StartseiteWillms' WocheWillms' Woche: Viel Theater um Kafka

Willms’ Woche: Viel Theater um Kafka

Mit der von Franz Kafka verfassten Literatur haben sich schon viele Menschen beschäftigt. Nur wenige haben sich jedoch näher angeschaut, welchen literarischen Genüssen sich der Autor selbst hingab.

Zwischen 1911 und 1912 zum Beispiel hatte eine Truppe ostjüdischer Schauspieler in Kafkas Heimatstadt Prag Quartier bezogen und hielt sich mit der Aufführung von volkstümlichen Stücken jiddischer Schriftsteller über Wasser.

Diese Menschen übten auf Franz Kafka einen besonderen Zauber aus, einen, dem bisher nur wenige Menschen Beachtung geschenkt haben. Grund genug, unsere Leser in dieser Woche mit etwas literaturwissenschaftlicher Substanz zu »quälen«.

Nachfolgend drei kleine Auszüge aus meiner wissenschaftlichen Arbeit über Franz Kafkas Beschäftigung mit dem jiddischen Theater. Vielleicht machen sie ja Lust auf mehr? Grundlage der Untersuchung sind die Tagebücher Kafkas – am 3. Juli feiern wir übrigens dessen 125. Geburtstag.

»Kafkas erste Begegnung mit den ostjüdischen Schauspielern muss um den 5. Oktober 1911 herum gewesen sein. An diesem Tag hielt Kafka seine Erinnerungen an das von ihm im Café Savoy besuchte Stück ‘Meschumed’ von Lateiner fest. (…) Diese bis auf den Regierungsvertreter und die Kellner rein jüdische Veranstaltung erregte Kafka so sehr, dass ihm laut eigener Darstellung ‘ein Zittern über die Wangen ging’ (Brod, Max: Franz Kafka Tagebücher 1910-1923, S. 61) Kafka sah sich plötzlich mit einem Judentum konfrontiert, das er so nicht kannte.«

»Am 18. Oktober 1911 wohnte er (Kafka) einem Vortrag Löwys (einer der Schauspieler, zu dem Kafka eine Freundschaft entwickeln sollte) bei (…). ‘Die vollständige Wahrheit der Vorlesung’ (Brod, Max: Franz Kafka Tagebücher 1910-1923, S. 78) beeindruckte Kafka so sehr, dass er detailgetreu und ungemein scharfsichtig Löwys Körperhaltung und Mimik in seinem Tagebuch festhielt. Über die Texte selbst notierte er nichts weiter, so dass man zu dem Schluss gelangen kann, dass ihm die Darbietung eben dieser bei weitem mehr imponierte. Ebenso stellte er fest, dass ihn die Vorlesung inspirierte, motivierte, ja sogar beflügelte.«

»Drei Tage später besuchte Kafka eine Aufführung von Goldfadens ‘Bar Kochbar’. Er konnte sich jedoch diesmal nicht wie sonst auf das Stück konzentrieren, weil er an diesem Abend vorhatte, Frau Tschissik (verheiratete Frau aus dem Schauspielerensemble) durch einen Strauß Blumen seine Liebe zu beweisen. Dass dieses Unterfangen letztendlich fehlschlug, trug wesentlich zu Kafkas mangelnder Konzentration bei. Max Brod hatte Tage zuvor einen Lobartikel auf die Schauspieler verfasst, der in einer Prager Wochenzeitung erschienen war. Kafka hatte seinen Freund um diesen Gefallen gebeten. Diesmal hielt Kafka den Inhalt des Stücks nicht fest, notierte jedoch zahlreiche Pannen, die der eher zweitklassigen Schauspielertruppe passierten. Sowohl Kafka als auch Max Brod müssen von der schlechten Darbietung peinlich berührt gewesen sein, waren doch nicht zuletzt durch Brods Artikel viele Besucher zu der Aufführung erschienen.«

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