CMA - Bestes vom Bauern Das Literatur-Caf� - Der literarische Treffpunkt im Internet
 
<< Vorheriger Beitrag  
Fenster schließen Nächster Beitrag >>
 

Die Millionenente
von Frauke Schuster

Zum Frustfressen entschieden zu teuer, dachte Theo, während ihm der Kellner die edel in Leder gebundene Speisekarte reichte. Hätte es für ihn nicht die Currywurstbude getan statt der ‚Palastschänke', dem neu eröffneten Luxusschuppen?
Was hatte er denn groß zu feiern? Dass Rivale Max die Beförderung gekriegt hatte, auf die er, Theo selbst, so dringend hoffte? Wenn er nicht die Festnahme nach dem Bankraub versiebt hätte, damals, vor einem knappen Jahr, dann wäre er heute Hauptkommissar, nicht Max.... Aber Elmer Bach war abgetaucht, die Million verschwunden. Was der Kerl wohl mit dem Geld angefangen hatte? Jacht gekauft, und ab nach Südamerika?

Die Lauchsuppe erwies sich als Gedicht, cremig, vollmundig im Geschmack, söhnte ihn halbwegs mit seinem Schicksal aus, auch wenn er weiter über den flüchtigen Räuber nachgrübelte. Sein Informant hatte ihm zugetragen, dass Elmer sich wieder irgendwo in der Gegend aufhalten sollte, unter anderem Namen. Theo hatte das Foto der Überwachungskamera so oft studiert, dass er überzeugt war, den Mann überall erkennen zu können, sei es im Blaumann oder Nadelstreifenanzug, mit Künstlermähne oder Glatze... Und eines Tages würde, musste er den Scheißkerl kriegen!
Hatte die Suppe bereits fünf Sterne verdient, stand der Ente ein gesamter Nachthimmel zu! Außen krosse Haut, innen saftiges Fleisch, so zart, dass es fast von allein von den Knochen fiel! Und diese Klöße, perfekt in der Konsistenz...
Beim Kaffee war Theos Welt wieder in Ordnung; nach diesem himmlischen Mahl fühlte er sich unbesiegbar, wusste, dass er Bach schnappen, die Million finden würde... Den Hauptkommissar verdienen... Höflich bat er, dem Koch gratulieren zu dürfen, ein Wunsch, der sein Ansehen bei dem Luxuskellner sichtlich erhöhte.
Der Mann, der dieses lukullische Imperium geschaffen hatte, rührte am Herd in einem blitzenden Kupferkessel. Als er aufblickte, sah Theo ein kantiges Gesicht unter der weißen Haube, eng stehende Augen unter vollen, schweren Brauen... Ein Gesicht, das er unter Millionen erkannt hätte, mit Künstlermähne oder Glatze... Sogar mit Kochmütze...

Eine halbe Stunde später lag er zu Hause auf dem Sofa, den TV-Zapper in der Rechten, das Whiskyglas in der Linken. Max war befördert, die Hauptkommissarstelle besetzt... Wozu sollte er jetzt einen Koch verhaften, noch dazu einen derart begnadeten? Die Million war in der ‚Palastschänke' bestens angelegt, und beim nächsten Mal würde er den Zander in Weinsoße probieren...

© by Frauke Schuster. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
<< Vorheriger Beitrag  
Fenster schließen Nächster Beitrag >>