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Bodo Kirchhoff, das Kreuz mit der Kreuzfahrt und die Knusperhaut der Zimmermädchen

Antwort-E-Mail in Buchform: Einladung zu einer Kreuzfahrt

Künstler werden von Reedereien gerne zu Kreuzfahrten eingeladen. Gegen freie Kost und Logis sollen sie das Publikum an Bord unterhalten. Bodo Kirchhoff malt sich aus, wie wohl die Antwort eines Schriftstellers auf solch eine Einladung aussehen könnte. Es ist ein überhebliches, überlanges Schreiben eines selbstverliebten arroganten alten Mannes geworden.

Wer es einmal gelesen hat, wird es nicht vergessen. Es ist so etwas wie die Referenz zum Thema »Kreuzfahrten und Schriftsteller«: das Buch »Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich« von David Foster Wallace. In der typischen Art seiner literarischen Reportagen begibt sich der Amerikaner Wallace mitten ins Geschehen, nimmt an einer Kreuzfahrt teil und berichtet mit dem Außenblick von Innen. Wahrhaftig schrecklich amüsant.

Der deutsche Autor Bodo Kirchhoff geht die Sache anders an. Sein Erzähler muss gar nicht an Bord der Arkadia II durch die Karibik kreuzen. Allein aufgrund einer E-Mail mit Dateianhang und dem »Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt« malt er sich aus, wie das wohl werden könnte mit ihm und den 4.999 restlichen Gästen auf dem Schiff. Das 120 Seiten starke Büchlein ist also nichts weiter als sein überlanges Antwortschreiben auf die Einladung der Reederei, kostenlos an der Kreuzfahrt teilzunehmen und im Gegenzug auf dem Schiff aus seinen Büchern zu lesen.

Vielleicht wäre die Antwort auf die Anfrage nicht so lang geworden, wenn sie von irgendeinem Sachbearbeiter gekommen wäre oder womöglich anonym vom Vorstand der Reederei. Doch der Absender der Mail ist Frau Faber-Eschenbach, die im Verlauf des Schreibens auch schon mal mit ihrem Vornamen Susanne angesprochen wird, »schwingt doch in Susanne das Weibliche im doppelten S und doppelten N neben dem Männlichen der Vokale«. Der Erzähler bzw. E-Mail-Schreiber findet ein Bild von ihr auf der Website der Reederei, auf der ihr »der Wind den Rock an die Beine legt«, er sieht »eine schöne Frau im Gegenwind, schön im umfassenden Sinne«. Da wird der Schreiber bereits unschön zutraulich, leert der doch im Verlaufe seiner langen Antwortmail einige Whiskygläser.

Der Erzähler – so drängt es sich bei der Lektüre immer deutlicher auf – ist ein lüsterner alter Mann. Die Mitarbeiterinnen seines Verlags seien »alle recht jung«, und würde eine davon als Begleitperson mit an Bord sein, so gefällt er sich darin, dass andere Männer in ihr neidvoll eine »vermeintliche junge Gespielin« sehen könnten. Schon im vorderen Teil seiner Antwort schwadroniert der Erzähler von »dunklem Haar, mit jenem Silberhauch, wie er erwachsenen Frauen, wenn sie schlank sind, immer zu Gesicht steht« und der »Knusperhaut der Zimmermädchen«. Frauen werden eher auf Äußerlichkeiten reduziert. Eine nachfragende Talkmasterin, deren erste Frage ihm nicht gefällt, wird zur »Frau Schmollmündchenmoderatorin«.

Ansonsten sieht sich der Erzähler – das verwundert nicht – als intellektueller Schriftsteller gänzlich deplatziert auf diesem Schiff. Das Publikum einer solchen Kreuzfahrt sei eher tätowiert und nehme im Schiffspool an Bauchplatscherwettbewerben teil, als dass es geistig dazu in der Lage wäre, seinen Texten zu folgen. Zudem muss er erfahren, dass eine weitere Schriftstellerin(!) mit an Bord sein wird, die er jedoch nicht als solche wahrnimmt, immerhin schreibt sie nur Kriminalromane, also nichts Hochwertiges, nichts Wertvolles, nur Bücher, die »unsere noch übrig gebliebenen Buchhandlungen verstopfen«, während der Erzähler eher in Städten wie Gütersloh »vor ein paar älteren Damen im Mantel« lesen muss, danach kommt eigentlich nur noch die Lesung auf einer Kreuzfahrt.

Diese Suade eines frustrierten alten Mannes, dessen Frau vor fünf Jahren dann »leider eigene Wege gegangen« ist und dem aus dieser Beziehung nur eine taube Hündin geblieben ist, sein wortreiches gedankenspielerisches Leiden auf dem Kreuzfahrtschiff, all dass hätte ein furchtbar komisches, witziges und groteskes Buch werden können, das man mit Freude, Vergnügen, Schmunzeln und Lachen hätte lesen können.

Nur: Kirchhoff kann nicht lustig. Leider. Man liest das unglaublich lange Antwortschreiben und vermisst schmerzlich jede Spur von Humor. Alles wirkt so, als wäre es ernst gemeint, und von Seite zu Seite wird einem dieser überheblich intellektuelle Antwortschreiber immer unsympathischer, und sollte Frau Faber-Eschenbach seine Antwort tatsächlich bis zur letzten Zeile lesen, so muss man sie förmlich vor sich sehen, wie sie eigentlich nur einen Satz sagen kann: »Dann eben nicht, du arroganter alter Sack!«

Wolfgang Tischer

Bodo Kirchhoff: Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt. Gebundene Ausgabe. 2017. Frankfurter Verlagsanstalt. ISBN/EAN: 9783627002411. 18,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel
Bodo Kirchhoff: Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt. Kindle Ausgabe. 2017. Frankfurter Verlags-Anst. 9,99 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

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1 Kommentar

  1. Bodo Kirchhoff wird meiner Meinung nach völlig überbewertet. Schon seit letztes Buch (Widerfahrnis) fand ich unerträglich (manieriert). Gott sei Dank habe ich es als Ebook gekauft – kann man zurückgeben.

    Und Humor … nein, den hat dieser Mann wirklich nicht. Ich kenne ihn nicht persönlich, der Eindruck drängt sich mir aber förmlich auf. Bei seinen Büchern und bei Interviews mit ihm. Dabei macht Humor und die Fähigkeit, sich selbst auf die Schippe zu nehmen, einen Menschen erst richtig sympathisch.
    Aber “guten” Humor in Bücher, den muss man können … und dazu darf man sich selbst nicht zu wichtig nehmen.

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