Gestrandet
Ein Tagebuch

von Thomas Wöllert

 

25. November
Gestern sind wir mit unserem Schiff in die Anziehungskraft eines Schwarzen Loches geraten. Wir merkten es zu Anfang nicht einmal. Schließlich war es zu spät. Mit der letzten Antriebsenergie konnten wir uns noch auf einen Asteroiden retten. Wir treiben nun immer näher an das Schwarze Loch. Doch obwohl wir beide erst Anfang vierzig sind, werden wir es wohl nicht mehr erleben, wie unser Schiff in das Schwarze Loch stürzt, da die Zeit bei der Annäherung an das Schwarze Loch immer mehr gedehnt wird. Wir werden hier wohl nicht mehr rauskommen.
     Der Sauerstoff reicht noch für zwei Wochen, ebenso die Lebensmittel. Aber, was sind zwei Wochen, wenn die Zeit gedehnt wird ?

31. November
Endlich sind wir mit der Aufstellung aller Gegenstände an Bord fertig geworden. Wir haben außer Lebensmitteln, noch drei Kilogramm Drogen an Bord. Unser Verbindungsmann auf Raumbasis 34 wird schon sehnsüchtig auf sie warten. Mir doch egal.

5. Dezember
Louis, hat sich einfach in seiner Kabine eingeschlossen. Er macht nicht auf. Ich wollte schon die Tür eintreten, ließ es dann aber sein. Vielleicht braucht er einfach nur seine Ruhe. Ich habe mich schon daran gemacht einen Teil des Kokains in meiner Kabine zu verstecken - nur für alle Fälle.

10. Dezember
Er steckt immer noch in seiner Kabine. Was macht er nur da drin ? Ich habe heute mehrmals versucht ein Raumschiff in unserer Nähe zu kontaktieren, aber ohne Erfolg. Wir werden hier verrecken. Verrecken sage ich euch.

11. Dezember
Heute habe ich die Tür zu seiner Kabine aufgebrochen. Habe ihn gefunden. Er war tot. Hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Ich habe ihn in die Kältekammer gelegt. Vielleicht gehen mir einmal die Nahrungsmittel aus, da könnte ich ihn gut gebrauchen.

12. Dezember
Es ist so sinnlos. Ich sitze den ganzen Tag im Cockpit und starre auf den Radarschirm. Heute Mittag dachte ich etwas gesehen zu haben, aber ich hatte wohl Halluzinationen. Nach dem Essen habe ich mir ein paar Gramm Kokain gespritzt. War echt toll. Bin zwei Stunden voll dicht im ganzen Schiff umhergelaufen und habe gelallt. Ich werde mir das Kokain einteilen, mal schauen wie lange es reicht. Laut den Instrumenten, ist das Schwarze Loch, noch zwei Wochen entfernt. Allerdings kann ich es nicht sehen, da es auch das Licht verschlingt. Wenn es einen Teufel gibt, dann wartet er am Grund des Loches auf mich.

15. Dezember?
Ich habe die Borduhr betrachtet. Die Sekunden verstreichen Tag für Tag langsamer. Ich warte nur darauf, dass die Uhr eines Tages stehen bleibt und wieder rückwärts zu laufen beginnt. Ich habe Heute meine Kokainration für die gesamte Woche auf einmal genommen. Mann, war ich zu. Habe fast alle Lebensmittel aus dem Schiff geworfen, wie ein Verrückter. Ich habe jetzt noch Nahrung für zwei Tage.

18. Dezember?
Die Uhr bleibt jetzt fast stehen. Ich weiß nicht wie viel Monate ich schon in diesem Kübel sitze. Heute habe ich begonnen Louis wieder aufzutauen. Habe ihm seine Finger abgeschnitten und mit meinem Laser gekocht. Haben nicht einmal so schlecht geschmeckt. Es wird verdammt kalt. Heute Mittag ist der Fusionsreaktor ausgefallen. Habe es nicht geschafft ihn wieder zum laufen zu bringen. Ich bin ja so müde. Ich suche mir jetzt meine Spritze und haue mich aufs Ohr.

20.Dezember?
Ich hatte heute solchen Hunger, dass ich gar nicht mehr gewartet habe, bis Louis Arm aufgetaut war. Habe ihn einfach so gegessen. Vier Zähne sind mir abgebrochen als ich wie ein Verrückter in das Eis biss. Habe mir auch die linke Hand erfroren. Sie ist so blau.

23. Dezember?
Meine Hand ist bald so groß wie mein Kopf. Sie schwillt jeden Tag stärker an. Habe beschlossen sie zu amputieren und ins Kühlfach zu legen. Was beneide ich Louis das er tot ist. Ich werde meine Kokaindosis nehmen und mit der Amputation beginnen. Ich hoffe ich verblute nicht.
     Es ist geschafft. Einmal wäre ich fast eingeschlafen. Ich hätte den Laser benutzen können, aber ich weiß nicht mehr wo er ist. Meine Zähne beginnen weh zu tun. Habe mir seit Monaten keine Zähne mehr geputzt.

24. Dezember?
Heute ist Heilig Abend. Ich sitze hier im Cockpit und friere. Ich habe alle Lebensmittel ins Cockpit getragen und die Reserveenergie im ganzen Schiff abgeschaltet und hierher umgeleitet. Ebenso die Sauerstoffversorgung. Vielleicht sollte ich mich einfach in die Luftschleuse stürzen. Dann wäre alles vorbei.
     Die Kältekammer funktioniert nicht mehr. Louis und die ersten Lebensmittel beginnen zu verrotten und stinken fürchterlich. Konnte heute Nacht nur nach drei Dosen Kokain einschlafen.

30. Dezember?
Heute ist der große Tag gekommen. Die Uhr IST STEHENGEBLIEBEN. Es ist jetzt so kalt, dass das Thermometer eingefroren ist. Ich glaube ich bin schon in der Hölle. Außerdem sind mir heute die Lebensmittel ausgegangen und ich habe nur noch eine Dosis Kokain in der Spritze.

?
Mann bin ich abgemagert. Ich habe mir meinen rechten Arm amputiert und ihn gegessen. Hat mich meine letzte Dosis Kokain gekostet. Die Zeit ist so stark gedehnt, das jeden Tag nur eine zehntel Sekunde vergeht. Habe mir heute die Haare ausgerissen, weil ich dacht man kann sie essen. Ich glaube ich bin verrückt.

?
Kann mich nicht mehr bewegen. Mein Arm tut höllisch weh. DIE UHR LÄUFT RÜCKWÄÄRTSSS. Ha,Ha,ha,ha.

Es wird sich ALLES WIEDERHOLEN. Mama, wo bist du ?

 

 

© 1997 by Thomas Wöllert. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.


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