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Büchermachen XVI: Ein Bestseller über den Missbrauchsskandal

Unregelmäßig und immer am Samstag berichtet der Lektor, Verleger und Literaturagent Vito von Eichborn über das Büchermachen. Es geht ihm nicht um Theorien, sondern um das Handwerk auf dem Weg zur »Ware Buch«. Er redet Klartext, räumt mit Vorurteilen auf – und will zum Widerspruch anregen. Und er bittet um Fragen über den Buchmarkt, um an dieser Stelle darauf einzugehen.

Eine Kolumne von Vito von Eichborn

Ich suche einen Autor für einen sicheren Bestseller. Arbeitstitel: »Der Zölibat züchtet Verbrecher«. Untertitel: Der Irrsinn vom Verhältnis der katholischen Kirche zur Sexualität seit Jahrtausenden – und die Untersuchung, ob der Zölibat verboten werden kann.

Warum wird nicht weltweit – in den Kirchen und der Gesellschaft – gegen diesen unmenschlichen Zölibat aufgestanden? Müsste nicht die bürgerliche Justiz dagegen vorgehen, dass der perverse Zwang zur Enthaltsamkeit erwiesenermaßen massenhaft zu Verbrechen führt?

Nur kurz: In den USA sind über 10.000 Fälle von über 4.000 Priestern erfasst. In Australien 2.500 Opfer von 300 Priestern. In Holland ist von bis zu 20.000 jungen Opfern die Rede. In Irland und Chile und Belgien wurde massenhafter Missbrauch ermittelt. Hierzulande ist derzeit die Mindestannahme: 3.677 meist männliche Minderjährige wurden von 1.670 katholischen Klerikern missbraucht. Kurz: Überall, wo es die katholische Kirche gibt, haben ihre Angestellten sich an Kindern und Jugendlichen »vergangen« – denn im katholischen Codex ist das ein Vergehen, kein Verbrechen.

Und die Aufzählung dieser weltweiten Ungeheuerlichkeiten führt nicht zum Aufschrei? Der Zölibat, so zeigen es Untersuchungen, wird zum Fluchtort für Männer, die mit ihrer Sexualität nicht klarkommen, für katholische Priester, die vereinsamt, alkoholabhängig, unreif und labil sind. Die Kirche züchtet folglich psychisch gestörte unfassbare Straftaten. Das alles ist doch nicht zu fassen!

Wer schreibt das Buch über die Sexualität in der Kirche: Von den mittelalterlichen geilen Pfaffen und Mönchen, den Bischöfen und Päpsten im Konkubinat in der Renaissance und die neurotische Entwicklung bis heute? Über die seelischen Erschütterungen der Kirchenmänner, die durch die Zwänge der Kirche gequält und kaputt gemacht werden? Darüber, was das bei den hunderttausenden Kindern und in der Gesellschaft anrichtet? Und über die Konsequenzen für unseren Rechtsstaat?

Wenn bewiesenermaßen aus Sekten Gefahren für die Gesellschaft drohen – kann man nicht dagegen vorgehen? Wie wär’s mit einer kollektiven Klage gegen die katholische Kirche und ihr Zölibat, um weitere Verbrechen zu verhindern?

Wer dies kenntnisreich auseinanderpflückt und Wege für – nationale und weltweite – Anregungen für den Gesetzgeber und für Verbote des Zölibats aufzeigt, könnte mit diesem Buch buchstäblich Geschichte schreiben und mit der guten Tat einen Haufen Geld verdienen …

Vito von Eichborn

Bewerbungen? Fragen? Meinungen? Manuskripte? Kommentare? Vito von Eichborn freut sich über Rückmeldungen! Am besten unten in den Kommentaren oder per Mail an buechermachen(at)literaturcafe.de.

Vito von Eichborn, 1943 geboren, Studium, Journalist und Aussteiger, begann 1973 im Lektorat bei Fischer in Frankfurt. 1980 Gründung des Eichborn Verlags, den er 1995 freiwillig verließ: »Das war der Fehler meines Lebens.« Geschäftsführer bei Verlagen in Hamburg. Lebt seit 2007 in Bad Malente. Gründete zwischenzeitlich auf Mallorca den Verlag Vitolibro, den er mit norddeutschen Regionalia, literarischen Ausgrabungen und Kuriosa fortsetzt. Ist manchmal Agent für Autoren (»nur, wenn das Projekt marktfähig ist«), schreibt, lektoriert, entwickelt Projekte.

3 Kommentare

  1. Ich stimme Ihnen zu, dass das Zölibatsgebot unmenschlich ist und abgeschafft werden sollte. Trotzdem befürchte ich, dass die Abschaffung des Zölibats nicht notwendigerweise die sexualisierte Gewalt an Kindern in der Kirche beenden oder verringern wird. Das Zölibat kann und wurde schon immer mittels einer Geliebten, einer hingebungsvollen Haushälterin oder Prostitution gebrochen.
    Aus meiner Sicht bietet die katholische Kirche Männern mit pädophiler Veranlagung den idealen Rahmen, um ihre Sexualvorlieben nahezu ungestört auf Kosten unzähliger Opfer ausleben zu können. Sie bot diesen Männern bislang: die fast unantastbare Stellung des Priesters, den ungestörten, unkontrollierten Kontakt zu Kindern, den unbürokratischen, täterfreundlichen Umgang bei Verdachtsfällen und vermutlich die Unterstützung der Gesinnungsgenossen.
    Nebenbei bemerkt: ich hasse das Wort Missbrauch, denn es verharmlost einen Tatbestand, der nichts anderes ist als unerträgliche Gewalt, die an Kindern ausgeübt wird.

    • Ich spreche schon immer von Vergewaltigung.
      Was noch unbedingt angesprochen werden muss, die Klöster. Die erscheinen fast gar nicht in der Öffentlichkeit. Hier geht es auch um Medikamenten Missbrauch, war 5 Jahre alt.
      Ich bin eine bayerische überlebende heimkind. 1960-1978, war 5 Tage alt.

  2. Der Schrecken ist mit nichts vergleichbar, auch die Schreckenszahlen nicht. Trotzdem das Wagnis:
    Ca. 1700 Geistliche haben also seit dem zweiten Weltkrieg ca. 4000 Minderjährige missbraucht. Ist das ein Skandal? Ja!
    Ist das DER Skandal? Nein! Der Skandal ist folgender: Psychologen bezeichnen Kindesmissbrauch ob seiner Verbreitung als Volkskrankheit … Das Bundeskriminalamt meldet ca. 14.000 bis 20.000 polizeilich erfasste Missbrauchsfälle pro Jahr. Die Dunkelziffer ist unvorstellbar! 25% der Fälle finden im familiären Umfeld statt. Weitere 50% im Bekanntenkreis. Also findet die überwiegende Mehrheit der Übergriffe weitab vom religiösen Bezug statt. Aber darüber mag man offenbar nicht gerne reden, dass die größere Gefahr vom eigenen Elternteil oder vom “netten Onkel” ausgeht und nicht vom Pfarrer …
    Um an den schlimmen Zuständen etwas zu ändern sollte aber darüber gesprochen werden!

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