Anzeige
StartseiteTextkritikTextkritik: Semari - Auf der Fährte des Jaguars - Prosa

Textkritik: Semari – Auf der Fährte des Jaguars – Prosa

Eine Gastkritik von Nicole Thomas

Semari – Auf der Fährte des Jaguars

von Manuela Raguse
Textart: Prosa
Bewertung: von 5 Brillen

Semari begab sich auf die Jagd. Pfeile und Pfeilspitzen hatte er schon vor einigen Tagen präpariert. Er hatte alles bei sich, was er zum Jagen und Zurückbringen der Beute benötigte.
Zunächst folgte er dem breiten Pfad, dem Hauptweg, den die meisten Tiere nahmen, um zum Wasserloch zu gelangen. Auf diesem Weg würde er kein Tier erlegen, selbst wenn es sich anböte. Es war ein Tabu, ein ungeschriebenes Gesetz, das niemand brach, der über einen gesunden Menschenverstand verfügte.
Das Wasserloch musste jetzt in der Nähe sein.
Die zahlreichen Geräusche und Tierstimmen wiesen darauf hin. Außerdem lag der Geruch von Feuchtigkeit in der Luft. Semari pirschte jetzt vorsichtiger voran.
Der einsame Jäger suchte sich einen Weg durch das Dickicht, der noch unberührt war, und verwischte seine Spuren hinter sich, falls er welche machte. Meist gelang es ihm, dies zu vermeiden. Wenn er auf Wurzeln trat, statt auf den Boden und wenn er sich um das Blattwerk herumwand, wie eine Schlange, hinterließ er keine Spuren. Nur wenn es nicht anders ging und er über einen Ameisenhaufen kommen musste und sich dabei am Blattwerk festhalten musste oder einem riesigen Spinnennetz auswich und dabei einige Zweige brachen, konnte ein Tier seine Spur wittern.
Einmal war er unvorsichtig gewesen.
Während er einer geringelten Baumviper ausgewichen war und hatte er sich dabei rückwärts bewegt, die Schlange dabei aber nie aus den Augen gelassen. Im letzten Moment war es ihm noch gelungen, zur Seite zu springen. Er wäre fast an den Tse n’ga-Baum gekommen.
Ein höchst giftiges Gewächs, dessen Harz das Fleisch sofort verbrannte. Tse n’ga bedeutete so viel wie Fleischfresser.
Semari konzentrierte sich jetzt auf eine mha-Gazelle. Bei rechter Betrachtung würde sie nicht viel Fleisch hergeben, obwohl das Fleisch ganz zart war.
Er verwarf das Ziel und setzte seinen Weg durch das Unterholz fort.
Schließlich stieß er auf die Fährte eines Jaguars, der offensichtlich noch nichts erbeutet hatte. Er folgte der Fährte.
Lange brauchte er nicht zu suchen. Bald hatte er die Raubkatze eingeholt. Der Wind stand gut für Semari. Der Jaguar konnte ihn nicht wittern.
Wenn er jetzt geschmeidig blieb, konnte er sich bis auf wenige Meter an ihn heranpirschen.
Der Jaguar hatte etwas im Visier. Semari konnte nicht erkennen, auf was sich das Tier konzentrierte, aber er erkannte es an der Körperhaltung und der Ohrstellung der großen Katze.
Der Jäger wagte sich noch ein wenig näher heran, um festzustellen, wo sich die Beute aufhielt.
Als er entdeckte, worauf der Jaguar aus war, zuckte er lautlos zusammen. Er musste jetzt schnell und besonnen reagieren. Jeder Moment zählte. Er brachte die vergiftete Pfeilspitze so leise und sorgfältig an, wie er es von den alten Kriegern gelernt hatte, holte weit aus und schleuderte den Pfeil, dem das Auge nicht mehr folgen konnte.
Der Jaguar hörte den Pfeil sirren, fuhr in diesem entscheidenden Moment herum und brach dann unter der Einwirkung des Giftes zusammen.
Semari kümmerte sich nicht um das Tier, ging an ihm vorbei in das Dickicht und holte das kleine Kind hervor, das vielleicht noch vor kurzer Zeit mit Muttermilch ernährt wurde. Es konnte schon laufen, doch Semari nahm es auf, flocht sich aus Blättern und Rankgewächsen einen Tragegurt und band es sich auf den Rücken.
Er kehrte zum Jaguar zurück.

Nachdem er das Tier gehäutet, das Fell zwischen Zweigen von zwei weiter auseinander stehenden Bäumen aufgespannt und die Überreste in ein mit Blättern ausgelegtes Loch gelegt hatte, deckte er den eingewickelten Kadaver sorgfältig mit Belua-Blüten und Blättern vom Goromè-Strauch ab, die einen intensiven Geruch verbreiteten und so von dem Kadaver ablenkten. Er würde mit ein paar Kriegern zurück kommen und das Fleisch bergen, bevor irgendwelche Nachträuber es entdeckten, die ihre Nase überall hineinsteckten.
Den Kiefer des Jaguars hatte er an sich genommen. Die Zähne waren als Schmuck sehr beliebt. Er würde Ragnami eine Kette machen und sie ihr als Hochzeitsgeschenk überreichen.
Das Fell war inzwischen einigermaßen getrocknet. Er schlang es um sich und das Kind auf seinem Rücken, was ihn vor anderen Tieren schützte. Er roch nach Jaguar, nicht nach Mensch. Sicher kehrte er in seine Siedlung zurück, wo er Ragnami das Kind überreichte, die sich sofort seiner annahm. Die anderen bewunderten ihn und riefen Worte des Sieges und Mutes. Der Stammesälteste lud die Krieger in seine Hütte ein, wo sie sich niederließen, um seine Geschichte anzuhören. Jeder Krieger machte Semari ein Geschenk, was so Sitte war, wenn jemand einen gefährlichen Gegner tötete, um das Leben eines Menschen zu retten. Da der Jaguar ein besonders gefährlicher Gegner war, dem man nur mit äußerstem Geschick beikommen konnte, um nicht selbst getötet zu werden, fielen die Geschenke besonders großzügig aus.
Noch bevor es dämmerte, waren Semari und drei Krieger mit den Resten des Jaguars zurück.
In der Nacht wurde ein Fest gefeiert, zu dem es verschiedene Mehlspeisen, Wurzel- und Beerengerichte, sowie Obst, Schlangenspieße und Balmão, geröstetes Jaguarfleisch, gab. Semari verheiratete sich mit Ragnami. Das gerettete Kind, ein Mädchen, wurde N’ga Alifha genannt, was »dem Jaguar entkommen« bedeutet. So kam Semari ziemlich schnell zu seiner Familie, aber er war überglücklich.
Alifha, wie sie kurz genannt wurde, entpuppte sich als ein außergewöhnlich mutiges Mädchen. Sie interessierte sich mehr für die Waffen und die Jagd als für die Arbeiten der Frauen. Alifha wollte unbedingt mit auf die Jagd. Da es aber niemals vorgekommen war, dass jemals eine Frau oder ein Mädchen auf Jagd gegangen war, wurde es ihr von den Kriegern und den Ältesten versagt.
Eines Tages, als die Männer auf Jagd waren und die Frauen ihren Beschäftigungen in der Siedlung nachgingen, erstarrte Alifha mitten in ihrer Bewegung. Sie ließ das Wurzelmesser fallen und sprang auf. Ihre Mutter, die gerade Mehlpaste machte, zuckte vor Schreck zusammen. Sie beobachtete Alifha aufmerksam. Das Mädchen schien wie verwandelt.
Sie sah es nicht. Sie hörte es nicht und sie roch es auch nicht. Alifha wusste es. Sie witterte es. Ein Jaguar war hier in der Nähe und beobachtete sie. Sie griff nach den Pfeilen ihres Vaters, fertigte in einer unglaublichen Geschwindigkeit, die nur ein erfahrener Krieger besitzen konnte, eine Pfeilspitze. Sie fingerte an ihrem Bauchgurt, an dem ein kleines Ledersäckchen befestigt war, aus dem sie eine Beere herausholte. Ihre Mutter schlug die Hände vor ihr Gesicht. Alifha tränkte die Pfeilspitze mit dem Saft der Beere, die sie vorsichtig zwischen zwei Holzstücken zerrieb und sorgfältig darauf achtete, dass kein Tropfen daneben ging. Sie war sich der Gefahr durchaus bewusst. Während ihrer Vorbereitungen hatte sie die Aufmerksamkeit der Gefahr gegenüber nicht verloren. Der Jaguar war näher gekommen, sehr viel näher. Mit dem Pfeil bewaffnet lief sie mit leisen Sohlen und weichem Gang an den Hütten in die Richtung, aus der der Jaguar kommen musste. Fünf Schritte weiter begann das Dickicht. Sie erkannte die Augen des Tieres und starrte es furchtlos an. Der Jaguar rannte los und setzte zum Sprung an. Alifha wusste, sie hatte nur einen Versuch. Sie rannte auf den Jaguar zu, duckte sich und rammte den Pfeil in seinen Bauch. Geduckt blieb sie liegen. Der Jaguar kam auf, setzte noch einmal zum Sprung an, was ihm jedoch nicht mehr gelang. Er zuckte noch einmal und blieb dann reglos liegen. Alifha nahm sich einen Stock und stocherte an seiner Pfote herum. Der Gefleckte reagierte nicht mehr.
Die erwachsenen Frauen verfielen in einen einzigen Heulton, nicht, weil sie traurig waren, sondern weil es der Triumphschrei war, der eine bedeutende Heldentat über mehrere Kilometer weit tragen konnte.
Semari und die anderen Krieger waren schon auf dem Heimweg, als sie den Heulton vernahmen. Sie eilten in schnellem Lauf zur Siedlung.
Als sie dort ankamen, hatte Alifha den Jaguar bereits gehäutet.
Schnell halfen ihr die anderen Krieger dabei, den Kadaver zu bergen und ihn in Vorratslöchern zu verstauen.
Gemeinsam mit Semari, der sehr stolz auf seine Tochter war, spannte Alifha das Fell in einen Rahmen aus geschickt verflochtenen Ästen und Zweigen. Den Kiefer des Jaguars durfte Alifha behalten, schließlich hatte sie den Jaguar erlegt.
Die Ältesten berieten über dieses Ereignis und kamen einstimmig zu dem Ergebnis, dass Alifha, die zwar als Mädchen geboren war, dennoch alle guten Eigenschaften eines Kriegers in sich trug und mit ihrem Mut bewiesen hatte, dass sie für die Jagd geeignet war.

© 2003 by Manuela Raguse. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Die folgende Kritik (Zusammenfassung und Einzelkritik) stammt erneut nicht von mir, Malte Bremer, sondern von Nicole Thomas. Mehr dazu und zu ihrer Person findet sich hier. Jetzt aber zu »Nicoles Meinung«:

Der Text enthält sehr lebendig wirkende Figuren, die sich in einer mit viel Liebe zum Detail gezeichneten Umgebung bewegen.
Leider wurde diese Liebe zum Detail nicht auf den Text selbst übertragen. Er wirkt sprachlich sehr unausgereift, ist teilweise schlicht unlogisch und klischeebeladen. Dabei ist die Grundidee der Geschichte durchaus interessant: Das Findelkind Alifha schützt das Dorf vor eben jener Gefahr, aus der sie einst selbst gerettet wurde. Schade, dass sich dieser kunstvoll geschlossene Kreis in dem ganzen Wirrwarr nicht richtig behaupten kann.

Eins noch: Manche meiner Kommentare mögen bissig bis regelrecht bösartig wirken. Das liegt jedoch ganz einfach daran, dass ich es sehr, sehr schade finde, dass das eigentliche Potenzial dieser Geschichte nicht im Mindesten ausgeschöpft wurde. Der Text wirkt, als sei hier einfach nur die Idee an sich niedergeschrieben worden. Was fehlt, ist die anschließende Weiterverarbeitung, die aus einer Idee letztendlich erst eine vollwertige Geschichte macht.

Die Kritik im Einzelnen

Dieser Satz kann problemlos weggelassen werden. Man sollte davon ausgehen, dass ein Jäger weiß, wie er nach erfolgreicher Jagd die Beute transportieren kann. Das muss nicht noch einmal besonders betont werden. zurück
Dieser Zusatz ist nicht unbedingt erforderlich, zumal der Text dadurch ein wenig holpert. zurück
Hier werden zu viele Worte gemacht um einen Sachverhalt, der sich ganz knapp in einem einzigen Satz zusammenfassen lässt: Auf diesem Weg ein Tier zu erlegen, galt als tabu. Damit bliebe der Sinn der Aussage gewahrt, gleichzeitig hätte man den Text gestrafft. zurück
Ein Absatz ist an dieser Stelle nicht unbedingt sinnvoll. Es wäre besser, die beiden darauf folgenden Sätze noch mit hinzuzunehmen. zurück
Der Lesefluss des Textes ließe sich entscheidend verbessern, wenn man die vier vorhergehenden Sätze kürzt bzw. komplett weglässt. Mein Vorschlag wäre: Der Jäger suchte sich einen Weg durch das unberührte Dickicht und achtete darauf, keine Spuren zu hinterlassen, indem er auf Wurzeln trat, statt auf den Boden, und sich um das Blattwerk herumwand wie eine Schlange. Durch diese Komprimierung wird auch das Spannungsmoment der Jagd deutlicher herausgestellt. Gleichzeitig wird so noch ein im ursprünglichen Text enthaltener logischer Fehler korrigiert: Unberührt ist höchstens das Dickicht, nicht jedoch der Weg selbst. zurück
Besser: und sich dabei am Blattwerk festhielt, auf diese Weise vermeidet man das zweite musste. Davon abgesehen: Wieso schafft es Semari einmal offenbar problemlos, sich am Blattwerk festzuhalten, während er ein anderes Mal unweigerlich Zweige zerbricht? zurück
Diese Aussage knüpft nicht wirklich flüssig an den vorhergehenden Text an. Dass Semari seine Spuren verwischt, deutet darauf hin, dass sie nicht gesehen werden sollen. Jetzt jedoch geht es plötzlich darum, dass die Tiere ihn unter Umständen wittern könnten. Dieser Sprung zwischen zwei Sinneseindrücken verhindert, dass der Abschnitt eine nahtlose Einheit bildet. Ganz abgesehen davon ist die Windrichtung wesentlich bedeutsamer als geknickte Zweige. So lange der Wind in Semaris Richtung weht, kann seine Beute ihn nicht wittern. Ob er dabei im Dickicht hinter sich menschlichen Geruch zurücklässt, ist in diesem Zusammenhang eher unerheblich. zurück
Kann es sein, dass dieser Satz beim Korrekturlesen einfach übersprungen wurde? Er ergibt nämlich überhaupt keinen Sinn. Dieser Satz ist nicht viel mehr als eine Baustelle. Also, bitte erst das Gebäude hochziehen, dann bin ich auch gern bereit, einen Kommentar zu der Architektur zu geben. zurück
Ist der Absatz hier Absicht oder ein Formatierungsfehler? zurück
Meine Empfehlung wäre, das mha groß zu schreiben, um es besser als Namen kenntlich zu machen. zurück
Das obwohl hat keinen logischen Bezug zu nicht viel Fleisch. Diesen Satz würde ich umstellen: Obwohl ihr Fleisch ganz zart war, gab sie bei rechter Betrachtung nicht viel her. Besser noch: Obwohl ihr Fleisch ganz zart war, hatte sie bei rechter Betrachtung nicht viel. Die Umschreibung gab nicht viel her impliziert, dass die Gazelle ihr Fleisch freiwillig hergeben würde. Das ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. zurück
Und warum ist das so offensichtlich? Woran genau erkennt Semari denn, dass die Großkatze noch nichts erbeutet hat? So, wie es im Text steht, ist das nicht mehr als einfach nur eine unbewiesene Behauptung. Bevor man jetzt jedoch dazu übergeht, eine Erklärung für Semaris Wissen nachzuliefern, sollte man diese Behauptung lieber auf ihre Wichtigkeit hin überprüfen. Für das Verständnis des Textes ist sie nämlich gar nicht erforderlich und kann ganz einfach weggelassen werden. Mein Vorschlag wäre: Schließlich stieß er auf die Fährte eines Jaguars und folgte ihr. zurück
Diese Formulierung klingt eher umgangssprachlich und abwertend, stattdessen würde ich wenn er jetzt vorsichtig war empfehlen. zurück
Das erinnert eher an einen menschlichen Jäger, der mit einem Gewehr auf die Beute angelegt hat. Besser wäre Der Jaguar fixierte etwas. zurück
Zudem stört mich noch etwas ganz Anderes. Auch wenn diese Geschichte fantastische Züge trägt, finde ich es störend, dass hier Tiere zusammengewürfelt werden, die in der Realität nichts oder nur bedingt miteinander zu tun haben. Das Verbreitungsgebiet der Gazelle reicht von Afrika bis China, das des Jaguars erstreckt sich von Mexiko bis Paraguay. So oder so läge da mal eben ein kompletter Ozean zwischen Großkatze und potenziellem Beutetier. Die Baumviper ginge ja noch. Die gibt es zwar in erster Linie in China in Form der Chinesischen Baumviper, aber wenigstens deckt sich da der Lebensraum noch halbwegs mit dem der Gazelle. zurück
Diese Textstelle ist missverständlich formuliert. Sie könnte auch dahingehend interpretiert werden, dass der Jäger aus der Haltung der Großkatze auf deren Beute schließen kann. Das ist zum einen relativ unwahrscheinlich und zum anderen ja auch gar nicht gemeint. Mein Vorschlag wäre, den Satz anders zu formulieren: aber er sah die angespannte Körperhaltung und die Ohrstellung der großen Katze. zurück
Das lautlos ist an dieser Stelle gar nicht erforderlich. Wenn jemand zusammenzuckt, verursacht das im Allgemeinen kein Geräusch. zurück
Abgesehen davon, dass ich keine Idee habe, wie genau man eine Pfeilspitze eigentlich laut anbringen könnte, gibt mir Semaris Jagdmethode Rätsel auf. Die Formulierung holte weit aus und schleuderte lässt eher auf einen Speer schließen als auf einen Pfeil. Die Jagd mit einem Blasrohr würde ich auf Grund dieser Beschreibung komplett ausschließen, da man mit einem Blasrohr nicht ausholt. Dann bestünde natürlich noch die Möglichkeit, dass Semari mit so einer Art Wurfpfeil jagt. Aber das müsste dann bitte besonders betont und gegebenenfalls erklärt werden, da man bei einer Jagd mit Pfeilen sonst automatisch die Jagd mit Pfeil und Bogen voraussetzt. Außerdem würde ich auch diesen Satz wieder kürzen, wobei ich jetzt einfach mal von der Jagd mit Pfeil und Bogen ausgehe: Er brachte die vergiftete Pfeilspitze so sorgfältig an, wie er es von den alten Kriegern gelernt hatte, spannte den Bogen und schoss. Die ursprüngliche Retardierung, falls es denn eine solche überhaupt hatte sein sollen, ist nicht geglückt. Sie verliert sich in überflüssigen Kommentaren und Erklärungen, die ausgerechnet in diesem aufregenden Moment das Tempo herunterschrauben. Darüber hinaus enthält der Satz noch einen weiteren sachlichen Fehler, den ich bei der sprachlichen Korrektur erst einmal nicht berücksichtigt habe, um den Satz nicht vollständig verwerfen zu müssen: Es ist absolut unlogisch, die Waffe erst im Angesicht der Beute einsatzbereit zu machen. Durch ein solches Vorgehen wäre der Jäger doch gar nicht flexibel genug. Die Beute wartet schließlich nicht ewig darauf, endlich erlegt zu werden. zurück
Auch hier ist die Formulierung wieder viel zu umständlich, als dass sie das Geschehen angemessen vermitteln könnte. Das hier beschriebene Ereignis bildet einen ersten Höhepunkt, der jedoch nur angerissen und dann sofort wieder beiseite geschoben wird. Selbst in dieser entscheidenden Szene kommt nahezu keinerlei Spannung auf. Mein Vorschlag wäre, diesen einen Satz in mehrere aufzuspalten: Der Jaguar hörte den Pfeil sirren. Fauchend wirbelte er herum, doch es war bereits zu spät. Tödlich verwundet brach er zusammen. Dass man auch dieses Beispiel wesentlich besser formulieren könnte, versteht sich. Es dient einzig dazu, eine mögliche Variante zu zeigen, wie der Text an Spannung und Tempo gewinnen könnte. zurück
Warum diese Aussage ein vielleicht enthalten muss, verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Ein wahrscheinlich fände ich da schon angemessener. Und da der Leser hier zum ersten Mal mit der Beute des Jaguars konfrontiert wird, wäre es besser, statt das Kind ganz generell ein Kind zu sagen. Außerdem ließe sich die Tatsache, dass dieses Findelkind gerade eben dem Säuglingsalter entwachsen ist, auch deutlich prosaischer formulieren als durch die romantisch-verklärte Umschreibung mit der Muttermilch. zurück
Der Ausdruck Rankgewächse klingt ein wenig unbeholfen und mutet zudem auch noch falsch an. Die Begriffe Rankengewächse oder, besser noch, ganz einfach Ranken scheinen mir hier geeigneter. Viel interessanter als korrekte sprachliche Bezeichnungen ist jedoch die Frage: Wie viele Hände hat Semari eigentlich? Immerhin nimmt er erst das Kind auf und flicht dann einen Tragegurt. Vorausgesetzt, dass der Jäger doch nur zwei Hände hat: Wäre es umgekehrt nicht irgendwie sinnvoller? zurück
Dieser Satz ist wieder ziemlich lang und ließe sich gut in mehrere kürzere unterteilen. Aber selbst, wenn man ihn nicht unterteilt, ließe er sich ohne Schwierigkeiten verbessern. Viele Bilder lassen sich auf das Wesentliche reduzieren, ohne dass dabei wichtige Informationen verloren gingen. Beispiel: Statt der langatmigen Beschreibung: das Fell zwischen Zweigen von zwei weiter auseinander stehenden Bäumen aufgespannt könnte man auch kurz und präzise sagen, dass Semari das Fell zum Trocknen aufgespannt hatte. Zudem stört mich der Begriff Kadaver. Er klingt nicht wirklich appetitanregend. Auch die doppelte Verwendung ein und desselben Begriffes innerhalb einer so kurzen Textpassage ist nicht besonders glücklich. zurück
Auch hier sollte man wieder jede Information auf ihre Notwendigkeit hin prüfen. Warum heißt es nicht einfach: Die Zähne des Jaguars hatte er an sich genommen. Er würde daraus eine Kette für Ragnami machen und ihr diesen Schmuck als Hochzeitsgeschenk überreichen. Erstens geht es nicht so sehr um den Kiefer, als vielmehr um die Zähne. Deren Wert wiederum ergibt sich aus der Tatsache, dass Semari daraus ein Hochzeitsgeschenk für Ragnami fertigen will. Im Hinblick auf den zukünftigen Ehefrieden wäre es ziemlich unklug, etwas zu verwenden, das als Schmuck unbeliebt wäre. zurück
Besser: und lobten seinen Mut. zurück
Statt seine Geschichte besser Semaris Geschichte, da das seine sonst statt auf Semari auf den Stammesältesten bezogen werden könnte. Davon abgesehen schleicht sich hier eine gewisse Schludrigkeit im Umgang mit Begriffen ein. Semari ist ein Jäger, also müsste der Stammesälteste wohl eher die Jäger als die Krieger in seine Hütte einladen, vielleicht auch die Jäger und die Krieger. So jedoch werden hier zwei Begriffe gleichgesetzt, zwischen denen eigentlich sorgfältiger unterschieden werden sollte. Es handelt sich hierbei keineswegs um Synonyme. zurück
Auch hier wieder: Besser wären zwei Sätze, wobei der zweite dann mit: Dies war so Sitte beginnen könnte. Klingt zwar immer noch etwas spröde, aber dafür bliebe der Eingriff in den ursprünglichen Text möglichst gering. zurück
Der komplette Mittelteil des Satzes ist überflüssig. Er erklärt sich bereits durch die Aussage, dass der Jaguar ein besonders gefährlicher Gegner war. Außerdem ist das gedoppelte besonders nicht ganz so elegant, besser wäre: Da der Jaguar ein besonders gefährlicher Gegner war, fielen die Geschenke entsprechend großzügig aus. zurück
Auch wenn die Bedeutung dieses Namens sich bis heute vermutlich nicht geändert hat, wäre es besser, bei der Vergangenheitsform zu bleiben. Dieser Wechsel bildet einen kleinen Bruch im Text, zumal auch zuvor schon die Bedeutung des Wortes Tse n’ga-Baum erklärt wurde, ohne die Vergangenheitsform zu verlassen. zurück
Wenn er damit nicht glücklich gewesen wäre, warum hätte er dann jetzt schon heiraten und eine Familie gründen sollen? Außerdem stört mich das schwärmerische überglücklich. Würde es nicht reichen, zu sagen, dass er glücklich darüber war? zurück
Ehrlich gesagt, bin ich an dieser Stelle versucht zu stöhnen: Oh nein, bitte nicht dieses abgegriffene Klischee schon wieder! Denn spätestens ab dieser Stelle ist es dann eigentlich überflüssig, noch weiterzulesen. Es ist nämlich sonnenklar, was passieren wird: Alifha wird ihren so außergewöhnlichen Mut unter Beweis stellen, und dadurch sämtliche Ältesten und Krieger/Jäger so schwer beeindrucken, dass diese sie prompt als Kriegerin/Jägerin akzeptieren. Und wer liest schon gern eine Geschichte, deren Ende vorhersehbar ist? Außerdem: Wenn es in dieser Dorfgemeinschaft schon einen Ältestenrat gibt, dann haben auch nur die Ältesten etwas zu bestimmen und nicht noch zusätzlich die Krieger/Jäger. Wie wäre es mit folgender Version: Alifha, wie sie kurz genannt wurde, entpuppte sich als eigenwilliges Mädchen. Statt sich den üblichen Arbeiten der Frauen zu widmen, half sie lieber ihrem Vater dabei, Waffen für die Jagd zu fertigen. So winkt man wenigstens nur mit dem Zaunpfahl, statt gleich die komplette Chinesischen Mauer zu schwenken. Ganz abgesehen davon, dass dank einer solchen Änderung auch die diversen sprachlichen sowie logischen Holprigkeiten auf einen Schlag geglättet wären. zurück
Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn man noch einmal präzisieren könnte, auf wen dieses sie sich eigentlich bezieht. Immerhin kommen sowohl Ragnami als auch Alifha für dieses Personalpronomen in Frage. zurück
Und spätestens an dieser Stelle taucht dann ein Problem auf. Hat der Leser das sie vorher nämlich auf Alifha bezogen, ergäbe sich hier ein Widerspruch zu der Aussage und sie roch es auch nicht. zurück
Erneut dieses nebelhafte sie. Dafür kommen in diesem Fall Alifha oder Ragnami oder Alifha und Ragnami oder ganz allgemein die Frauen des Dorfes in Frage. Die Gefahrenzone reicht damit von eng begrenzt bis sehr weit. Es wäre schön, wenn das noch etwas präziser gesagt werden könnte. zurück
Wo bewahrt Semari seine Pfeile eigentlich auf? Etwa mitten im Freien? Immerhin muss Alifha offenbar einfach nur die Hand ausstrecken, um an die Waffen zu gelangen. Und wieso hat Semari die Pfeile überhaupt zurück gelassen? Benötigt er die nicht eigentlich für die Jagd? Dann wieder diese zweifelhafte Geschichte mit den nachträglich angebrachten Pfeilspitzen. Schlimmer noch: Statt die anderen Frauen zu warnen, setzt das Mädchen sich hin und fertigt ungeachtet der nahenden Gefahr erst noch gemütlich die entsprechende Waffe an. Bitte: Wie glaubwürdig ist denn das? zurück
Auch dieser Satz ist wieder viel zu umständlich konstruiert. Warum heißt es nicht einfach: Aus dem Ledersäckchen an ihrem Gürtel holte sie eine Beere? zurück
Besser: Ihre Mutter schlug die Hände vors Gesicht. Sonst könnte man den Satz auch so interpretieren, dass Ragnami die Hände vor Alifhas Gesicht schlägt. Bleibt noch die Frage: Warum tut Ragnami das überhaupt? Angst um die Tochter kann es ja eigentlich nicht sein, denn bisher deutet nichts darauf hin, dass außer Alifha noch jemand die Gefahr bemerkt hat. Außerdem ist es im Grunde genommen gar nicht so wichtig, was die Mutter in diesem Moment tut, solange Alifhas Tätigkeit dadurch nicht beeinflusst wird. zurück
Und wieder ein Satz mitten im Aufbau. Sprachlich korrekt müsste es heißen: Alifha tränkte die Pfeilspitze mit dem Saft der Beere, die sie vorsichtig zwischen zwei Holzstücken zerrieb; sie achtete sorgfältig darauf, dass kein Tropfen daneben ging. Dazu kommen auch hier wieder logische Ungereimtheiten: Wie kann es sein, dass kein Tropfen verloren geht, wenn doch offenbar nichts da ist, das den gewonnenen Saft auffangen könnte? Darüber hinaus werden Pfeilspitzen für gewöhnlich aus Knochen, Steinen, Dornen oder ähnlichen Materialien gefertigt, die allesamt nicht saugfähig sind. Der Ausdruck tränkte ist in diesem Zusammenhang folglich nicht korrekt. Mein Vorschlag wäre: Alifha befeuchtete die Pfeilspitze mit dem Saft der Beere. Bestenfalls noch: Alifha zerrieb die Beere auf der Pfeilspitze, befeuchtete die Waffe mit dem giftigen Saft. zurück
Dieser Satz ist überflüssig. Er wiederholt nur noch einmal in etwas abgewandelten Worten die Aussage des vorhergehenden Satzes. zurück
Wenn schon, dann lief sie auf leisen Sohlen und mit weichen Schritten an den Hütten vorbei. zurück
Alifha und der Jaguar rennen aufeinander zu, die Katze springt über das sich duckende Mädchen hinweg – und das alles auf einer Länge von gerade einmal fünf Schritten? Ich glaube, es wäre ganz gut, einmal über die Wahrscheinlichkeit der hier angegebenen Distanz nachzudenken. Und wäre ein Speer für einen solchen Angriff nicht ungleich besser geeignet? So ein Jaguar ist schließlich keine Hauskatze. Noch etwas: Wenn Alifha sich so sehr für die Jagd interessiert, wie in dem ursprünglichen, unkorrigierten Text behauptet, wäre es doch nur logisch, wenn sie eigene Waffen angefertigt hätte, also Pfeile und einen Bogen, auf den sie jetzt ebenfalls zurückgreifen könnte. Falls Alifha einen Wurfpfeil benutzt, müsste das, wie zuvor schon bei Semari, noch einmal betont werden, indem statt Pfeil die präzise Bezeichnung Wurfpfeil verwendet wird. zurück
Und ihm auch nichts gebracht hätte, da er es offenbar nicht für nötig hält, sich umzudrehen. Immerhin befindet sich Alifha mittlerweile doch wohl hinter dem Jaguar, zumindest jedoch auf gleicher Höhe mit ihm. In jedem Fall jedoch muss der Jaguar sich in eine andere Richtung wenden, wenn er sich wieder auf das Mädchen stürzen möchte. zurück
Wenn man das sich aus dem Satz herausstreicht, klingt er weniger holprig. Außerdem klingt: und stocherte an seiner Pfote herum nicht wirklich passend. Besser wäre: und stieß damit gegen die Pfote der großen Katze. zurück
Worüber sollten sie denn auch traurig sein? Etwa darüber, dass der Jaguar ihnen eben keinen Schaden zugefügt hat? Die eigentlich relevante Erklärung für jenen Heulton ist der Triumphschrei. zurück
Korrekt müsste es heißen die Kunde einer bedeutenden Heldentat. Außerdem könnte man auch diesen Satz wieder problemlos in zwei Sätze aufteilen und präzisieren: Die erwachsenen Frauen verfielen in einen lang gezogenen Heulton. Es war ein Triumphschrei, der die Kunde dieser bedeutenden Heldentat über mehrere Kilometer weit trug. zurück
Erstens ist die Gleichsetzung von Jägern und Kriegern nach wie vor nicht korrekt, auch wenn ich das jetzt nicht wirklich jedes Mal explizit angestrichen habe. Zweitens würde ich statt die anderen Jäger hier nur die Jäger schreiben, denn immerhin ist Alifha ja (noch) nicht als vollwertige Jägerin anerkannt. Drittens kann man statt den Kadaver auch das Fleisch sagen. Und viertens würde ich vorschlagen, das Fleisch zu zerteilen zu schreiben, denn geborgen hat Alifha die Beute ja schon. zurück
Um diesen Satz erst einmal zu entwirren, würde ich spannte Alifha das Fell in einen aus Ästen und Zweigen geflochtenen Rahmen vorschlagen. Dann bleibt noch die Frage, warum dieser Rahmen eigentlich so wichtig ist. Antwort: Er ist es nicht. Also könnte man den Satz ganz einfach kürzen: Gemeinsam mit Semari, der sehr stolz auf seine Tochter war, spannte Alifha das Fell zum Trocknen aus. zurück
Auch hier tendiere ich wieder dazu, den Kiefer in die Zähne ändern zu wollen, immerhin sind die Zähne das eigentlich Bedeutsame. Außerdem würde ich noch schließlich hatte sie das Tier erlegt schreiben. So lässt sich die Doppelung des Wortes Jaguar vermeiden. zurück
Wurde dieses Klischee denn immer noch nicht ausreichend strapaziert? Diesen Zusatz würde ich streichen. Zudem wird der Satz dadurch auch wieder kürzer und weniger kompliziert. Und spätestens hier sollte eigentlich auch deutlich werden, dass Jäger und Krieger zwei unterschiedliche Bezeichnungen sind: Alifha hat sich als Kriegerin bewiesen und darf jetzt mit auf die Jagd – nicht etwa mit in den Krieg. Meiner Meinung nach sollte der Satz, wenn überhaupt, folgendermaßen lauten: Die Ältesten berieten über dieses Ereignis und kamen einstimmig zu dem Ergebnis, dass Alifha alle guten Eigenschaften eines Jägers in sich trug und mit ihrem Mut bewiesen hatte, dass sie für die Jagd geeignet war. zurück

© 2003 by Nicole Thomas. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.