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Textkritik: Heimat der Heimatlosen – Prosa

Eine Textkritik von Malte Bremer

Heimat der Heimatlosen

von Nora Skreid
Textart: Prosa
Bewertung: von 5 Brillen

Es schmerzte Klaus, hier zu stehen und den ausfahrenden Zügen nachzuschauen. Doch immer wieder zog es ihn an diesen Ort zurück. Dem Hamburger Hauptbahnhof mit seinen vielen Bahngleisen und den unzähligen Zügen, die in alle Richtungen davon fuhren. Denn sie fuhren auch in seine alte Heimat, nach Dortmund.
Dort hatte er noch ein Leben gehabt. Ein Leben mit Familie, einer anständigen Arbeit und einem gemütlichen Zuhause.
Jetzt stand Klaus hier in der Wandelhalle des großen Bahnhofes am Geländer und blickte auf die Gleise unter ihm.
Wie so oft in letzter Zeit dachte er, was sollte er noch hier?
Sein Leben ist verpfuscht.
Sicher er hatte seine Trinkkumpane. Zum Beispiel Herbert, der ihn das letzte Mal, kurz bevor er springen wollte, von hier weggezogen hatte.
Aber mit Herbert hatte er sich heute Morgen wegen der Flasche Korn gestritten, die Herbert ihm noch schuldete.
Da war er wieder, der Wunsch. Nur über das Geländer klettern! Dann wäre alles vorbei. Jetzt gleich!
»Spring du dummer Kerl, sonst verpasst du auch diesen Zug!« »Sei doch kein so jämmerlicher Feigling, mach endlich Schluss! Du hast nichts mehr zu verlieren, dein leben ist kein Pfifferling mehr wert!« »Spring endlich
Seine Gedanken wurden immer schwerer und er nahm unwirklich wahr, was um ihn herum geschah.
Hunderte von Leuten liefen hektisch zu ihren Zügen, wuchteten schweres Gepäck, redeten wild durcheinander.
Plötzlich sah er ein junges Pärchen auf dem Bahnsteig unter ihm. Sie standen engumschlungen und küssten sich leidenschaftlich. Klaus konnte sehen, dass sie weinte.
Fortgerissen aus seinen Gedanken zu springen, stand er hier, allein und fragte sich, wie das alles nur geschehen konnte.
Er wusste, der verdammte Alkohol war schuld. Seine Frau verließ ihn, weil sie seine Sauferei nicht mehr ertragen konnte. Dabei hatte er doch so sehr versucht aufzuhören…..
»Beeilung, Beeilung, sonst verpassen wir noch den Zug!« Schnauzte ein Vater seinen kleinen Sohn im Ruhrpottdialekt an. Klaus wollte sich gerade umdrehen und etwas zu dem Mann sagen, als ihm jäh bewusst wurde, wie er aussah. Seine ausgebeulte Hose, sein zerschlissener Mantel, seine gelben ungeputzten Zähne, sein wildwuchernder Bart, seine verfilzten Haare und sein vom Alkohol gezeichnetes Gesicht. Er wusste genau wie die Leute auf ihn reagierten. Sein letztes bisschen Stolz ließ es nicht zu, dass er sich herablassenden Blicken oder abfälligen Bemerkungen aussetzen würde. Also versank er wieder in Gedanken.
Nachdem seine Frau fort war, soff er sich die Seele aus dem Leib. Sie hatte den gemeinsamen Sohn mitgenommen, dieses verdammte Miststück. Klaus wollte damals nicht mehr in der gleichen Stadt wie sie leben und kam nach Hamburg.
Hier lernte er Gerda kennen, mit der er ein Jahr lang zusammenlebte. Doch mit der Sauferei war trotzdem nicht Schluss. Auch Gerda konnte es deshalb nicht mit ihm aushalten, also trennte auch sie sich von ihm.
Eine Stimme gab über Lautsprecher durch: »Vorsicht an der Bahnsteigkante, der Zug fährt in wenigen Minuten ein
Klaus fiel zurück in seine alten Gedanken und stellte sich vor, wie er gleich über das Geländer klettern würde, sich einfach fallen lassen würde und alles wäre vorbei. Seine quälenden Gedanken hätten endlich ein Ende.
Nach der Trennung von Gerda hatte er keine Arbeit, bekam keine Wohnung und Geld fehlte ihm auch. Er wurde obdachlos. Schlief unter der Lombardsbrücke, trieb sich herum und verdiente sich ein paar Mark mit Gelegenheitsarbeit. Er ließ sich mehr und mehr gehen. Ertränkte seine Einsamkeit in Alkohol.
Es verging kein Tag, an dem er nicht an seinen Sohn und seine Frau dachte. Doch er wusste, es gab kein zurück mehr.
Wie sein Sohn, er müsste mittlerweile fünfzehn Jahre alt sein, wohl heute aussah. Und seine Frau, die er immer noch glaubte zu lieben, hatte sie inzwischen wieder geheiratet? Klaus würde es nie erfahren, denn seine Mutter, die einzige Verbindung zu seinem alten Leben, war vor einiger Zeit gestorben. Was ihm blieb, war die Hoffnungslosigkeit und der Alkohol.
»Du musst jetzt springen, sonst verpasst du den richtigen Moment.« Sagte er zu sich selber, aber sein Körper weigerte sich, zu reagieren. Er bewegte sich nicht! Stand wie angewurzelt da und sah, wie der Zug immer näher kam. Dann fiel ihm Herbert wieder ein, schließlich schuldete der ihm noch eine Flasche Korn. »Nee Alter, so billig kommst du mir nicht davon!« Murmelte Klaus vor sich hin.
Er dachte an seine anderen Kumpels unter der Lombardsbrücke, die mit Klaus das wenige was sie hatten, teilten. Sich gegenseitig stützten. Mit ihnen konnte er lachen, saufen und streiten. Sie waren es, die ihn ab und zu ein Stückchen Heimat spüren ließen.
War sein Leben wirklich so trostlos? Sicher, der Zug in sein früheres Leben war abgefahren. Aber er lebte. Sollte er sein Leben wirklich wegwerfen?
Der Zug auf Gleis 12 fuhr ein. Klaus blickte hinunter.
»Herbert! Du Betrüger!« Rief er lautlos.
Der Zug war jetzt direkt unter ihm. Er beugte sich weit vor, seine Füße berührten nicht mehr den Boden. Sein Oberkörper hing über dem Geländer.
Er holte tief Luft und sagte still vor sich hin, »Ich habe Durst Herbert, ich komme!« Er spuckte  aus voller Kehle auf den Zug!
Dann drehte er sich um und verschwand in Richtung »Heimat«.

© 2009 by Nora Skreid. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Zerschlissener Betroffenheits-Kitsch in ranzigem Klischeeschmalz

Die Kritik im Einzelnen

An dieser Stelle hätte ich normalerweise ein Weiterlesen abgelehnt, denn der hier versammelte Kitsch ist schlichtweg würgwürdig: Immer wieder zog es Klaus an diesen Ort zurück, weil dort unzählige Züge in alle Richtungen davonfuhren, sogar nach Dortmund … Wovor die Überschrift eigentlich schon gewarnt hatte durch das alberne Paradoxon Heimat der Heimatlosen, wird hier wahr: Hach, die armen Obdachlosen / Ausländer, die immer im Bahnhof lungern, weil sie sich dort ihrer wahren Heimat näher fühlen, jammer & schluchz & schnief.
Ein Bahnhof hat entschiedene Vorteile: Er ist trocken und warm, man bekommt leicht Nahrung, weil vieles nur angegessen im Papierkorb versorgt wird, Leute vergessen Gepäck oder sind diesbezüglich unachtsam; man muss nur aufpassen, nicht auffällig zu lungern, sonst wird man entfernt. Was also soll dieses Klischee von den heimatschluchzenden Sehnsüchtlern?
Statt über unzählige Züge zu schwafeln, hätte ein Blick ins Internet genügt: 2006 gab es 805 durchschnittliche tägliche Zughalte – mit S-Bahn-Verkehr (aber die fährt nicht nach Dortmund) wären es 1020 mehr; und Rechnen bis in den Tausenderbereich lernt man bereits in der Grundschule … Klaus hätte die problemlos zählen können, wenn er nicht gerade an der Kornflasche hing! Aber: unzählig hat halt so was Übermäßiges, sowas Gewaltiges, Jenseitsmäßiges, man mag da – Hach! – gar nicht dran denken, an das ewig unendlich Kitschige … zurück
Erfreulich, dass er erst in letzter Zeit sowas dachte – vorher hatte er nämlich anderes gedacht: Die Tuss ist garnicht schlecht oder He, das war doch fast noch ein ganzer Hamburger oder Der glaubt bestimmt, dass ich Heimweh habe … zurück
Tja, wer hätte das gedacht: es gibt tatsächlich Obdachlose mit einem verpfuschten Leben! Das musste mal gesagt werden – Hach, die Armen, jammer & schluchz & schnief. zurück
Nach Sicher müsste ein Komma stehen; und jetzt dürfen wir gespannt sein: Was hat Herbert getan, bevor er (also Herbert – so schreibt es die sprachliche Logik vor!) springen wollte? Lebewohl gewonken? Klaus sein letztes Hemd geschonken? Das Lied Heimat, deine Sterne angestimmt? zurück
Bevor Herbert eigenfüßig sprang, hat er noch schnell Klaus vom Gitter weggezogen: »Das ist meine Absprungrampe, such dir eine eigene!« hat er wütend gebrüllt! Hach, diese armen Verpfuschten, was machen die aber auch für Sachen! zurück
Richtig, diese Klischee hat bislang gefehlt: Heimatlose heimatsuchend-suizidgefährdete Obdachlose mit ihren verpfuschten Leben sind notwendig alle Alkoholiker – Hach, die Armen: jammer & schluchz & doppelschnief. zurück
Herbert ist nämlich nicht da, da er keine Flasche Korn hat; folglich kann Klaus aus Rache jetzt Herberts Absprungrampe benutzen! zurück
Das also geht in den Köpfen der Hamburger obdachlosen Alkoholiker aus: Immer stehen sie an Bahnhofsgeländern und wollen auf die Gleise springen, und bei jeden der 1825 Züge spuken diese Sätze durch ihre Köpfe, und jedes Mal denken sie ihr leben (mit kleinem Anfangsbuchstaben statt mit großem, weil es ja eh schon verpfuscht ist); und wenn zu allem Elend Herbert nicht kommt, der die selbstmordgewillten Feiglinge zurückreißt, lassen sie es von allein bleiben. Welch entsetzlich sinnlos Leben, schluchz & doppeljammer & schnief. zurück
Was war an den Gedanken über Pfifferlinge und Feiglinge schwer? Und wie nimmt man unwirklich wahr?? Klaus sieht doch anschließend alles irgendwie ganz normal??? Klaus, das unergründliche Wesen, halb Mensch, halb Alkohol, halb obdachlos – alles so schwer zu denken! zurück
Fragen, Fragen, Fragen: Wieso redeten Hunderte von Leuten wild durcheinander? Hatten nicht wenigstens 37 davon einen Gesprächspartner? Oder hatte Klaus sie unwirklich gefragt, was sie denn sonst wollten, und sie hatten ihm durcheinander irgendwas zugerufen (Korn, Ablass, Heimat …), weil sie als Fernsehwerbungverächter die einzig richtige Antwort nicht wussten?
Wieso sah er plötzlich ein Pärchen? War das in sein Blickfeld gebeamt worden? Oder hat er es nicht eher plötzlich wahrgenommen oder entdeckt?
Warum ist unter ihm ein Bahnsteig – er wollte sich doch von oben auf die Gleise vor einen Zug stürzen – oder war das vorhin gelogen? Wollte er von oben schräg auf die Gleise springen?? Warum so umständlich???
Wie was alles geschehen konnte: Die Hunderte hektischen Gepäckwuchter? Das Pärchen mit der – schließlich sind alle Frauen per Geburt Heulsusen, so will es das Klischee! – weinenden Sie beim leidenschaftlichen Kuss, die dabei auch noch durcheinander redeten? Nun: Die Antwort ist einfach: das hat sich ein Erzähler ausgedacht, der nicht nachgedacht hat. zurück
Solch ein Satzzeichen gibt es nicht: Wird ein Satz unterbrochen, folgen nach einem Leerzeichen 3 Punkte … aber wird ein Wort angewürgt, folgen diese Punkte ohne Leerzeichen. So einfach ist das, kann man auch im Duden nachgucken, sofern man einen besi…
Was vor diesem Punktehaufen steht, kitscht und klischeet munter weiter vor sich hin: Schuld war nur der Bossa Nova – schön wär’s gewesen: Selbstverständlich ist Alkohol der große Lebens- und Ehezerrüttler (und keinefalls das, was zum Alkoholismus führt). Was Klaus’ lächerliches Gewimmere angeht, er hatte »doch so sehr versucht aufzuhören«, so kann ich ihn nur an Mark Twain hinweisen, der angeblich gesagt hat: »Es ist ganz leicht, sich das Rauchen abzugewöhnen; ich habe es schon hundertmal geschafft.« zurück
Vater Schnauzt (Ganz doll laut, deswegen mit großem S) Kind an – so sind halt Väter, kennen wir, wissen wir – außerdem im Ruhrpottdialekt: hätte ich gerne in genau diesem Dialekt gelesen, jetzt müsste ich mich selbst darum kümmern, wie der sich anhört, weil der Erzähler zu faul ist, mir das nahe zu bringen (mache ich aber nicht, lohnt sich nicht bei diesem Text). Und da wir dummen Leser noch nie eines Obdachlosen ansichtig geworden sind, werden wir jetzt ausführlich unterrichtet, wie sowas aussieht: Die Hose ist ausgebeult (hach, wie schröcklich!), der Mantel, merket auf: er ist zerschlissen (Oh nein, das kann nicht sein, ach der arme Mantel, doppelschluchz & und jammerschnief!), seine Zähne (nein: nicht die des Mantels: die des ODLs) sind gelb und außerdem noch ungeputzt (letzteres riecht man nur – es könnte allerdings auch eine Krankheit sein – also kommt ihm nicht zu nahe!), sein Bart wuchert wild (Iiiiih), ist aber im Gegensatz zu seinen sonstigen Haaren nicht verfilzt (da bin ich aber froh!), und sein Gesicht (also das, was zwischen wildwucherndem Bart und verfilzter Haarpracht minus ungeputztem Zahngelb noch zu sehen ist) ist von Alkohol gezeichnet.
So stellt sich Hänschenklein den Obdachlosen vor, so ist das Klischee, und das wird hier als Literatur angedient …*#§?!]^°…
Wo hat jemand noch ein letztes bisschen Stolz, der sich umbringen will? Weil er nicht schräg auf die Gleise gesprungen ist? Und wieso beim Höllenelement hält sich unser Klischee ausgerechnet im bevölkerten Bahnhof auf, wenn er herablassende Blicke oder abfällige Bemerkungen vermeiden will? Damit er in Gedanken versinken kann statt im Alkohol? zurück
Also: Wenn ich Klaus gewesen wäre … WENN ICH KLAUS GEWESEN WÄRE, dann hätte ich mich wahnsinnig gefreut, wenn meine Frau das verdammte Miststück, nämlich unseren gemeinsamen Sohn, mitgenommen hätte! Vielleicht war das verdammte Miststück Sohn ja der Grund für Klaus’ Alkoholismus!
Aber wieso hat Klaus eigentlich noch Gefühle (z. B. Stolz oder Mitleid – mit dem angeSchnauzten Jungen), wenn er seine Seele bereits aus dem Leib gesoffen hat? Ach ja: Über die blaade Gerda, die sich einen seelenlosen Säufer zulegt, muss man eigentlich kein Wort verlieren – und warum Klaus überhaupt an sie denkt, wo doch nur der Alkohol schuld war, er also besser an den bösen Alkohol gedacht hätte (sofern er überhaupt denkt, was der Erzähler schließlich bislang nicht nachweisen konnte): das weiß niemand. Muss man auch nicht wissen, ist halt irgendwie so hingeschrieben worden. zurück
Klaus ist tatsächlich noch in der Lage zu erkennen, dass da eine Stimme spricht in der Ansage, und nicht etwa ein Nageleisen oder ein zerschlissener Mantel! Kompliment! Auch den Leser freuts, denn manch einer auf Bahnhöfen ist sich des Ursprungs von dem Geknarze aus den Lautsprechern nicht so sicher. Eigentlich aber hätte die reine Ansage genügt, um Klaus zurückzubefördern aus seinem drögen Hirnen. zurück
Jetzt will sich der Kerl tatsächlich auf den Bahnsteig unter ihm plumpsen (einfach fallen) lassen – von dem sportlichen Schrägspringen auf die Gleise will er nichts mehr wissen: lieber scheintot als tot! Das Delirium hat inzwischen wohl das Stadium der Demenz erreicht, das Kurzzeitgedächtnis ist dahin! zurück
Jetzt zerbröselt auch noch das Langzeitgedächtnis! Klaus erinnert zu Beginn, dass er in Dortmund noch eine anständige Arbeit gehabt hätte; bei Gerda hat er nur noch gesoffen. Jetzt heißt es hier schwarz auf weiß: Nach der Trennung von Gerda hatte er keine Arbeit. Was folgt daraus? Da die Arbeit bei Gerda offenbar keine anständige war (wie die in Dortmund), war es folgerichtig eine unanständige; Und da diese Arbeit mit Gerda verschwand, heißt das nichts anderes, als: Klaus war ein Jahr lang erfolgreich Zuhälter, und Gerda seine Mieze, die seinen Alkoholkonsum finanzierte.
Vorher hatte er gesoffen, weil er gesoffen hatte, jetzt säuft er, weil er einsam ist; er hatte sich in Dortmund bereits die Seele aus dem Leib gesoffen, war also eher zombiemäßig unterwegs; aber nachdem seine Nutte weg war, ließ er sich mehr und mehr gehen: Was zum Kuckuck war denn da noch, was er hätte können gehen lassen??? Was ist das für ein sinnloses Geschwätz? Und zu allem Überfluss denkt er tagtäglich an seine Frau und das Miststück Sohn, obwohl seine Einsamkeit erfolgreich ertränkt wurde: Dazu fällt mir nichts mehr ein! zurück
Und weiter im bodenlosen Triefschmalz: Wie hätte seine Frau wieder heiraten können, wo Klaus doch nie geschieden war? Ach, hat er ganz vergessen? Was solls, schließlich ist Scheidung auch schlimm, muss also mit hinein in dieses Betroffenheitsmatsch.
Abgesehen davon bleibt die hochgradige Demenz – er hat sogar vergessen, dass Hoffnungslosigkeit und Alkohol zwei Dinge sind; eigentlich blieb ihm der Hoffnungslosigkeitsalkohol – ansonsten hätte es blieben heißen müssen, jammer & schreikreisch! zurück
Der Alkohol hindert ihn nun am Springen (da ist sie wieder, die sportliche Variante), und plötzlich ist sein Leben weder hoffnungslos noch einsam – wegen der tollen Brückenkumpel: Nun, warum säuft er dann, wenn da keine Einsamkeit zu ertränken ist, keine Sehsucht nach Frau und Miststück ihn piesackt, die Lombard(s)brücke Heimat ist? Na? Also nur eingebildet? Nein – aber die Rache an Herbert ist’s, die ihn am Leben hält: Da wartet eine Flasche Korn auf ihn! Na prima! Wenn er die geleert hat, kann er springen oder sich fallen lassen auf wohin auch immer. Doch irgendwie nehme ich das nur als unwirklich wahr, auch, dass er Murmelt statt murmelt ... zurück
Hat es je einen Zug in sein früheres Leben gegeben? Nein – also kann der auch nicht abgefahren sein! Warum Rief er? Und warum rief er lautlos? Ich weiß es: Sein Kehlkopf war nämlich mit Spucke gefüllt! Wenn unter ihm der Bahnsteig war, wo Hunderte Koffer wuchteten – wieso fährt der Zug jetzt dort statt auf den Gleisen, wie es sich gehört? Wie kann man mit spuckegefüllter Kehle tief Luft holen? Wie kann man mit spuckegefüllter Kehle reden? Und wie könnte jemand mit nicht verstopfter Kehle still reden? Seit wann habe Dürste Namen? Klaus seiner heißt jedenfalls »Herbert« – genau wie sein Erzkumpel, er spricht sogar mit ihm still und vergewissert sich dessen: »Ich habe Durst Herbert!« – »Wunderbar, und ich habe Durst Irene!« So werden Besitzverhältnisse geklärt. Dann endlich spuckt er aus voller Kehle, mit der er all das zuvor gar nicht hätte tun können. Tja, Obdachlose sind halt anders, Alkohol, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit, verschlissene Mäntel und Miststücke von Kindern machen alles möglich … sogar solche Texte, kopfschüttel & stöhn & augenverdreh …zurück

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