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Der Gaumen des Gourmets
von Rainer Zeichhardt

Der Gaumen eines Gourmets ist permanent auf kulinarischer Reise. In mit Sternen, Punkten, Hauben oder Löffeln prämierten Restaurants werden seine Geschmacksnerven mit kunstvoll arrangierten Kreativspeisen verzaubert. Jedes Segment seiner Zunge wird durch die Meister des Fachs herausgefordert, gekitzelt und bis zum Höhepunkt getrieben: von geräuchertem Aalparfait und Carpaccio von der gerösteten Jacobsmuschel über Hummer mit weißem Tomatenschaum, Crepinette vom Rebhuhn mit weißer Trüffelsauce und Gänseleber-Praline auf Champagnergelee bis hin zu mariniertem Kalbsfilet auf Steinpilzen!

Aber nicht nur Zunge und Gaumen, sondern auch das Auge des Gourmets wird mit einbezogen, schließlich geht es in einem Gourmettempel um einen ganzheitlichen kulinarischen Genuß: Hübsche Maîtres nehmen die Bestellungen entgegen, bringen das Amuse Gueule – den kleinen Gruß aus der Küche (schönen Gruß zurück!) – auf silbernen Tabletts, Sommeliers schenken gekonnt wohltemperierten, dekantierten Wein in riesige Kristallgläser, man speist mit silbernem Besteck von verziertem weißen Porzellan, beschaut herrliche Tischgedecke und tupft sich mit kunstvoll gefalteten Servietten die mit weinbefleckten Mundwinkel ab.

Als Gourmet gönne ich meinem Gaumen immer wieder diese einzigartige kulinarische Reise. Aber besonders gerne gibt sich mein Gaumen einem ganz außerordentlichen Genuß hin. Es handelt sich um einen absoluten Geheimtipp, einen Gourmettempel der Extraklasse, in den sich noch nie ein Restaurantkritiker verirrt hat und dies mit Sicherheit auch nie tun wird: Die rustikale Holzküche meiner Mutter, wo sie virtuos Hausmannskost zubereitet, die wir im Kreise der Familie aus einfachen Schüsseln gleich dort schmatzend verspeisen. Für meinen Gaumen und mich ganz klare Wertung: fünf Sterne, 100 Punkte, 10 Hauben und 30 Kochlöffel!

© by Rainer Zeichhardt. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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