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Textkritik: Umsonst gelebt? – Lyrik

Eine Textkritik von Malte Bremer

Umsonst gelebt?

von Claudia Stadtfeld
Textart: Lyrik
Bewertung: 2 von 5 Brillen

Die Straße entlang,
am Leben vorbei.
Alles getan,
doch nichts bewirkt.
Mit wehenden Fahnen
ins Unglück gerannt,
im Bewusstsein zu scheitern,
doch nichts bereut.
Dem Leben entronnen,
befreit von der Last,
selig entschlummert – vorbei.

© 2005 by Claudia Stadtfeld. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Eine Versammlung bekannter Metaphern zu Nutz und Frommen zwecks moralischer Erbauung dessen bedürftiger Menschenwesen.
Handwerklich gelungen, vor allem die rhythmische Gestaltung, inhaltlich hingegen schwerst kitschlastig. Sollte der Schluss (= die letzten drei Zeilen) ein ironischer gewesen sein wollen, dann müsste das deutlich anders gestaltet werden, auch formal.

Die Kritik im Einzelnen

Schon die Überschrift warnt eigentlich vor dem Weiterlesen: Hier wird eine Frage gestellt, über die man immer und immer wieder ergebnislos nachdenken kann und es deswegen gar nicht müsste…
Die erste verschnarchte Metapher: man lebt immer am Leben vorbei, denn Leben findet immer genau da statt, wo man nicht ist; und wenn jemand zufällig doch genau da sein sollte, wo das Leben gerade ist, dann merkt er es nicht, weil er ja weiß, dass er immer am Leben vorbei lebt: Weia, es ist schon ein Kreuz mit dem Leben! Oder wie Mumin-Papa zu seiner lieben Frau sagt: »Meine Liebe, das Leben ist dumm und kurz!« zurück
Die zweite verschnarchte Metapher: Da hat man alles getan, um die Wäsche sauber zu kriegen – und was ist das Ergebnis? Gestolpert, in die Baugrube gefallen, alles wieder dreckig! Was habe ich bewirkt? Nun: Wasser verbraucht, Abwasser produziert, Procter & Gamble unterstützt, dadurch Arbeitsplätze gesichert in der Waschmittelindustrie und bei den Kläranlagen: ist das etwas nichts? zurück
Die dritte verschnarchte Metapher: Man muss sich nur umschauen (aber nicht stehen bleiben, da könnte das Leben sein!) – da laufen sie! Ja, wo laufen sie denn? Mit wehenden Fahnen ins Stadion, dahin, wo das Leben dann braust, wenn alle Fahnenschwinger versammelt sind – und dann wird Bayern disqualifiziert, weil Kahn zu fest zugebissen hat: welch Unglück! War ja klar, dass das mal passieren musste, aber war schon irre, wie das Blut da gespritzt ist – das war jeden Euro wert! Umsonst gelebt? Aber nicht die Bohne! zurück
Ja wie, ja wo, ja wie denn das? Wie kann man etwas entrinnen, dem man niemals begegnet ist? An dem man mit fliegenden Fahnen immer vorbeigerannt sein soll? Also, ich weiß nicht … zurück
Wem die Fahne zu schwer ist, der möge den Fahnenmast durch eine Aluminiumstange ersetzen oder sich ein Wimpelchen kaufen oder sich das entsprechende Logo ins Gesicht tätowieren lassen, schon gibt es nichts mehr, von dem man sich befreien muss. So einfach kann das Leben sein, wenn man nicht daran vorbei geht! zurück
Na siehste: da ist jemand selig entschlummert, denkt also glücklich an das zurück, was er erlebt und erfahren hat – das ist doch ein erfülltes Leben gewesen, oder? Wozu also diese Anhäufung von Metaphern? Sein Leben ist vorbei, was es ja schon zu Anfang war – damals, als er daran vorbei gerannt ist. zurück

© 2005 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.