder vom Autor selbst oder vom Autor mit einer Vielzahl externer Dienstleister erbracht werden, dann muss schon die Frage erlaubt sein, wo der Verlag noch selbst Urheber-relevante Leistungen liefert.

    In §7 UrhG heißt es eindeutig: “Urheber ist der Schöpfer des Werkes.” – also in der Regel allein der Autor . In §8 Abs1. steht zwar: “Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, ohne daß sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so sind sie Miturheber des Werkes.”

    Hier wäre ein Ansatz: Wenn Verlage wirklich einen massiven Anteil an der Schaffung des Werkes beteiligt sind, also durch die Arbeit ihres Lektors, der das Werk mitgestaltet, sollen sie auch als Miturheber entlohnt werden. Das müsste er aber auch nachweisen. Ist das ein/e externe/r Lektor/in, dann müsste wiederum diese Person an den Ausschüttungen beteiligt werden – nicht der Verlag.

    Denn das Buch, also die äußere Gestalt, kann nicht das Werk im Sinne des UrhG sein – denn der Text bleibt auch als ebook, als Zettelsammlung, als Fortsetzungsepisoden in der Zeitung das WERK bleiben, ganz unabhängig von der Form. Die ist nur ein Container, wie ja auch die Nutzungsrechte zeigen. Man erwirbt nur den Container (das Buch oder E-Book), nie aber den Text – also den geistigen Inhalt des Containers. Dieser ist die Essenz des Buches, das Werk an sich.

  2. Das Urteil ist juristisch angemessen, ja. Aber es wird der Sache nicht gerecht. Autoren brauchen Verlage, vor allem deren Lektorate. Es mag im wissenschaftlichenoder im Sachbuch-Bereich anders aussehen. Doch die Entscheidung betrifft die gesamte Verlagsbranche. Der Schuss wird nach hinten losgehen; ein Pyrrhussieg.

  3. @Uwe Metz:

    Natürlich ist das Urteil “juristisch angemessen”. Es wird der Sache auch gerecht – weil es nämlich die bisherige Praxis anhand des Gesetzes überprüft hat. Und Urheberschaft unterscheidet eben nicht zwischen Belletristik, Sachbuch und Wissenschaft. Bisher galt eben: wo kein Kläger, da kein Richter. Die Verlage hatten einfach lange Jahre Glück, dass niemand gegen die unrechtmäßige Praxis vor Gericht vorging.

    Und das ist jetzt passiert. Wenn etwas nicht rechtmäßig ist und überprüft wird, hat es eben keinen Bestand. Da kann man lamentieren wie man will – genau zu diesem Zweck gibt es Gesetze und Gerichte: Um Rechtssicherheit zu schaffen und diese Regeln auch überprüfen zu können. Für Rechtssicherheit können die Verlage was tun und künftig mit den Autoren vertraglich vereinbaren, dass sie ihren Anteil an an den VG Wort-Ausschüttungen für ihre Lektorats-/Verlagsleistungen bekommen.

    Anderseits frage ich mich halt, wie Verlage kalkulieren, dass sie mit diesen vorab unsicheren Einnahmen rechnen (müssen).

    Ich habe, wenn ich die Diskussion rekapituliere, eher den Eindruck, dass in vielen (kleinen) Verlagen die Verleger nicht wirklich Ahnung von Urheberrecht haben (was für sie essentiell ist) und teilweise auch die Buchkosten nicht ehrlich durchrechnen. Bücher sind einfach zu billig, oder?

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