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Neues Konzept: Das literarische Quartett wird zur Thea-Dorn-Show

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Thea Dorn im literarischen Quartett (Foto:ZDF)

Das ZDF hat verkündet, wie es mit dem Literarischen Quartett weitergeht: Das ursprüngliche Konzept wird ins Gegenteil gedreht und die Sendung auf die Moderatorin Thea Dorn zugeschnitten. Kann das gutgehen?

Das Konzept des Literarischen Quartetts beruhte darauf, dass es ein festes dreiköpfiges Diskussionsensemble gab, das jeweils um einen wechselnden Gast ergänzt wurde. So war es unter seinem Erfinder Marcel Reich-Ranicki und so war es bei der Wiederaufnahme 2015 mit Neuquartett-Leiter Volker Weidermann. Doch sowohl Weidermann als auch Ensemble-Mitglied Christine Westermann stiegen zum Jahresende 2019 aus. Das ZDF war gezwungen, sich Gedanken über die Fortführung der Sendung zu machen. Es schien relativ klar, dass Thea Dorn das Quartett nicht verlässt.

Jetzt stellt das ZDF Thea Dorn bei der »Reform« der Sendung in den Mittelpunkt. Künftig läuft es genau anders herum: Nur Thea Dorn ist in jeder Sendung dabei, hinzu kommen jeweils drei wechselnde Gäste. Oder anders ausgedrückt: Die Sendung wird zu einer Literatur-Talkshow mit Moderatorin Thea Dorn. Es soll weiterhin in jeder Sendung um vier Bücher gehen, »darunter auch neu aufgelegte Klassiker«, wie das ZDF mitteilt.

Drei wechselnde Gäste anstatt eines festen Dreierensembles, das klingt nach einer Notlösung. Schaut man sich die Gäste an, die das ZDF für die nächste Sendung am 6. März und für die kommenden Folgen angekündigt, so gewinnt man einen Eindruck, wen das ZDF in den vergangenen Wochen so alles für eine neue Stammbesetzung angefragt haben könnte: Vea Kaiser, Jakob Augstein, Juli Zeh, Sahra Wagenknecht, Eva Menasse, Ulrich Matthes, Marko Martin, Joachim Meyerhoff und Feridun Zaimoglu. Es sind die üblichen Verdächtigen des Literaturkarussells, einige wie Ulrich Matthes oder Joachim Meyerhoff haben sich bereits in früheren Sendungen als kompetente und unterhaltsame Gäste bewährt. Sieht man aber von Vea Kaiser ab, die wiederum in Gottschalks Literatursendung einen Auftritt hatte, so fällt wieder einmal auf, dass da keine jüngeren Menschen mit dabei sind, dass da keine Namen dabei sind, die neu, frisch und unerwartet auf einer solchen Liste wären. Doch Zeit für jährlich sechs Sendungen hatte offenbar niemand der Angefragten.

Beim ZDF jubelt man dennoch: »Wir freuen uns, dass wir mit Thea Dorn einen führenden Kopf der literarischen Welt für die Moderation des ›Quartetts‹ gewinnen konnten«, sagt laut Pressemeldung Anne Reidt, die Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Kultur.

Das Schönreden der Situation gerät jedoch in der gleichen Pressemeldung ins Absurde und unfreiwillig Komische: »›Das Literarische Quartett‹ wandelt sich von der klassischen Kritikerrunde zum literarischen Salon und orientiert sich auch an den vielen Lesekreisen im Lande.« Heißt das, dass auch den Lesekreisen im Lande die Leute davonlaufen und da jedes Mal neue Leute sitzen? Denn eigentlich sollte ein Lesekreis von denen zusammengehalten und gebildet werden, die da regelmäßig hingehen, um über Bücher zu diskutieren.

Das Literarische Quartett: Dank an Dorn
Thea Dorn im Literarischen Quartett (Foto: ZDF)

Ist Thea Dorn eine gute Wahl? Auf der einen Seite: ja. Dorn hat Ahnung, Dorn ist meinungsstark und eloquent – und vor allem verfügt sie über eine jahrelange Erfahrung im Moderieren von Literatursendungen. Im SWR war sie lange Zeit die Gastgeberin der Sendungen »Literatur im Foyer«, in der es auch ein Quartett gab.

Defacto war Thea Dorn längst schon so etwas wie die inoffizielle Moderatorin der Sendung geworden, als sie 2017 für Maxim Biller in die Stammbesetzung kam. Da Volker Weidermann nie ein dominanter Diskussionsleiter wie Reich-Ranicki war, übernahm Dorn diese Rolle zusehens.

Doch mit ihrer Art kommt sie nicht bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern gut an, wie immer wieder die Kommentare unter den Quartett-Besprechungen im literaturcafe.de zeigen.

Da sind drei unterschiedliche Typen als Stammbesetzung grundsätzlich besser, denn so kann sich jede Zuschauerin und jeder Zuschauer seine Identifikationsfigur aussuchen oder über die anderen wettern. So stand Christine Westermann in der Runde immer für die einfache Leserin, die mit mehr Gefühl als Verstand an Bücher herangeht, und Dorn eher für das Gegenteil.

Thea Dorn klingt dann auch sehr verhalten, wenn es um ihre neue Rolle geht: »Ich bin mir der Verantwortung, ab jetzt als Gastgeberin des ›Literarischen Quartetts‹ zu fungieren, sehr bewusst. Die Zeiten für Literatur, für das Bücherlesen überhaupt, waren schon mal günstiger. Und auch das Medium Fernsehen ist nicht gerade für ein Gespräch über Bücher erfunden worden. Aber genau deshalb ist es reizvoll für mich zu versuchen, mit diesem neuen ›Quartett‹, vor allem aber mit Unterstützung unserer Gäste, die Glut der Leselust, die in vielen immer noch schlummert, sechs Mal im Jahr zum Glühen zu bringen.«

Warten wir also die nächste Sendung am 6. März 2020 ab, und schauen wir, was da glüht, glimmt, entflammt oder erlischt.

Nachtrag: Klicken Sie hier und lesen Sie die Kritik zur ersten Sendung mit Thea Dorn als Gastgeberin vom 6. März 2020 »

Das Literarische Quartett vom 06.03.2020: Vea Kaiser, Thea Dorn, Jakob Augstein und Marion Brasch (Foto: ZDF/Svea Pietschmann)
Das Literarische Quartett vom 06.03.2020: Vea Kaiser, Thea Dorn, Jakob Augstein und Marion Brasch (Foto: ZDF/Svea Pietschmann) Zur Kritik der Sendung »

Wolfgang Tischer

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5 Kommentare

  1. Thea Dorn ist doch perfekt. Ich glaube nicht, dass es an ihr liegt, dass keine jüngeren Quartettler gefunden werden. Mich ärgert aber, dass Christine Westermann als “einfache Leserin” bezeichnet wird.

    • Christina Westermann stand für! die einfache Leserin, die/der mit Gefühl an Bücher herangeht und nicht nur über den Verstand. Das ist doch sehr gut, denn Literatur soll doch das Gefühl ansprechen. Ich finde es z. B. furchtbar langweilig, wenn man zu sehr “fachsimpelt” über ein Buch oder Werk. Ich lese es, kann meine Eindrücke über Sprache etc wiedergeben, aber ansonsten muss mich ein Buch schon ansprechen, also mein Gefühl.

  2. Thea Dorn hat sicherlich die Affinität* vieler Zuschauer im Laufe der Zeit gewonnen, da ihre ausdrucksstarke, wortgewandte und frische Art einfach charmant ist. Sie ist schon liebenswürdig und bezaubernd, wie ich finde. Man sollte in jede Sendung möglichst auch einen Philosophen mit einladen. Dies würde beim Publikum bestimmt mehr Interesse wecken.

    * Affinität: Zuneigung, Anziehung

  3. Und es lebt doch irgendwie. Dieses Literaturcafe. Danke Wolfgang.

    Dachte schon, es geht hier immer nur um Interpunktion. Normseiten. Und Mainstreamliteratur, die man auf einem Kindle oder so ähnlich lesen kann. 😉

  4. Sendung vom 1.5.2020
    Sehr geehrte Frau Dorn
    herzlichen Glückwunsch zu einer Sendung (vom 1.5.2020), die mit soviel Begeisterung über Bücher gestaltet wurde. Ihre Gäste, die alle schon selbst ihre Meriten als Schrifststeller erhalten haben, mussten sich nicht mehr darstellen, sondern konnten unaufgeregt über die Bücher sprechen. Darin unterscheidet sich die Sendung von vielen Vorgängern, die ihre persönliche Eitelkeiten wichtiger nahmen als die Bücher, die sie vorstellten. Und Ihre Anmoderation und auch Ihre Leitung der Sendung war klar und immer dem Thema Buch untergeordnet. Es war eine Freude, Ihnen allen zuzuhören. Ich freue mich auf den 5. Juni.

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