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Willms’ Woche: Jeder Künstler ist Anarchist

Seine zynischen Texte gepaart mit erfrischenden, beschwingten Melodien trafen stets den Nerv der Zeit. Mit Songs wie »Tauben vergiften im Park« und »Schützen wir die Polizei« wurde er berühmt, beliebt und gefürchtet zugleich. Am18. Juli wird der Ausnahme-Künstler Georg Kreisler 86 Jahre alt.

Im Jahr 1922 wurde Georg Kreisler in Wien geboren. Mit 16 Jahren musste er aufgrund seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis in die USA fliehen, wo er in Hollywood schnell Fuß fasste und dort unter anderem als Komponist für Charles Chaplin tätig war.

Erst 1955 kehrte er nach Europa zurück, wo er zunächst in Nachtclubs auftrat. Die bekannte Marietta-Bar in Wien sollte sich als eines der Sprungbretter für den Musiker herausstellen. Größere Bekanntheit erlangte Kreisler in den 60er und 70er-Jahren durch verschiedene Kabarettprogramme, vor allem aber durch seine »schwarzen, bösen Lieder«, wie er sie selbst nennt, in denen er mit unverblümter Ehrlichkeit und makabrem Humor politische und gesellschaftliche Missstände anprangerte. Kreislers Sprache ist direkt, teilweise fast schon obszön. Doch diese Deutlichkeit gehört zu den brisanten Themen und der unversöhnlichen Kritik, die er anspricht.

Der Staat ganz gleich welcher Regierungsform ist Kreisler stets ein Dorn im Auge. Denn dieser ist bei Kreisler stets durch korrupte Machenschaften gekennzeichnet, er kennt nur ein Ziel: die Ausbeutung und Unterdrückung seiner Bürger. In seinem Song »Ihr wisst gar nichts« gesungen von Barbara Peters heißt es: »Ihr wisst gar nichts. Wisst nicht, dass Macht nur Hass und Krieg und Kerker bringt. […] Ihr wisst gar nicht, wie schön die Welt sein kann, solang man in ihr lebt, statt sie bezwingt.« Bereits in diesem kurzen Zitat zeichnet sich Kreislers Sympathie mit dem Anarchismus ab. Wiederholt spricht er sich in seinem Werk gegen staatliche Gesetzgebung und Herrschaftsanspruch aus. In einem Staat gibt es für Kreisler nur zwei Parteien den Staatsapparat als Unterdrücker und die Bürger als Unterdrückte -, wie folgender Ausschnitt desselben Songs belegt: »Ich rede nicht mit Herrschern und Regierenden, ich rede nur mit Bürgern und anderen Verlierenden.«

Auch der Freiheitsbegriff wird bei Georg Kreisler immer wieder thematisiert, der Kapitalismus als Versklavung des Individuums verteufelt. So könne im Staat nur der wirklich frei sein, der Geld und Macht besitzt, von Gleichheit sei keine Spur. Gegen dieses fatale Abhängigkeitsverhältnis schrieb Kreisler in vielen seiner Songs an. Er wollte die Menschen stets aufrütteln, zum eigenen Denken animieren, ihnen helfen, sich vor der Gewalt des Staates zu schützen.

»Jeder Künstler ist Anarchist« sagte Kreisler einmal.  Denkt man an bekannte Anarchisten, so ist Georg Kreisler sicher nicht der erste, der einem in den Sinn kommt. Er ist weder weltfremder Theoretiker noch gewaltbereiter Revolutionär. Er entwirft in seinen Liedern lediglich eine friedlichere Welt. Ein »Was-wäre-wenn«, das Mut macht. Mutig war Georg Kreisler Zeit seines Lebens. Mit seinen Songs traf er seit den 40er Jahren immer wieder den Nerv der Zeit, scheute nicht vor unverblümter Kritik zurück und stand auch dann für seine Ideale ein, wenn seine Ehrlichkeit und Entschlossenheit ihn um Auftritte und Anstellungen brachte. Die deutschsprachige Kabarett-Szene sollte beten, dass ihnen dieser Kunstler noch lange erhalten bleibt.

Wir gratulieren (zu) Georg Kreisler!

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