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Herbsttag
von Dietmar Schubert

Unsere langen Schatten fallen über den Waldweg. In deinem Haar haben sich Kiefernnadeln verfangen und der Pilzkorb in meiner Hand ist randvoll. Das weiße feste Fleisch von zwei Steinpilzen, eingegraben in die dunkle, mit vorjährigem Laub übersäte Erde, Maronen, drei Rotkappen in der Birkenschonung, der Baumstumpf voller Hallimasch, dutzende honiggelber, mit braunen Schüppchen bedeckter Hüte, die hellen Champignons auf der Waldwiese. Vor unserem Haus blühen Herbstastern, tiefrot, violett, dunkelgelb. Wir steigen die Stufen zu unserer Wohnung empor, bis unters Dach. Ich brate die Pilze in Butter mit Zwiebeln und Petersilie, Salz, etwas Pfeffer, bis sie dunkelbraun sind. Das frische Brot ist mit dünnen Scheiben kalter Butter belegt, zwei Schälchen mit schwarzblauen Heidelbeeren stehen neben den Tellern, zur Dekoration hast du Herbstblätter auf den runden Tisch gelegt, ein paar Kastanien und Eicheln. Der Duft der gebratenen Pilze betört meine Sinne. Die Abendsonne glüht in den Fenstern des Hauses gegenüber, so dass ich Luisa in der Wohnung vis-a-vis nicht sehen kann. Die Strahlen lassen das alte Klinkermauerwerk und die letzten Geranien in den Blumenkästen rot leuchten. Ich tupfe meinen Mund mit der Serviette ab und trinke zum Abschluss einen Kräuterlikör. Wir schauen uns an, meine Fingerspitzen berühren die warme Haut in deiner Armbeuge. Du wendest dich ab. Vielleicht waren es die letzten Pilze in diesem Jahr. Bald wird sich der erste Frost über das Land legen.

© by Dietmar Schubert. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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