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Textkritik: Herbst, kein goldener – Prosa

Eine Textkritik von Malte Bremer

Herbst, kein goldener

von Ute Mossa
Textart: Prosa
Bewertung: von 5 Brillen

Nicht, dass ich das Fehlen jetzt beklage: das sonnige Wetter mit der Glut der herbstlichen Farbenpracht und mit der vom Duft vollreifer Früchte geschwängerten Luft, den Wind, der die Blätter der Bäume auf den herbstlichen Tanz vorbereitet, die wärmende Mittagssonne, die die Menschen aufrechter gehen lässt und ihnen ein Lächeln in’s Gesicht zaubert
Gebannt verfolgen mich bei dem Ankommens-Rundgang durch meinen Garten die Blicke von Nachbars Schafen. Ich laufe nicht mehr barfuß. Auch die Hühner unterbrechen plötzlich ihr unentwegtes Scharren und Picken, um mir hinterherzuschauen. Meine Schuhe sind nass. Es hat sich ausgesommert: Ein Kirschkernteppich als übrig gebliebene Spuren sommerlichen Überflusses unter den Bäumen; gelbe und rote Äpfel, die mangels einer anderen Bestimmung ihren Weg zur Erde angetreten haben. Ich sehe: Für Stare und kleines Getier mit Appetit auf Kirschen und Äpfel ist mein Garten ein Überlebensraum. Ich teile gern.
Die sonntägliche Wolkendecke ist von bester Qualität: dick, reißfest, wasserspeichernd, wärmeabweisend. Heute fällt der Tanz aus. Nur der Schwerkraft gehorchend, fallen die vom nächtlichen Regen feuchten Blätter zur Erde. Unbeeindruckt von allem recken die Dahlien in der Nachbarschaft ihr goldgelbes Antlitz in den bedeckten Himmel.
Der prächtige Nussbaum, mein Refugium lauer Sommerabende, entledigt sich seiner Früchte. Schwarzen, fauligen Pflaumen gleich umklammert die schützende Hülle noch am Boden den kostbaren Inhalt. Weihnachtliche Nuß-Köstlichkeiten vor meinem inneren Auge, nehme ich weiter nasse Schuhe in Kauf und klaube tapfer Nuß für Nuß aus dem schwarzen, schmierigen Etwas. Leere Schalen, kreisrunde Löcher in goldbraunen Walnüssen lassen mein Herz höher schlagen. Auch mit hungrigen Eichelhähern und Eichhörnchen teile ich gern.
Ein Sonnenstrahl trifft mein Gesicht. Die Welt ist nicht wärmeabweisend. Ich öffne mein Herz. Sanft schwebend kokettiert in meiner Nähe ein Pfauenauge mit der Sonne. Formationen laut schnatternder Wildgänse am Himmel unterbrechen die Stille. Ich schaue ihnen nach. Haben auch sie auf die Sonne gewartet?

© 2007 by Ute Mossa. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Diese Schilderung wird dem Thema nicht gerecht, sondern der letzte Absatz stellt es auf den Kopf! Dieser müsste ersatzlos gestrichen werden, wollte man dem Text noch eine Kleinigkeit abgewinnen.
Sonst überwiegt leider das Übliche: überflüssige Wiederholungen, Probleme mit Grammatik und Rechtschreibung, schiefe Bilder. Zu selten zeigt sich sprachliches Ausdrucksvermögen.

Die Kritik im Einzelnen

Der Beginn ist höchst missverständlich: Die Überschrift stimmt ein auf den ungoldenen Herbst, und schon zu Beginn der Schilderung wird das Fehlen nicht beklagt. Logischerweise erwartet man jetzt, dass das Fehlen des goldenen Herbstes nicht beklagt wird. Es scheint auch so zu sein, denn da ist vom sonnigen Wetter mit der Glut der herbstlichen Farbenpracht die Rede, von vollreifen Früchten, also der Erntezeit – aber dann bereitet der Wind die Blätter (überflüssigerweise: die der Bäume, nicht die der Hefte …) auf den herbstlichen Tanz vor: Ja, was jetzt? Doch noch kein Herbst? Sollte es etwa der Sommer sein, dessen Fehlen nicht beklagt wird? Leuchtet das Sommersonnenwetter in den Farben der herbstlichen Pracht (was bleibt dann dem Herbst, wenn der Sommer ihm sogar die Farben weg nimmt?)?. Im Herbst wird geerntet, das ist einfach so, auch wenn sich manche Früchte nicht daran halten. Und die Mittagssonne wärmt offenbar auch nur im Sommer und sonst nicht, will man dem Erzähler-Ich glauben, tu ich aber nicht: Falls die Mittagssonne tatsächlich die Menschen aufrechter gehen lässt und ihnen ein Lächeln ins (genau: ohne Apostroph, der im Deutschen für 1 fehlenden Buchstaben steht: wenn schon, müsste man in ”s schreiben) Gesicht zaubert, dann tut sie das viel eher mitten im kalten Winter als in der Gluthitze des Sommers! Und sonst? Nun: zweimal kommt das Adjektiv herbstlich vor in dieser nicht-fehlenden Sommeridylle, und zwei Sonnen scheinen – das ist ein bisschen viel aufs Mal! zurück
Was ist das? Gibt es auch noch einen Weggehens-Rundgang? Pennt das Erzähler-Ich normalerweise im Garten und hatte diesen versehentlich verlassen, so dass es jetzt einen Ankommens-Rundgang zelebrieren muss? zurück
Jajaja, die plötzliche Unterbrechung im Gegensatz zur langsamen, kriechenden, zeitaufwändigen … zurück
1 Teppich als Spuren? Verbesserungsvorschlag: Zwei Kirschkernteppiche als übrig gebliebene Spuren (sofern es zwei Kirschbäume gab) oder Ein Kirschkernteppich als übrig gebliebene Spur zurück
Die Spur findet sich logischerweise unter 1 Baum – jetzt ist aber von unter den Bäumen die Rede, also gibt es wohl ein Rudel Kirschbäume (ich nehme nicht an, dass sich unter einem Mirabellenbaum so mir nichts dir nichts ein Kirschkernteppich bildet)! Zudem sind die Spuren erkennbar: Es sind Kirschkerne! Und da man sie als solche erkennt, müssen sie notwendig übrig geblieben sein; wozu auch das noch betonen? Warum denn nicht gleich und kürzer, etwa: Kirschkernteppiche als Spuren sommerlichen Überflusses? Da wären dann mehrere Bäume impliziert, ohne dass man die noch draufsatteln muss … zurück
Nanu? Sie Äpfel haben ihren Weg angetreten? Sie liegen also keineswegs auf dem Boden, sie sind nicht zur Erde gefallen, sondern befinden sich irgendwo zwischen Baum und Erde und müssen gegen die Erdanziehung ankämpfen, letztlich aber doch unterliegen, da ihr Weg zur Erde unausweichlich ist? Oder soll hier Asche zu Asche, Erde zu Erde assoziiert werden, was das zur aber nachhaltig verhindert? zurück
Wer es noch nicht wusste: Stare gehören zum großen Gevögel und sind offenbar die einzigen gefiederten Kumpel, die die Kirschen des Erzähler-Ichs gemocht haben …(achje, es ist eine Qual) zurück
Der erste Satz der mir gefällt, denn er verlässt die üblichen Schemata (bislang gab es nur ein überraschendes Wort, dass ich noch loben kann: ausgesommert). Allerdings ist bei wärmeabweisend zu bedenken, dass Wolken in beide Richtungen Wärme abweisen, gemeint ist aber wohl nur die Behinderung der Sonnenstrahlen. zurück
Zu ergänzen: … und überholen dabei die Äpfel, die immer noch unterwegs sind. zurück
Spannend: Was treiben die Dahlien, die nicht in der Nachbarschaft hausen? Schauen diese in die Röhre? Warum diese unnötige Präzision? Zudem erinnere ich mich, dass in der Nachbarschaft vor allem Schafe leben: Tun die den Dahlien nichts? zurück
Der Mensch hat ein Gesicht, die Dahlie ein Antlitz … was bleibt dann dem HErrn? Das ist heftig kitschig! zurück
Davon ausgehend, dass sich nicht die lauen Sommerabende unter den Nussbaum zurückgezogen haben, sondern in ebendiesen Sommerabenden das Erzähler ich unter solch, würde ich das auch so schreiben: mein Refugium in lauen Sommerabenden. zurück
Ja wie: Nussbaum, aber Nuß-Köstlichkeiten? Einfach bei Nuss bleiben, es ist so einfach: kurz und stimmlos, also Doppel-s! zurück
Ach ja, die Nüße! zurück
Schwarz war doch gerade erst: Schwarzen, fauligen Pflaumen gleich! Da steht doch alles! Warum all diese überflüssigen Wiederholungen? zurück
Tja, damit wäre der schönste Satz hinfällig: beste Qualität, dick, reißfest, wasserspeichernd, wärmeabweisend. Ein einsamer Sonnenstrahl hat sie einfach zerstört … zurück
Und warum, bitte? Es geht nicht um den goldenen Herbst, versprach die Überschrift – und jetzt wird er unversehens golden? Das enttäuscht maßlos! Die Überschrift müsste ehrlicherweise heißen: Herbst, endlich golden! zurück

© 2007 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.

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