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Thüringer Rostbratwürste
von Regina Schreiner

An einem heißen Sommertag in den dreißiger Jahren unternahm mein Onkel Alfred eine Radtour vom Fichtelgebirge aus, um seinen kürzlich nach Thüringen verzogenen Bruder zu besuchen.
Verschwitzt und müde erreichte er am frühen Nachmittag den Ort und kehrte im „Gambrinus ein, trat in die kühle dämmrige Wirtsstube, die um diese Tageszeit leer war, und bestellte sich erst einmal ein Seidl Bier.
„Gibt's auch noch was zu essen?" fragte er den Kellner.
„Bedaure, der Herr, es ist alles aus, außer Thüringer Rostbratwurst."
„No, da bringen`S halt Bratwürscht", meinte Alfred, „und noch a Bier."
„Sehr wohl, der Herr, eine Bratwurst, ein Bier!" wollte sich der Kellner mit einer leichten Verbeugung entfernen.
„Na naa", wurde er aufgehalten, „I hab'n Mordshunger, vier Paar derfen's scho sei!" Dabei dachte der Bursche an die kaum fingerlangen Nürnberger Bratwürste, von denen er nach seiner anstrengenden Radtour schon etwas mehr vertragen konnte.
„Vier Paar?", der Kellner riß entsetzt die Augen auf, begab sich aber mit einem kaum hörbaren „Donnerlittchen" in Richtung Küche. Dann besann er sich, kehrte um und fragte noch einmal:
„Bitte, der Herr, vier Paar Bratwürste, also acht Stück...?
„Akkurat. Dauert's denn no lang? I hab 'n sakrischen Hunger!"
Während Alfred noch über die Begriffsstutzigkeit thüringischer Kellner sinnierte, waren aus der Küche bald Geräusche zu hören und ein verlockender Bratwurstduft versetzte die Fantasie des Hungrigen in lebhafte Bewegung.
Still war es in der Wirtsstube, nur die Fliegen summten an den Butzenscheiben.
Endlich ging die Türe auf: Kellner, Wirt und Wirtin, zu dritt kamen sie herein. Die Wirtin trug Brotkorb und Senftopf, der Kellner das Besteck, und der Wirt balancierte den Teller eigenhändig vor seinem dicken Bauch her. Auf diesem Teller, groß wie ein Kuchenteller, lagen sie Seite an Seite, acht Thüringer Rostbratwürste, braun und duftend, jede fast einen Viertelmeter lang und dick wie ein Fahrradschlauch.
Alfred sagte nichts. Er schluckte lediglich kurz und aß die acht Rostbratwürste, eine nach der anderen, zahlte und erhob sich mühsam, um den Bruder von seiner Arbeitsstelle abzuholen.
Hoch erfreut über den unerwarteten Besuch, wollte der ihm etwas ganz Besonderes bieten:
„Weißt was, Alfred", schlug er im überschwang der Wiedersehensfreude vor, „jetzt gehen wir erst einmal aufs Schützenfest. Da gibt's die besten Thüringer Rostbratwürscht; die mußt du unbedingt probieren!""

© by Regina Schreiner. Für die Rechtschreibung sind die Autoren verantwortlich.

 
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