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Selbstbewusstseinstraining für Self-Publisher – Durchatmen und mitmachen!

Wolfgang Tischer bei seinem Vortrag auf der Leipziger Buchmesse 2019
Wolfgang Tischer bei seinem Vortrag auf der Leipziger Buchmesse 2019 (Foto: Birgit-Cathrin Duval)

Vielen Autorinnen und Autoren mangelt es an Selbstbewusstsein. Oftmals speist sich das Selbstbewusstsein auch aus falschen Quellen. Kritik ist dann umso vernichtender. Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de gab auf der Leipziger Buchmesse ein halbstündiges Selbstbewusstseinstraining nicht nur für Self-Publisher. Heben Sie Ihr Haupt, und lesen und hören Sie den Mitschnitt.

Im Folgenden lesen Sie die sprachlich geglättete Textfassung des mündlichen Vortrags. Sie können sich am Ende dieser Seite den Mitschnitt vom 21. März 2019 von der Leipziger Buchmesse anhören oder den Podcast des literaturcafe.de abonnieren.

Einen schönen guten Tag, hier am Gemeinschaftsstand der Autoren!

(Mit heiserer, gesenkter Stimme) Ich weiß gar nicht, was ich jetzt sagen soll. (Hüsteln) Ich bin erkältet und außerdem … tut mir leid, die PowerPoint-Präsentation hängt. Aber ich versuch’s trotzdem …

(Mit normaler Stimme) Kennen Sie diesen Anfang? Kennen Sie ihn? Wissen Sie, wie viele Lesungen mit Entschuldigungen beginnen? Kennen Sie das?

Sie gehen zu einer Lesung, setzen sich, erwarten mit Spannung den Autor. Sie freuen sich auf die Lesung. Dann kommt der Autor und sagt erst einmal: »Entschuldigung, ich bin erkältet …«

Fangen Sie eine Lesung nicht mit einer Entschuldigung an

Wie viele Vorträge beginnen damit, dass die oder der Vortragende mit PowerPoint kämpft? Denn PowerPoint setze er eigentlich gar nicht ein und eigentlich sei er ja Mac-User und müsse sich erst mal auf dem Windows-Rechner zurechtfinden …

Viele Vorträge und Lesungen beginnen mit Entschuldigungen. Da sagt man sich doch: »Vielleicht bin ich hier als Zuhörer gar nicht richtig, wenn der Vortragende selbst nicht so recht weiß, was los ist und eigentlich gar nicht reden will.«

Achten Sie mal drauf. Das ist tatsächlich der Fall. Warum passiert das? Man versucht mit einer Entschuldigung – gerade dann, wenn man als Autor noch nicht ganz so die Erfahrung hat – das Publikum für sich einzunehmen und Mitleid zu erregen. Denn wenn es dem Autor schlecht geht, dann sagt das Publikum vielleicht: »Ach Gott, die arme Autorin oder der arme Autor! Ok, da bin ich jetzt ein bisschen nachsichtiger und finde auch die nicht so tollen Stellen irgendwie besser.«

Das wird aber nicht eintreten, das wird nicht klappen!

Deswegen bei meinem Selbstbewusstseinstraining der erste Hinweis: Fangen Sie eine Lesung nicht mit einer Entschuldigung an! Ganz wichtig!

Gehen Sie einfach auf die Bühne, fangen Sie an zu reden und erzählen Sie. Erzählen Sie ruhig etwas. Sie müssen nicht lesen.

Selbstbewusstseinstraining für Self-Publisher habe ich diesen Vortrag betitelt. Nicht nur wegen der schönen Alliteration. Es geht generell ums Lesen und um Autoren.

Mein Name ist Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de, ich bin der Herausgeber dieses Literaturportals, bei dem es ums Schreiben und das Lesen von Büchern geht. Ich selbst habe daher sehr viel mit Autoren zu tun, sowohl mit Verlagsautoren als auch mit Self-Publishern.

Klare Meinung erzeugt immer Effekt

Ich selbst bin jemand, der bisweilen sehr klar und sehr deutlich sagt, dass manche Self-Publishing-Texte einfach Schrott sind. Das mache ich gelegentlich sehr vehement. Das mache ich, weil ich jemand bin, der Klicks möchte, der Aufmerksamkeit möchte. Ja, es funktioniert. Es funktioniert sehr gut, klar seine Meinung kundzutun. Durchaus mit der Absicht, dass die Leute sagen: »Der Tischer, das ist aber ein überhebliches Arschloch!« Okay, dafür bin ich da, diese Rolle nehme ich gerne ein. Insofern kann ich sagen: Hier bin ich selbst selbstbewusst, obwohl Kritik trifft – generell. Auf jeden Fall bin ich kritisch auch gegenüber Self-Publishern. Und wir müssen analysieren, warum es denen vielleicht auch vollkommen egal sein könnte.

Es gibt genügend Autoren, die sagen: »Es kümmert mich nicht, was die Leute über mich schreiben, ich lese es einfach nicht.« Durchaus zu empfehlen. Kritik kann treffen. Das mag der Grund sein, warum viele Autoren, gerade wenn sie noch am Anfang stehen, nicht wissen, wie sie mit Kritik umgehen sollen.

Self-Publisher werden auch psychologisch nicht von einem Verlag unterstützt. Es gibt keine Verlagsmitarbeiterin aus der Marketing- oder Presseabteilung, die sagt: »Ja, okay, die Kritiken sind nicht so toll, aber passen Sie mal auf, das war bei unserem Top-Autor am Anfang auch nicht anders. Das wird schon.« Diese psychologische Betreuung, die ein Verlag durchaus auch leistet, fehlt vielen Self-Publishern.

Selbstbewusstsein von Autoren baut auf falscher Grundlage auf

Tatsächlich ist es so, dass viele Self-Publisher ursprünglich ihr Selbstbewusstsein und den Wunsch, warum sie überhaupt veröffentlichen wollen, aus falschen Quellen speisen – und das rächt sich hinterher sehr häufig.

Ich betone das immer wieder: Bei vielen wird der Impuls zu schreiben und zu veröffentlichen durch Freunde, Familie und Bekannte hervorgerufen, die selbst keinen geraden Satz reden können, die selbst das letzte Buch im Jahre 1995 gelesen haben und die jetzt zum ersten Mal im Freundes- und Familienkreis das Buch von jemandem auf den Tisch bekommen. Die sagen oft: »Boah! Wahnsinn! Das hast du geschrieben? Boah, so viele Seiten? Das hast du dir alles selbst ausgedacht? Das ist ja Wahnsinn! Das solltest du bei einem Verlag veröffentlichen!«

Sprich: Leute, die keine Ahnung haben, was ein Verlag eigentlich macht, die keine Ahnung haben, wie eine gute Geschichte geschrieben wird, die keine Ahnung haben, wie Figuren gezeichnet werden, die keine Ahnung haben, dass es im Liebesroman doch besser ein Happy-End geben sollte und dass am Schluss nicht alle tot sein sollten, diese Leute empfehlen häufig den Autoren: »Das solltest du mal bei einem Verlag veröffentlichen!« Daraus resultiert, dass viele Autoren sagen: »Wow! Sogar mein Bruder, der sonst nie liest, sagt das. Dann muss es doch stimmen!«

Für jemanden, der sehr viel mit Texten zu tun hat – egal ob in Verlagen oder Literaturjurys – für den ist es ein K.O.-Kriterium, wenn es heißt: Das fand sogar meine Tante Erna gut, und die liest sonst nie.

Suchen Sie die richtigen Kritiker

Das ist der Punkt: Wie kann jemand, der sonst nie liest, ein Buch gut finden? Klingt vielleicht logisch, ist es aber nicht. Es ist in der umgekehrten Richtung logisch: Sie müssten sich eigentlich Ihren schärfsten Kritiker suchen. Sie müssten sich, wenn Sie Liebesromane schreiben, diejenige suchen, die alles auf diesem Markt kennt, sowohl im Self-Publishing- als auch im Verlagsbereich, alles was es da so gibt, Spielarten der erotischen Romane und und und …

Und wenn so jemand sagt: »Wow! Ich habe dein Buch gelesen, und – Donnerwetter – das hat mich echt beeindruckt!« – dann entsteht die Logik. Es ist die bessere Expertise, wenn jemand etwas empfiehlt, der sich auskennt. Das ist logisch, aber bei vielen Autoren nicht die initiale Motivation. Und somit baut sich das Selbstbewusstsein vieler Autorinnen und Autoren falsch auf!

Wenn Sie Glück haben, erhalten Sie den Hinweis, dass es sinnvoll sein kann, dass ein Lektor sich den Text vorher mal anschaut. Wenn es ein seriöser Lektor ist – meistens sind es Lektorinnen –, dann versuchen die, dem Autor schonend beizubringen, dass der Text nochmals ein bisschen der Überarbeitung bedarf. Das ist sehr gut, aber häufig ein Schlag ins Gesicht des Selbstbewusstseins, wenn ein Autor zum ersten Mal mit fachkompetenter Kritik konfrontiert ist. Je intimer das erfolgt, desto besser.

Fragen Sie nicht den Deutschlehrer

Sich einen Lektor zu suchen, heißt, sich jemanden zu suchen, der sich auskennt, der den Text gegenliest. Auch hier: Bitte nicht den Deutschlehrer fragen! Ich sage jetzt mal provozierend: Fragen Sie keine Deutschlehrer, denn Deutschlehrer lesen sehr wenig Bücher. Deutschlehrer haben in der Regel keine Ahnung vom Buchmarkt. Deutschlehrer können – hoffentlich – richtiges und gutes Deutsch schreiben und ein paar grammatische Dinge erklären und Deutschlehrer wissen alles zu Hermann Hesses »Steppenwolf«, weil der gerade Sternchenthema im Abi ist. Aber damit hat es sich – leider. Alle Deutschlehrer, die die Ausnahmen sind, fühlen sich jetzt bitte angesprochen. Aber so ist es nun mal. Also bitte nicht die Deutschlehrer fragen und sagen: »Wie findest du meinen Roman?« Dann finden die vielleicht Rechtschreibfehler – ist ja auch schon mal was. Aber einen Roman zu bewerten und das wirklich professionell, heißt, das Genre zu kennen, den Markt zu kennen, die Regeln des Genres zu kennen. Das gliedert sich manchmal sehr fein und granular. Es bedeutet Feedback von jemandem, der weiß, was funktioniert. Für Self-Publisher ist das noch viel wichtiger als für Verlagsautoren, weil Self-Publisher die Lenkung und die Leitung durch den Verlag nicht haben. Beim Verlagsautor hat bei vielen Dingen das letzte Wort der Verlag.

Die Kompetenz, kompetente Menschen zu finden

Das Cover bestimmt der Verlag, den Buchtitel bestimmt der Verlag. Beim Self-Publisher bestimmt es der Self-Publisher: Wie sieht mein Buchtitel aus? Nehme ich mir einen Lektor – ja oder nein? Und wie gehe ich damit um? Das macht es natürlich sehr schwierig und verlangt Sachkompetenz, zumindest auch kompetente Leute auszusuchen, die einem helfen und unterstützen und dieses Feedback häufig im kleinen Kreis dann auch geben. Und dass man hoffentlich auch weiß, dass man am Buch arbeiten muss.

Es ist nicht damit getan, einfach etwas runterzuschreiben. Die Familie lobt es, und es ist wunderschön. Wenn das passiert, und ich lade es hoch auf die entsprechenden Plattformen, dann haben wir häufig den Effekt, dass dann leider die Kritik sofort von außen kommt, von den Lesern. Und das ist nicht sehr gut. Also: Suchen Sie sich für ein selbstbewusstes Schreiben jemanden, den Sie schätzen und der Ahnung hat. Sei es jetzt, Sie kennen jemanden, sei es vielleicht ein anderer Autor, der die Erfahrung schon gemacht hat. Prüfen Sie das, und schauen Sie, was könnte funktionieren, sodass Sie nicht ein falsch aufgebautes Selbstbewusstsein haben, das dann zerstört wird, sobald jemand reinschaut, der wirklich Ahnung hat. Suchen Sie sich diese Menschen rechtzeitig, das ist ganz wichtig.

Entschuldigen Sie sich nicht dafür, Self-Publisher zu sein

Entschuldigen Sie sich aber nie dafür, Self-Publisher zu sein! Das erlebe ich selbst bei Veranstaltungen von Self-Publishern, dass die auf die Bühne kommen und sagen: »So, ich bin Self-Publisher. Ja, ich weiß, der Ruf ist nicht so gut …« Machen Sie sich nicht dauernd schlecht!

Ich selbst verfolge Self-Publishing schon über Jahre und, ja, der Ruf der selbstverlegten Autoren war wirklich schlecht. Selbstverlegende Autoren haben merkwürdige sozialkritische Pamphlete verfasst, die kein Mensch lesen wollte. Das war immer gang und gäbe. Gerade bei vielen Buchhändlern ist das nach wie vor leider die Denke, wenn sie es mit Self-Publishern zu tun haben: Das ist ein merkwürdiger Mensch oder eine Menschin, die hat keine Ahnung, die hat so einen merkwürdigen Text geschrieben, den kein Verlag drucken wollte. Und deswegen steht sie in meiner Buchhandlung und will hier auch noch ihr Buch … Ich hab‹ doch schon so viele andere. Brauch‹ ich nicht!

Also, ganz wichtig: Fangen Sie nicht an, indem Sie sagen: Ich bin Self-Publisher. Wir sind jetzt im Jahr 2019, und das Ding hat sich gedreht. Man sieht es auch nicht erst seit dem Jahr 2019, sondern schon viel früher hier auf der Leipziger Buchmesse, dass es diese Self-Publisher gibt, die – ich nutze jetzt mal dieses Wort, das ich schrecklich finde – »auf Augenhöhe« mit den Verlagsautoren agieren. »Auf Augenhöhe!« Ein schreckliches Wort, bitte nicht verwenden. Aber tatsächlich hat sich da etwas getan. Verlage schauen sich die Bestsellerlisten bei Amazon durch, ob es da vielleicht erfolgreiche Autoren gibt, deren Rechte für das gedruckte Buch sie denen abkaufen können. Es ist selbstverständlicher geworden, dass die Leute selbst veröffentlichen, dass es Autoren gibt, die Texte in Verlagen veröffentlichen aber für andere Projekte das wiederum als Self-Publisher oder Self-Publisherin tun. Also bitte, entschuldigen Sie sich nicht dafür, dass sie keinen Verlag gefunden haben und »nur« Self-Publisher sind. Das erlebe ich immer wieder. Damit kann man natürlich spielen, wenn man provozieren will. Dann versucht man, das ein bisschen gleichzusetzen. Aber im Grunde genommen sage ich: Self-Publishing ist in gewisser Weise normal geworden. Self-Publisher sind einfach unter uns, Self-Publisher haben Erfolge, Self-Publisher sitzen auch in Fernseh-Talkshows. Selbst das kann passieren! Self-Publisher suchen sich Literaturagenten, die sie nicht primär an die Verlage vermitteln sollen, sondern die generell für sie im Einsatz sein sollen. Also entschuldigen Sie sich bitte nicht dafür, dass sie keinen Verlag gefunden haben, denn Sie setzen bei manchen Leuten das falsche Signal. Und das ist immer noch: Oh, da ist jemand, der schreibt merkwürdige Texte, und dann höre ich schon mal von vornherein weg.

Entschuldigen Sie sich nicht für das, was sie schreiben

Entschuldigen Sie sich bitte auch nicht für das, was sie schreiben. Sagen Sie nicht: »Naja, ich schreib‘ ja nur Liebesromane. Naja, ich schreibe jetzt nicht so hochwertige Sachen.«

Ich selbst kann das natürlich einfach kritisieren. Geben Sie mir einen beliebigen Liebesroman, und ich kann Ihnen die erste Seite zerfetzen und zerhacken und sprachlich zergliedert und sagen, warum dieser Roman Schrott ist. Dann können sie böse auf mich sein – aber geben Sie diesen Roman jemandem, der Liebesromane liebt! Und der sagt: »Wow! Toll! Das hat mich echt so ergriffen! Und wie das da geschrieben ist. Wie sie da so aus dem Fenster schaut auf den ersten zehn Seiten. Da fühlte ich mich schon sehr … Da hab‹ ich mich auch selbst wiedererkannt. Also, ein Roman wirklich toll! Fünf Sterne bei Amazon!«

Ja! Warum? Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Über Bücher lässt sich sehr wohl streiten. Aber man muss ganz klar sagen: Ich muss meine Zielgruppe kennen! Auch das ist der Grund, warum viele Self-Publisher verzweifeln, da sie versuchen, allen zu gefallen. Weil sie vielleicht auch so selbstbewusst sind, dass sie sagen: »Das ist doch ganz egal! Mein Buch ist so gut, wenn die Leute die ersten 300 Seiten geschafft haben, dann werden sie es lieben!« Das ist einfach Unsinn. Man muss ganz klar auf die Zielgruppe schauen. An das literaturcafe.de eine Liebesgeschichte zu schicken, an das literaturcafe.de etwas zu schicken, das nicht literarisch ist, wird irgendwie böse enden. Leider, muss ich sagen. Weil Sie es an die falschen Leute schicken! Es geht darum, die Texte an die richtigen Leute zu schicken, an die Leute, die wirklich die Zielgruppe sind, die ganz anders auf die Bücher schauen.

Wer allen gefallen will, gefällt niemandem

Wenn Sie sich wundern und ärgern, dass der Tischer oder mein Kollege Malte Bremer wieder mal was zerrissen hat: Ja, klar! Für ihn ist das einfach, aber er ist nicht die richtige Zielgruppe. Also, suchen Sie sich vor allem die richtige Zielgruppe aus. Suchen Sie sich auch alle anderen Signale, die sie aussenden, so aus, dass sie diese Zielgruppe ansprechen. Die meisten wollen allen gefallen. Die meisten können nicht mal zusammenfassen, worum es in ihrem Roman eigentlich geht, weil sie da schon anfangen wollen, allen zu gefallen, weil sie da schon sagen: »Ja, es ist ‘ne Liebesgeschichte, aber ich habe auch so Fantasy-Elemente drin. Wobei … das kann man auch nicht sagen, denn dann passiert auch noch ein Mord, ist also auch für die, die Krimis mögen, durchaus interessant.«

Und dann hat man den Effekt, wie immer, wenn man allen gefallen will, gefällt man niemanden – und das bringt auch nichts. Das ist das Erste: Sie müssen für sich beantworten können: Was schreiben Sie? Der klassische Fall: Worum geht es in Ihrem Buch? Sobald Sie sagen: »Naja, kann ich gar nicht so genau sagen«, dann haben Sie bei den Profis schon verloren. Aber wenn Sie ganz klar sagen: »Es ist ein Liebesroman«, und Sie nehmen … ja, da gibt es Subgenres, die ich nicht kenne …, aber wenn sie das ganz klar benennen können, was sie machen und nicht irgendwie noch etwas anderes reinbringen, dann ist das von Vorteil.

Fokussieren Sie sich

Fokussieren Sie sich! Sie können durchaus unter 30 Pseudonymen 30 verschiedene Genres bedienen. Aber erzählen Sie nicht dauernd, dass sie 30 Genres schreiben, sondern fokussieren Sie sich auf die entsprechende Zielgruppe, die Sie gerade erreichen möchten. Denen muss das Ding gefallen! Denen muss vor allen Dingen auch schon das Cover gefallen, muss der Klappentext gefallen, der muss auf die Leute zugeschnitten sein. Wir haben nicht mehr die Zeiten des Feuilletons, da werden Sie auch gar nicht landen, da haben Sie keine Chance. Wir haben die Zeiten von Social-Media und der Amazon-Sterne-Bewertung. Und die Amazon-Sterne-Bewertung kennen Sie: Der schlechteste Roman kriegt fünf Sterne! Warum? »Superschnelle Lieferung!« Ja, das kann ein Kriterium sein. »Das Rot auf dem Cover fand ich super ansprechend – Vier Sterne.« »Hab den Roman nicht zu Ende gelesen, aber das Buch war gut gedruckt.«

Hier geht es nicht um literarische Kriterien, sondern die Leute sind getrieben von den unterschiedlichsten Erfahrungen. Man hat schlecht geschlafen … wie auch immer.

Sprechen Sie nicht die falsche Zielgruppe an

Wenn Sie mit Ihrem Cover schon falsche Signale setzen, wenn Sie mit Ihrem Cover signalisieren, dass sie offenbar einen blutigen Thriller geschrieben haben, aber eigentlich sollten die Blutstropfen auf Ihrem Cover für Ihren Liebesroman nur das Herzblut symbolisieren, das da fließt. Aber dummerweise denkt jeder beim Blick aufs Cover, es sei ein blutiger Thriller. Dann werden Sie natürlich Kritiken bekommen von Leuten, die sagen: »Also für einen Thriller gab es zu wenig Morde« oder »War nicht spannend genug.«

Alles verkauft! Ein Cover verkauft! Ein Cover muss für das stehen, was der Zielgruppe gefällt und nicht, weil Sie sagen: »Der Sonnenuntergang, das war da auf den Kanaren, da hab’ ich das Buch geschrieben, das erinnert mich da dran, das hätte ich gerne auf dem Cover!« Aber es drückt nicht aus, worum es geht! Und dann kriegen sie sofort wieder eine reingesemmelt, dann leidet sofort wieder Ihr Selbstbewusstsein, weil es die falschen Leute erreicht. Weil ein Cover verkaufen muss!

Wenn die Leute ein ansprechendes Cover irgendwo sehen, dann schauen sie in das Buch rein, das ist in jeder Buchhandlung so. Der erste Kontakt ist: Man guckt auf die Bücher und greift zu dem Buch, dessen Cover am schönsten ist. Wo jeder sagen würde: »Das Cover? Aber jetzt lies doch erstmal! Es geht doch um den Inhalt!« Quatsch! Als Allererstes geht es um die Verpackung, um das Aussehen! Und wenn Sie hier falsche Signale setzen, wenn Sie hier die falschen Leute ansprechen, nehmen die entweder Ihr Buch gar nicht in die Hand – was fast der beste Fall ist, denn dann lesen sie es auch nicht und sind nicht enttäuscht –, oder sie nehmen es in die Hand und erwarten leider etwas anderes.

Ein günstiger Preis ist kein Argument

Und reden Sie sich jetzt bitte nicht damit heraus: »Ja, ich bin ja Self-Publisher, mein Buch kostet nur 99 Cent, und für 99 Cent werden es ja wohl alle cool finden.«

Da sind wir wieder bei dem, was ich anfangs sagte, das ist so ein bisschen die Argumentation wie »Meine Stimme ist heute *hüstel* ein bisschen belegt und …« Da sind wir wieder beim Mitleid. Sie haben auch nicht Mitleid oder sagen: »Für 99 Cent müssen die Leute mein Buch supertoll finden!« Ganz im Gegenteil: Selbst für 99 Cent werden manche Leute noch sagen: »War echt rausgeschmissenes Geld! War zu teuer! Ein Stern.« Selbst das wird passieren. Also: Achten Sie bitte bei allen Dingen darauf, dass Sie die richtige Zielgruppe ansprechen, um von dort aufbauendes Feedback zu bekommen, um dort die Leser zu erreichen, denen dieser Text gefällt. Es bringt Ihnen gar nichts, wenn Sie versuchen, auch die anderen von Ihrem Text zu überzeugen, wenn er für die anderen nicht geschrieben ist, wenn die anderen nicht die Zielgruppe sind. Dann kriegen Sie eben von dort nur entsprechend schlechtes Feedback. Das kann immer passieren.

Auch da: Was passiert, wenn Sie eine schlechte Kritik bekommen bei Amazon? Kann sein, Sie sind am Boden zerstört und schreiben nie wieder. Wäre vielleicht auch bei vielen bekannten Schriftstellern schade gewesen, wenn die sofort die Flinte ins Korn geworfen hätten.

Kritik ist ein Punkt, der einen trifft, sobald man etwas veröffentlicht hat – selbst wenn man eine Lektorin hatte. Eine negative Bewertung trifft. Wenn sie unsachlich ist oder wenn sie sich nur auf Rand-Dinge beschränkt und nicht auf den Inhalt, dann trifft sie einen noch viel mehr, beziehungsweise dann möchte man dem Rezensenten sofort entgegenbrüllen: »Verdammt nochmal! Lies doch mein Buch, anstatt nur das Cover zu bewerten, darum geht es doch gar nicht!« Solche Kritik kann treffen. Es gibt neidvolle Konkurrenten oder sonst wie …

Analysieren Sie die Kritik

Gründe für negative Kritik gibt es viele. Da hilft auf jeden Fall: Durchatmen! Auf keinen Fall sofort antworten! Das ist das Schlimmste, was man machen kann. Sie können jede Kritik auf Amazon mit einer Gegenkritik sofort kontern, oder Sie können den Leser beschimpfen und beleidigen, dass er nicht in der Lage sei, einen deutschen Satz zu lesen und überhaupt …! Das ist keine gute Idee.

Wenn Kritik kommt, bewerten Sie es: Warum kommt diese Kritik? Aus welchem Grund? Ist es ein Grund, der mit dem Buch gar nichts zu tun hat? Siehe »schnelle Lieferung« oder »Das Buch war verknickt oder angestoßen, sah gebraucht aus.« Blöd. Man kann das abhaken, braucht sich darum nicht zu kümmern, ist nicht Ihre Sache.

Aber es ist vielleicht auch Kritik, die Dinge anspricht, von denen Sie sagen: »Naja, im Grunde genommen, nachdem ich drei Nächte nicht geschlafen habe wegen dieser furchtbaren Kritik, aber eigentlich: Sie stimmt schon! Also ist es vielleicht Kritik, die man annehmen kann, die einem weiterhilft. Ganz wichtig. Aber das Allerwichtigste: Reagieren Sie nie mit Gegenvorwürfen! Das ist billig!

Wenn Sie als Kritiker einen Text zerreißen, was kommt natürlich sofort zurück? Neidvorwürfe! Wenn ich, der ich nie einen Roman geschrieben habe, einen Roman kritisiere, kommen immer zwei Standardentgegnungen: Zum einen: Der soll es doch erst einmal selber besser machen! Das Zweite: Der ist ja nur neidisch! Ja, das können Sie immer bringen, das ist Standard. Als Kritiker trifft einen das nicht, weil das Standardrückmeldungen sind. Gehen Sie davon nicht aus, das ist ein blödes Gegenargumentieren: Du bist nur neidisch!

Reagieren Sie positiv auf negative Kritik

Machen Sie Folgendes: Wenn Sie eine negative Kritik bekommen, reagieren Sie einfach positiv drauf! Bedanken Sie sich auch mal für eine negative Kritik! Mag hart sein, muss man vielleicht zwei Nächte drüber schlafen – aber warum nicht?

Immerhin ist es vielleicht ein »verifizierte Verkauf«, also hat derjenige auch ein bisschen Geld ausgegeben, hat sich was erhofft. Aus irgendwelchen Gründen hat der- oder diejenige dieses Buch dann gekauft, gelesen und fand es nicht so gut. Auch da: Wenn man feststellt: Naja, er hätte wohl besser einen blutigen Thriller lesen wollen, dann könnte man sich fragen: Warum? Warum hat er das angenommen? Es müsste also Gründe gebe. Das andere ist: Ok, trotzdem hat er Geld ausgegeben, er hat es versucht zu lesen. Bedanken Sie sich trotzdem!

Viele Leser sind manchmal erstaunt, wenn sich tatsächlich die Autorin oder der Autor meldet und sagt: »Danke für deine Kritik! Tut mir leid, dass dir mein Buch nicht gefallen hat, und ich versuche das aufzunehmen.« Versuchen Sie das mal! Da werden Sie Reaktionen erleben von Lesern, die plötzlich sehr entsetzt sind: »O Gott, die Autorin meldet sich persönlich und hat das wirklich gelesen! Oh Gott, die habe ich persönlich beleidigt! Plötzlich ist diese Anonymität weg. Also: Nutzen Sie solche Dinge.

Nicht selten – das kann ich auch aus eigener Erfahrung sagen – kann aus einem kritischen Verhältnis tatsächlich etwas entstehen, über das man auf längere Zeit sagen kann: »Ja, am Anfang fand ich, das war eine mega fiese Kritik, die hat mich echt getroffen. Aber daraus ist echt etwas entstanden! Das war jemand, der hatte Ahnung. Es hat mir geholfen, meinen Text zu verbessern.«

Insofern: Nutzen Sie Kritik!

Messen Sie sich nicht mit den falschen Leuten

Ich hatte das Feuilleton erwähnt. Da werden Sie als Self-Publisher nie landen. Vielleicht einige wenige. Aber ansonsten eher nicht. Das ist eine andere Welt. Versuchen Sie auch hier nicht, in Welten zu kommen, in denen sie gar nicht unterwegs sein wollen. Also: Animieren Sie die Leute zum Feedback, animieren Sie die Leute zu Rückmeldungen. Sehen Sie auf jeden Fall das Konstruktive in jeder Kritik, und blenden Sie die Kritik aus, die nichts mit dem zu tun hat, worum es in Ihrem Buch geht.

Also: Wo sind Ihre Leser? Wo ist Ihre Zielgruppe? Messen Sie sich nicht mit den falschen Leuten! Messen Sie sich nicht mit denen, von denen sie irgendwo gelesen haben, wie erfolgreich die sind, und wie erfolgreich sie über Nacht wurden. Sie selbst haben jetzt schon Ihr fünftes Buch veröffentlicht und haben diesen verdammten Erfolg einfach nicht. Selbst bei den bekanntesten Autoren hat es unter Umständen Jahre gebraucht, bis endlich mal ein Buch erfolgreich war. Selbst die bekanntesten Autoren mussten erst tot sein, bis ihr Buch wirklich ein Verkaufserfolg war.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie noch zu Lebzeiten positives Feedback bekommen, aufbauendes Feedback, das ihr Selbstbewusstsein stärkt! In diesem Sinne: Atmen wir alle nochmals durch, dann heben wir alle unser Haupt, und gehen Sie selbstbewusst als Autorin, als Autor über die Leipziger Buchmesse.

Vielen Dank!

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2 Kommentare

  1. Lieber Wolfgang,
    wieder einmal höchst unterhaltsam und genauso treffend. Ich habe so gelacht (und mindestens einer Zuhörerin vor Ort ging es, wie deutlich zu hören ist, ähnlich). Ja, kompetentes Lektorat, auf eine Zielgruppe zugeschnittene Produkte und der richtige Umgang mit Kritik und Kritikern sind wichtig. Man kann es nicht oft genug zum Thema machen. Und ja: Weder Unerfahrenheit noch Selbstpublikation sind Anlässe sich zu schämen. Selfpublisher sind heute so versiert wie nie. Diese Publikationsform wird mit Sicherheit weiter wachsen. Es könnte sogar sein, dass sie irgendwann dominiert.
    Vielen Dank Wolfgang!

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