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Wie ich einmal mit Manuel Andrack wanderte, er länger auf der Strecke blieb und wir ein Interview führten

Interview mit Manuel Andrack (rechts im Bild)Bad Peterstal im Schwarzwald eröffnet einen Premiumwanderweg. 81 von 100 Punkten vergibt das Deutsche Wanderinstitut für den »Peterstaler Schwarzwaldsteig«, ein Spitzenwert.

Ich erwäge, das Thema Wandern erneut mit Literatur zu verknüpfen. Doch Bad Peterstal bietet nur das übliche Repertoire an Schwarzwaldsagen.

Der Bezug zur Bücherwelt ist an anderer Stelle gegeben: Manuel Andrack gehört zu den Eröffnungsgästen. Nach seiner Zeit bei der Harald-Schmidt-Show hat er insgesamt drei Bücher übers Wandern verfasst.

Von Hamburg aus mache ich mich auf den Weg in den Schwarzwald, um mit Manuel Andrack übers Wandern und Schreiben zu sprechen – und reichlich nass zu werden.

Mit Deep Purple über den Schwarzwald

Ich erreiche Bad Peterstal im Ortenaukreis sehr spät in der Nacht. Noch im Flugzeug habe ich die letzten Kapitel von »Das neue Wandern« gelesen. Es ist Manuel Andracks drittes Buch: Eine Sammlung von Berichten und Essays über seine Wandererfahrungen und ein Einblick in die Szene. So begleitete er einen Extremwanderer über 82 Kilometer, war dabei, als die Route für einen neuen Premiumweg erkundet wurde, und nahm an teilweise merkwürdigen Wander-Events teil.

In Bad Peterstal gehört Manuel Andrack an diesem Samstag zu einer Riege mehr oder weniger prominenter Mitwanderer, die den neuen Schwarzwaldsteig eröffnen. Ebenfalls mit dabei ist die Schauspielerin und Schirmherrin des Weges, Ursula Cantieni. Durch die Rolle der Johanna Faller in der gleichnamigen SWR-Serie ist sie besonders im Baden-Württemberg bekannt. Außerdem soll ein Reporter des SWR mit dabei sein, der eine Wandersendung im Rentnersender SWR4 moderiert.

Kommt man mit dem Auto von Stuttgart, muss man zunächst den Schwarzwald überqueren und die serpentinenreiche Straße hinab nach Bad Peterstal fahren. Bei Dunkelheit und Nebel ein kleines Abenteuer, während im Radio Stücke aus der neuen Deep-Purple-CD laufen. Yeah!

Ich erreiche das Hotel Hirsch kurz vor Mitternacht und komme mir vor wie jemand, der zu spät zu einer Party kommt. Alle sind bereits lustig, und man ist beim neuesten Tratsch und Klatsch aus Schwarzwaldtälern und -verbänden angelangt.

Im Hirsch gibt es etwas, das man oft in großen Städten nicht bekommt: kostenloses, schnelles WLAN auf dem Zimmer. Das ist auch nötig, denn in diesem engen Schwarzwaldtal habe ich keinen Handy-Empfang. Eigentlich der ideale Urlaubsort.

Nicht immer die gleichen vier Fragen

Man hatte bis zuletzt gehofft, doch am nächsten Morgen ist es offensichtlich: das Wetter an diesem Tag wird nicht das beste sein. Dennoch haben sich an die 100 Wanderer eingefunden, und zumindest während der Begrüßung um 10 Uhr fallen noch keine Tropfen.

Ich stelle mich Herrn Andrack vor, erwähne unser erstes Interview vor acht Jahren auf der Frankfurter Buchmesse und dass ich auch heute mit ihm gerne übers Schreiben und Wandern sprechen möchte. Er freut sich: »Ah, endlich mal nicht die immer gleichen vier Fragen!« Ich verspreche, ihn auch nicht zu fragen, wie denn Harald Schmidt so privat sei.

Andrack ist der kumpelhafte Typ, wie man ihn damals zu Sat1-Zeiten aus der Harald-Schmidt-Show kannte. Dort war er Redaktionsleiter, bevor er als so genannter »Sidekick« auch vor der Kamera agierte und Schmidts Bühnenpartner wurde. Andrack blieb weiterhin Redaktionsleiter, als Schmidt Oliver Pocher an seine Seite holte, doch irgendwann stieg er »in beidseitigem Einvernehmen« aus.

Die Frage »Was macht eigentlich Manuel Andrack?« scheint die meistgestellte zu sein, denn er beantwortet sie auf seiner Website gleich selbst. Der Kölner Manuel Andrack ist 2008 »der Liebe wegen« ins Saarland gezogen. Im dortigen Regionalfernsehen und in anderen dritten Programmen ist er hin und wieder zu sehen, doch hauptsächlich hat er sich auf seine Leidenschaft konzentriert: das Wandern in den deutschen Mittelgebirgen. Neben seinen drei Büchern zum Thema schreibt er für Stern, GEO, Merian, ZEIT und – natürlich – das Wandermagazin. Außerdem kann man ihn für Wanderveranstaltungen buchen, so wie heute. Der Wanderweg ist quasi das Möbelhaus des Manuel Andrack.

Zudem, so berichtet er mir, hat am 10. Oktober 2013 in Stuttgart sein erstes Bühnenprogramm übers Wandern Premiere »Einer geht noch«. Regie führt Eckart von Hirschhausen.

Und nicht zuletzt bloggt Manuel Andrack im andrackblog.de übers … Genau!

Wir machen das Interview für später aus, wenn wir erste Eindrücke von der Strecke haben, und dann setzt sich der Wandertross in Bewegung – und es beginnt zu regnen.

Wandern wird zum Erlebnis

Der Genießerpfad und Premiumweg ist der neue touristische Hype, der derzeit auch über den Schwarzwald hereinbricht. Der Wanderer soll nicht mehr einfach so durch Wald und über Wege laufen, sondern Wandern wird zum »Event«. Hinter jedem Baum und jeder Wegbiegung soll den Wanderer eine neue Überraschung erwarten, sei es eine tolle Aussicht, eine Bank, ein Schnapsbrunnen oder ein idyllisches Wegstück. Abwechslung ist dabei ganz wichtig. Wer will schon stundenlang durch dunklen Tannenwald laufen? Wald, Wiese und nach Möglichkeit bloß kein Schotter- oder Asphaltweg. Der enge Trampelpfad ist dem breiten Waldweg vorzuziehen.

Was den Wanderer glücklich macht, das erforscht das von Rainer Brämer gegründete Deutsche Wanderinstitut e. V.. Klaus Erber, der derzeitige Leiter des Instituts, wandert heute ebenfalls mit. Welche Ehre, denke ich, denn von Brämer und seinem Institut hatte ich bereits in Andracks Buch gelesen. Der derzeitige Meister des Premiumwegs ist selbst dabei. Aber dann wird mir bewusst, dass diese Überhöhung Quatsch ist, denn im Grunde genommen hat Brämer ein großartiges, sich selbst erhaltendes Geschäftsmodell geschaffen: Er forscht darüber, was Wanderer glücklich macht, hilft dann den Gemeinden bei der Wegführung für den optimalen Wanderpfad und hat mit dem Premium-Zeichen sein eigenes Gütesiegel erfunden. Solcherart zertifizierte Wege müssen sich dann nach drei Jahren erneut dem »Wander-TÜV« stellen. Ich lese, dass allein eine solche Zertifizierung zwischen 3.500 und 17.000 Euro kostet. Es gibt Hunderte dieser zertifizierten Wege in Deutschland, und mir wird der ökonomische Aspekt des Wanderns bewusst. Die Wege sind mit Geld gepflastert! Doch zumindest wird vom Wanderer kein Eintrittsgeld erhoben.

Auf der Website des Instituts dann ein bekanntes Gesicht: Manuel Andrack, der dort für den Premiumweg wirbt. Bei diesem Kreislauf bekommt der Begriff »Rundweg« eine ganz neue Bedeutung.

Mit wasserdichter Kleidung durch den Schwarzwald

Heute gibt es allerdings keinen Premiumblick hinunter in die Rheinebende, hinüber nach Frankreich, wo man sogar das Straßburger Münster erkennen soll. Der Tag ist nass und grau. Wir erleben den mystischen Schwarzwald, der auch seinen ganz besonderen Reiz hat, sofern man wasserdichte Kleidung trägt. Die Aussicht ist heute nur zu erahnen.

Am Eröffnungstag wirkt der Schwarzwaldsteig ein bisschen wie ein Wander-Disneyland. Viele Schneisen, erkennbar frisch geschlagen, hier ein Gesträuch gekappt, um die Aussicht nicht zu behindern, der Boden unter den zahlreichen Bänken frisch mit Rinde belegt, der Rasen gemäht. Wenn sich die Natur das alles etwas zurückholt, dann wird das stimmiger sein. Doch nicht zu sehr, denn man muss ja an die Rezertifizierung in drei Jahren denken! Einen Premiumweg aberkannt zu bekommen, das kann sich wohl keine Gemeinde leisten, das wäre, als ob ein Meisterkoch einen Stern verlieren würde.

Im Wanderrudel über den Pfad zu ziehen, das schien mir schon bei der Ankündigung suspekt, aber dem kann man entkommen, indem man einfach vorneweg läuft und den Weg tatsächlich genießen kann.

So warte ich am Holderstanzenhof auf das Rucksackrudel und überlege, dass man sich bei diesem Regen zum Interview nicht locker ins Gras setzen kann, Bierbänke in der Hofgarage allerdings auch kein schönes Ambiente sind.

Die Prominenz ist da, und ein mittäglicher Talk beginnt in der erwähnten Garage. Der Tourismus-Chef lobt den Bürgermeister, der Bürgermeister lobt den Tourismus-Chef, der Tourismus-Chef lobt Frau Cantieni, Frau Cantieni lobt den Wanderpfad, der SWR-Mensch lobt das Engagement der Wegbeteiligten, Herr Andrack lobt den Wanderpfad, Herr Erber lobt die Gegend, der Tourismus-Chef lobt die eigens für den Weg kreierten Brot- und Schnapsprodukte, Herr Andrack lobt die eigens für den Weg kreierten Brot- und Schnapsprodukte, der SWR-Mensch lobt die eigens für den Weg kreierten Brot- und Schnapsprodukte mit einem Gedicht. Der Mann von der Tourismusmarketinggesellschaft des Landes lobt die Verantwortlichen in Bad Peterstal. Das Wetter lobt keiner.

Sodann wird die Prominenz an einen gedeckten Tisch geführt, während das gemeine Mitwandervolk das Vesper käuflich erwerben kann.

Promis für den Weg

Ich selbst mag nicht am Promi-Tisch sitzen und bezahle lieber mein Vesper. Der Nebel zieht ins Tal, es ist kühl, ich mache mit Herrn Andrack aus, dass wir das Interview am Wegende in Bad Peterstal führen, und wandere weiter. Ich bin nicht der einzige, der die Promibewirtung nicht abwarten will. Die zur Schau gestellte touristische Zweiklassengesellschaft kommt auch bei anderen nicht gut an, mit denen ich mich auf dem Weg unterhalte. Überhaupt sei es schade, dass man die Promis nur für den Weg gebucht habe. Eine Abendveranstaltung, zu der auch die hätten kommen können, die zeitlich oder körperlich dazu nicht in der Lage waren, hätte man viel besser gefunden.

Trotz – oder vielleicht sogar wegen – des Regenwetters genieße ich den Genießerpfad. So soll es sein. Regen, Nebel, Dunst – es ist der Schwarzwald der Sagen und Legenden.

Der knapp 11 Kilometer lange Pfad endet wieder am kleinen Bahnhof in Bad Peterstal und ist damit verkehrstechnisch optimal angebunden. Hier fahren am Tag gerade mal so viele Züge, dass sie die Wanderer ins Tal bringen. Und das Essen im danebenliegenden Hirsch sei ausgezeichnet, erzählt man mir. Wer mit Hund wandern will, ist dort übrigens sehr willkommen, auf die Beherbergung mit angeleinten Fellwesen hat man sich spezialisiert.

Warten im Funkloch

Ich dusche, ziehe mich um und warte. Ich befürchte, Herrn Andrack zu verpassen. Das Funkloch macht es schwer, Nachrichten von der Wanderstrecke zu erhalten. Noch sitze der Promitross im Braunbergstüble, wo hingegen der SWR-Mann schon im Ziel gesichtet worden und abgereist sei. Ich warte, friere, gehe zurück aufs Zimmer, ziehe einen dickeren Pullover an, gehe wieder zum Bahnhof – und da steht Manuel Andrack, allein. Auch er ist der Gruppe etwas vorausgelaufen.

Das Ambiente am Bahnhof ist nicht so dekorativ wie auf dem Weg, ohnehin macht der Akku meiner Kamera im nasskalten Wetter schlapp und wir zeichnen das Gespräch über den Peterstaler Schwarzwaldsteig als Audio-Datei auf, reden übers Wandern, Bloggen und Schreiben und warum denn Pilgerbücher so »in« sind und was das vom Wandern unterscheide. »Bloggen ist Rock’n’Roll!«, sagt Andrack. Den ungekürzten Interview-Mitschnitt hören Sie im Podcast des literaturcafe.de oder über den Audio-Player unten.

Zwei Blogeinträge hat Manuel Andrack mittlerweile über den Aufenthalt in Peterstal verfasst. Und auch die Kolleginnen vom Schwarzwald-Podcast waren dabei.

»Ich glaube, ich muss den Peterstaler Schwarzwaldsteig noch mal bei Sonnenschein wandern«, schreibt Manuel Andrack. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wolfgang Tischer

Manuel Andrack: Das neue Wandern: Unterwegs auf der Suche nach dem Glück. Taschenbuch. 2011. Berlin Verlag Taschenbuch. ISBN/EAN: 9783833307133
Manuel Andrack: Das neue Wandern: Unterwegs auf der Suche nach dem Glück. Kindle Ausgabe. 2011. Bloomsbury Verlag eBook. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Infos über das Wandern in Bad Peterstal-Griesbach gibt’s auch als App und dem Peterstaler Schwarzwaldseig widmet sich eine eigene Website unter www.peterstaler-schwarzwaldsteig.de. Bis Ende Juni 2013 kann man den Schwarzwaldsteig auch noch beim Wandermagazin zum schönsten Wanderweg 2013 wählen.

Offenlegung: Auch ich gehörte zu den Gästen und übernachtete für den Beitrag auf Einladung der Kur und Tourismus GmbH eine Nacht im Hirsch, Peterstal, und trank eine Apfelsaftschorle. Anreise und Sonstiges habe ich selbst bezahlt.

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4 Kommentare

  1. Warum muß man von HH nach Bad Peterstal über Stuttgart FLIEGEN?
    Mit gerade mal 2 Umsteigvorgängen erreicht man bei Abfaht um 10.01 Uhr in HH-Hbf Bad Peterstal um 16.40 Uhr. Das dürfte mit Flieger und Mietwagen in der Gesamtzeit von 6 h 39 min nicht zu toppen sein. Und entspannender ist’s sowieso.

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