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Vertane Chancen für Verlage

Die meisten Verlage (aber auch Selbstverleger und Autoren) nutzen die Möglichkeiten des Internets nicht. Eine pauschale Aussage und keine neue Aussage.

Dennoch leider wahr.

Überaus günstig könnten selbst große, bekannte Verlage bisweilen zu neuen Lesern kommen, wenn man das Netz richtig für die PR-Arbeit einsetzen würde. Mit nur 20 bis 30 Euro würde man gelegentlich eine beachtliche Resonanz erreichen. Einfacher, effektiver und um ein Vielfaches günstiger als Werbebanner. Ein aktuelles Beispiel, von dem wir gestern erfahren haben, macht dies wieder einmal deutlich.

Da schreibt im letzten Frühjahr eine Agentur im Auftrag eines großen und bekannten deutschen Verlags ausgewählte Autorinnen und Autoren unseres Angebots www.erotische-literatur.de an. Man ist auf der Suche nach guten Geschichten für erotische Anthologien. Eine seriöse Anfrage, die konkrete Bedingungen, Termine und Autorenhonorar nennt. Ein Traum für jeden Autor! Von der Internet-Website des literaturcafe.de ins Taschenbuch eines großen Verlags! Eigentlich sagen auch wir in unseren Autoren-Seminaren immer wieder, dass es etwas naiv sei zu glauben, die großen Verlage würden das Internet nach Talenten durchsuchen. Die Verlage haben in der Regel genug Manuskripte auf dem Schreibtisch.

Aber es gibt Ausnahmen. Und wer hier zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle ist, der hat Glück.

Eine solche Ausnahme ist derzeit der Bereich “Erotischen Geschichten”. Erotik-Bücher boomen. Man muss sich nur einmal in einer Taschenbuchabteilung umsehen. Denn hier geht es nicht um Schlüpfriges, das nur unter der Ladentheke zu finden ist. Fast jeder der großen Publikumsverlage bringt derzeit Taschenbücher mit erotischen Erzählungen und Romanen auf den Markt.

Der Bedarf an (guten!) erotischen Geschichten ist hoch, denn sie sind selten. Also schauen sich die Verlage bzw. deren Agenturen auch im Netz um. Mehrere namhafte Verlage haben in den letzen Monaten auch bei unseren Autoren angefragt, was uns natürlich mächtig freut. Eine Autorin veröffentlicht demnächst sogar ihren ersten Roman bei einem bekannten deutschen Verlag. Und im letzen Jahr hatte auch der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) einige der Geschichten auf www.erotische-literatur.de vertont. Auch dafür erhielten die Autoren ein Honorar.

Seit kurzem nun ist wieder eine neue Anthologie mit erotischen Geschichten auf dem Markt. Neben bekannten Autoren sind auch solche vertreten, die auf unserer Website veröffentlicht haben. Das Werk erscheint in einem großen Verlag und hat eine beachtliche Erstauflage von 15.000 Exemplaren. Eine Auflage, von der andere Autoren nur träumen können.

Ein grandioser Erfolg also für unsere Autorinnen und Autoren. Und – das sagen wir durchaus sehr stolz – auch ein Erfolg für das literaturcafe.de. Wir hätten groß berichtet. Hätten es als Top-Thema auf unsere Startseite gebracht, es wäre durch unseren RSS-Feed verbreitet worden und an über 7.000 Newsletter-Abonnenten gegangen. Grandiose Öffentlichkeitsarbeit für den Verlag.

Das Dumme ist nur: Wir wissen überhaupt nicht, dass es diese Anthologie gibt! Zumindest nicht offiziell vom Verlag. Mehr oder weniger zufällig hat uns eine der erfolgreichen Autorinnen davon berichtet. Der Verlag hat uns darüber nicht informiert, obwohl er ja sogar von unserem Angebot profitiert hat.

Dabei wäre es doch ein Leichtes gewesen, ein Exemplar des Taschenbuches an unsere Redaktion zu schicken, ein nettes Schreiben dazu, dass man sich freue, uns das Büchlein zuschicken zu können, in dem auch Autoren des literaturcafe.de vertreten sind. Wir hätten uns gefreut wie die Schneekönige, in aller Breite im Café berichtet, jedem davon erzählt. Glaubhaftere und überzeugendere Werbung kann es für einen Buchtitel fast nicht geben. Und das alles hätte den Verlag nicht mehr als 20 Euro für Buch und Versand gekostet.

Aber es ist nicht passiert. Schade für den Verlag.

Wir fragen uns warum, und können uns durchaus einige Gründe vorstellen:

1. Der Verlag hat es vergessen, empfand es nicht als bedeutend, hatte gerade andere wichtige und große PR und Werbemaßnahmen geplant. Die Praktikantin hätte es tun sollen, aber die ist dann krank geworden. Klingt wahrscheinlich. Wir vermuten aber eher, dass

2. die Information, woher die Texte stammen, gar nicht an die Werbe- und PR-Abteilung weitergegeben wurde, was ja in der Tat nicht unbedingt nötig ist. Vielleicht wusste der Verlagslektor noch davon, der die Texte mit der anfragenden Agentur abgestimmt hat. Einmal ausschließen wollen wir den Fall, dass die Agentur gar nicht erwähnt hat, wie der Kontakt zu den Autoren zustande kam.

3. Vielleicht aber will man es auch gar nicht an die große Glocke hängen, dass viele solcher Texte auch kostenlos im Internet zu finden sind. Aber auch das halten wir für unwahrscheinlich. Dass kostenlose Angebote im Web dazu führen, dass nichts mehr gekauft ist, ist ein Mythos, den die Plattenfirmen geschaffen haben, um die Schuld für fallende Umsätze anderen zuzuschieben. Ein Mythos, der u.a. durch den Schnappi-Erfolg widerlegt wurde.

Woran lag es also, dass der Verlag keine 20 Euro investiert hat?

Wir wissen es nicht, können nur anderen Verlagen empfehlen, daraus zu lernen – und fragen ja vielleicht mal bei jenem großen deutschen Verlag nach.

Wir werden über eine etwaige Antwort natürlich hier berichten.

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