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Billiger Baukastenhorror: Stephen Kings »Friedhof der Kuscheltiere« ist wieder im Kino

Könnte etwas Fellpflege brauchen: Kater Church in der Neuverfilung von Friedhof der Kuscheltiere (Foto: Paramount Pictures)
Könnte etwas Fellpflege benötigen: Kater Church (gespielt von Leo, Tonic, Jager und JD) in der Neuverfilmung von »Friedhof der Kuscheltiere« (Foto: Paramount Pictures)

Wenn die Totgeglaubten wiederkehren, dann sind sie nicht mehr sie selbst. So ist auch die Neuverfilmung von »Friedhof der Kuscheltiere« nichts weiter als billigster Horror-Tant aus der Schreckschublade, dem sämtliches Leben der Buchvorlage entwichen ist.

Jede Buchverfilmung ist die Neuinterpretation der Geschichte und kann nicht unbedingt mit der literarischen Vorlage verglichen werden. Dennoch ist das größte Problem der Neuverfilmung von Stephen Kings Roman »Friedhof der Kuscheltiere«, dass es bereits die Story als Buch gibt. Es ist eine Geschichte über Verlustängste, den Tod und darüber, dass wir lernen müssen damit umzugehen, wenn der Tod die, die wir lieben, aus unserer Mitte reißt. Wie fast immer in Stephen Kings Büchern stecken hinter der Horroroberfläche die Ängste, die wir alle haben.

Stephen King hatte den Roman lange in der Schublade liegen, und er gab das Manuskript nach eigener Aussage nur deshalb an den Doubleday Verlag, da er diesem vor dem Wechsel zu einem anderen Verlagshaus noch ein Buch abliefern musste. »Friedhof der Kuscheltiere« gilt als der finanziell erfolgreichste Roman Stephen Kings. 1983 wurde das Buch veröffentlicht, 1989 kam die erste Verfilmung ins Kino. Sie hatte den Charme der Horror-Verfilmungen mit geringem Budget und unbekannten Schauspielern. Einzig Frederick Gwynne als gutmütiger Nachbar Jud Crandall blieb in Erinnerung. Gwynne wurde als Herman Munster in der alten Schwarzweiß-Serie »The Munsters« bekannt.

Obwohl im Trailer auf Deutsch, ist das Schild in der deutschen Synchronfassung englisch beschriftet (Foto: Paramount Pictures)
Obwohl im Trailer auf Deutsch, ist das Schild in der deutschen Synchronfassung englisch beschriftet (Foto: Paramount Pictures)

Warum also 2019 eine Neuverfilmung des King-Romans? Dafür könnte es zwei Gründe geben: Erstens, um mit der bekannten Story nochmal Geld vom Kinopublikum abzuschöpfen – oder, zweitens, um eine bessere Verfilmung als die Billigversion von 1989 zu realisieren.

Jetzt kennen wir die Antwort: Es muss ausschließlich das Geld gewesen sein.

Denn die Neuverfilmung der Regisseure Kevin Kölsch und Dennis Widmyer ist billiger Baukastenhorror. Es wurde nicht einmal ansatzweise versucht, so etwas wie wahre Gefühle oder nachvollziehbare Handlungsmotive in die Geschichte zu packen. Geblieben ist nur die Plot-Struktur des Romans, die an einer entscheidenden Stelle geändert wurde, aber das scheinbar nur, um weitere ausgelutschte Horrorfilm-Klischees zu erfüllen. Die einzigen Schreckeffekte, auf die der Film setzt, sind billige Jump-Scares. Geradezu lächerlich wirkt das Sounddesign, die beständige Geräuschuntermalung des Films. Andauernd stöhnt und rauscht und knarrt und wispert es, um selbst dem ignorantesten Zuschauer klar zu machen, dass dies ein Horrorfilm ist, in dem gleich was wahnsinnig Schreckliches passieren wird, was dann doch nur ein weiterer Jump-Scare ist.

Ständiges Geraune und Gestöne: Familie Creed beim Abendessen (Foto: Paramount Pictures)
Ständiges Wispern und Gestöhne: Familie Creed beim Abendessen (Foto: Paramount Pictures)

So etwas wie Beziehungen zwischen den Figuren, die deren Handeln halbwegs nachvollziehbar machen, lässt der Film nicht entstehen. Jud Crandall (John Lithgow) wird in der Neuverfilmung zum Opi, der einen Fehler macht und dann nur noch selbstmitleidig jammert. Der »Todesbote« Victor Pascow (Obssa Ahmed) wird im Film lediglich für einen wenig aufregenden Splatter-Effekt eingesetzt und bleibt ansonsten eine marginale Randfigur. Unzählige Male setzt im Film die Logik aus, und die im Trailer zu sehende bildstarke Beerdigungsprozession von Kindern mit Tiermasken scheint nur deswegen in den Film eingebaut worden zu sein, damit sie bildstark im Trailer auftauchen kann.

Überhaupt: Liebevoll wurde im Trailer das englische »Pet Sematary«-Schild zu einem deutschen »Friedhof der Kuscheltiere« (aber leider nicht zu einem »Haustier-Fritof«), während es im Film selbst englisch bleibt. War es zu mühsam, das Schild im ganzen Film deutschsprachig zu rendern? Wahrscheinlich, denn zudem gab es schon lange nicht mehr eine so schlechte Computeranimation zu sehen, wie die eines LKW-Unfalls. Vielleicht ist es der schrecklichste und unerträglichste Moment im ganzen Film, der einen fassungslos im Kinosessel erstarren lässt: Es verunglückt ein gewaltiger Sattelschlepper – und er explodiert nicht! Es ist das einzige Hollywood-Klischee, das ausgelassen wurde. Man wollte offenbar eine spektakuläre Unfallszene im Film haben, hatte aber leider weder das Geld, um sie mit Stunts real zu realisieren, noch um sie profimäßig am Computer zu berechnen. Und dann darf das Ding nicht mal explodieren, weil das jetzt wieder mit der Handlung nicht korrespondiert hätte. Visuell daneben ist auch das Land hinter dem Tierfriedhof, das an die »Sümpfe der Traurigkeit« aus »Die unendliche Geschichte« erinnert. Man wartet darauf, dass Atreju sein Pferd vorbeizieht.

Jud Crandall (John Lithgow) und Ellie (Jeté Laurence) auf dem »Haustier-Fritof« (Foto: Paramount Pictures)
Jud Crandall (John Lithgow) und Ellie (Jeté Laurence) auf dem »Haustier-Fritof« (Foto: Paramount Pictures)

Das ständige Ich-bin-ein-Horrorfilm-Effektgeheische, mag in Filmen von Sam Raimi (»Tanz der Teufel«) angebracht sein, wenn die Überinstrumentalisierung ironisch gebrochen wird, doch die Neuverfilmung des »Friedhofs der Kuscheltiere« nimmt sich viel zu ernst, um dem lieblosen Trash-Horror mit Wohlwollen begegnen zu können. Daran ändern auch die letzten 30 Sekunden des Films nichts.

Bereits »Es« war eine überflüssige kommerzorientierte Neuverfilmung, die sich ans anspruchslose Kinopublikum mit einfallslosen Schreckeffekten anbiederte, die Neuverfilmung von »Friedhof der Kuscheltiere« ist dagegen mehr als überflüssig. Daher kann die Empfehlung an dieser Stelle wieder einmal nur lauten: Lesen Sie den Roman von Stephen King!

Wolfgang Tischer

Friedhof der Kuscheltiere (Pet Sematary). USA 2019. Mit John Lithgow, Jason Clarke, Amy Seimetz, Naomi Frenette u. a. Drehbuch: David Kajganich und Jeff Buhler, nach dem Roman von Stephen King. Regie: Kevin Kölsch und Dennis Widmyer. FSK 16. 100 Minuten.

Stephen King; Christel Wiemken (Übersetzung): Friedhof der Kuscheltiere: Roman. Taschenbuch. 2011. Heyne Verlag. ISBN/EAN: 9783453435797. 12,00 €  » Bestellen bei amazon.de Anzeige oder im Buchhandel

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4 Kommentare

  1. Schon der Roman hätte mir ohne Horror besser gefallen, als Beziehungsdrama. Der Anfang mit dem Kindstod ist stark und die Frage, wie der die Beziehung belasten wird, erzeugt genug Spannung. Der Horror nimmt dem die Kraft.
    Lieber Nanni Moretti schauen.

  2. Vor einiger Zeit habe ich das Buch “Das Leben und das Schreiben” von King gelesen, was ich ausgezeichnet finde. Danach habe ich einige Romane von ihm gekauft, darunter auch “Friedhof der Kuscheltiere”.
    Ich teile Tom Steinemanns Meinung: Ohne diesen abstrusen Horrar hätte King aus dem Stoff was machen können. So aber hat mich das Buch absolut nicht berührt und an vielen Stellen sogar gelangweilt, weil King es liebt, Situationen in epischer Breite auszuwalzen – was für das Verständnis des Inhalts nicht notwendig, sondern eher störend ist. Ich habe bestimmt so um die 50 Seiten überblättert.
    Was mich an King grundsätzlich stört, sind die Gewaltszenen, wo er wirklich jedes winzige Detail akribisch und sehr ausführlich beschreibt. Oder die völlig unglaubwürdige Szene in “Dolores”, wo die Antagonistin ihr Hausmädchen ärgert, indem sie mit ihrer Durchfall-Kacke ein ganzes Zimmer von unten bis oben verunreinigt. Wie dieser Vorgang funktionieren soll, ist mir ein Rätsel. So etwas kriegt man mit einem Spezialgerät hin, nicht aber mit dem eigenen Hintern. Sei die Diarrhö auch noch so stark.

    Dass King sehr gut und spannend schreiben kann, steht außer Frage. Trotzdem finde ich diesen Autor überbewertet. Und weniger Umfang und weniger explizite Gewalt würden allen Romanen von ihm (die ich gelesen habe) auch nicht schaden.

  3. Nun, ich finde es ein wenig amüsant, einen Stephen King der 80er Jahre zu lesen. Und sich dann über Horror und Gewalt zu beschweren. Carrie, Cujo, Feuerkind, Shining haben einen darauf nicht vorbereiten können :). Ich habe damals auch gern Oscar Wilde oder Jane Austen gelesen, so wählt man eben das wozu man in Stimmung ist und erwartet nicht statt eines Kriegsdramas eine Liebeskomödie.

    Soweit ich mich erinnere, schreibt King im Vorwort selbst als Ehemann und Familienvater an solch einer Straße gelebt zu haben. Damals selbst noch kinderlos haben mir gerade wegen der expliziten, überlangen Beschreibungen die Haare zu Berge gestanden. Und wer mal selbst Kinder hat, weiß wie Sekunden sich dehnen können, wenn sich das eigene Kind in eine Gefahrensitution begibt.
    Der Roman ist also ohne Frage “Prall aus dem Elternleben” mit allen Ängsten die eine plagen.

    Aber grundsätzlich: Nicht jeder LKW der verunfallt explodiert. Hat er btw. im Roman auch nicht getan.

  4. Ich finde es nicht nur amüsant, sondern geradezu abstrus, wenn man sich bei einem King-Roman bzw. dessen Verfilmung über den Horror darin beschwert. Als was ist Stephen King denn sonst weltweit bekannt, wenn nicht als Horror-Autor? Oder wird auch bemängelt, dass John Grisham Justiz-Thriller schreibt?

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