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Textkritik: Dieser Text sitzt nicht so richtig

Texte über menschliche Schwächen und Unarten können durchaus amüsant sein – wenn sie gut gemacht sind. Es fallen einem Wilhelm Busch, Heinz Erhardt oder Eugen Roth ein.

Doch Vorsicht mit dem spitzen Sprachwerkzeug! Setzt man den Leser allzu deutlich an die Stelle der Kritisierten und erhebt man sich als Autor über ihn, dann wird ein Text schnell zur Moralpredigt und verfehlt sein Ziel. So geschehen bei dem Text, den sich unser Textkritiker Malte Bremer angesehen hat.

Der Sitzer

von Frank Panzer
Textart: Prosa
Bewertung: 1 von 5 Brillen

Und schön brav sitz …

INTRODUCTIONS: My name is … Nazywam się … What’s your name?

Häufig ist das Leben nur ein Warten auf das Sterben. Du sitzt jahrzehntelang rum. Schon bald nach dem kurzen Liegen und dem langen Aufstehen wieder hinsetzen.

Vielleicht schön im Cafe zu Croissant und Tee, aber meistens am PC.

Dein Arbeitsplatz im Rollstuhl mit 5 wohlgeformten Beinen. Chromglänzend oder Alu-gebürstet. Auf jeden Fall schöner als die eigenen. Armlehne, Rückenlehne, Lendenwirbellehne, Lordosenstütze. Flexibel verstellbar, bis alles verstellt ist.

Das hochgestellte Leben ersitzen im Off-Roader durch den Innenstadt-Stau. Das Gefühl von Macht und einen runden Popo kriegen. Sehr sexy, isn´t it?

Viele sitzen auch tief unten in den Rhein-Bahn-Verliesen, wie es sich lebende Ölsardinen nicht gerne gefallen ließen.

Aber immer organisiert, schnell und sichel, das ist doch der wahre Deutsche Michel.

Nach der Arbeit auch schon mal ein Stündchen am Tresen sitzen und über Deine Rückenschmerzen schwitzen. Gelbgoldene Gerste gibts gegen den Geschmack vom Büroschlafkaffee der Maulfechter. Fürs Bauchweh ein, zwei Jägermeister. Und noch ein, zwei hinterher für die gute Laune, wenn noch Kredit da ist. Ein kleines Leben.

Aber dann schnell nach Hause, denn da wartet schon das große Leben. Es ist auf DVD, wird gestreamt oder kommt einfach so aus dem HomeCinema 7.1. Hinein in den Kunst-Ledersessel und dann nur noch Breitband, Bruder. Das ist Deine Heimat, Hallelujah.

Während der ausgestrahlten Dauer-Werbungsendung schnell noch auf der Küchenarbeitsplatte hacken und Staub wischen. Immer wieder, bis nichts mehr geht. Dann kommt die Schlafenszeit, und Du kannst endlich davon träumen, was Dich bewegt. Mach doch.

© 2014 by Frank Panzer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Zusammenfassende Bewertung

Völlig verkorkste Moralinpredigt.
Ein paar angewandte Stilmittel machen noch keinen brauchbaren Text.

Die Kritik im Einzelnen

Was sollen diese INTRODUCTIONS? Nur wegen dem Anagramm mit den Buchstaben m,y,n,a,m,e,i,s? Schön.  Zum wahren Namen des Autors gibt es allein zehn!  Interessiert aber letztlich nicht, denn  es hat nichts mit dem folgenden Inhalt zu tun: Streichen! zurück

Schönes Spiel mit dem Reim Cafe-Tee-PC zurück

Das haut grammatikalisch nicht hin. Was ist gemeint: Das Gefühl von Macht und Einen-runden-Popo-Kriegen? Oder sollte es heißen: Das Gefühl von Macht. Und einen runden Popo kriegen.  Sollte letzteres der Fall sein, drängelt sich die Frage auf: Was ist das Besondere an einem runden Popo? Und was hat der wiederum mit einem SUV zu tun? zurück

Da ist nichts sexy! Das wäre allenfalls der Klischee-überfrachtete knackige … Brauchts so wenig wie die Introductions! zurück

Erneut ein Reim: Verliesen-ließen. zurück

Einfach nur albern ist der Deutsche Michel, der gern bemüht wird, um zu demonstrieren, dass man anders ist als die anderen, weil man den Durchblick hat. zurück

Jetzt klinkt sich der fiktive Erzähler aus: Ließe sich ein du bislang als allgemeine Ansprache verstehen, wird es jetzt dank der Großschreibung zur direkten Leseransprache, dem damit die Leviten gelesen werden: SO bist Du, und merkst es nicht einmal! Peinlich … zurück

Wieder ein Reim: sitzen-schwitzen. So weit, so gut, als Stilmittel erkannt! zurück

Als Stilmittel jetzt die Alliteration: fünf Mal ein g – Gleichzeitig wird Bierwerbung parodiert.  zurück

Diese Bewertung kann ersatzlos gestrichen werden. zurück

Eine schwächliche Alliteration und zusätzlich eine Anbiederung an den Deutschen Michel, denn der wird jetzt Bruder genannt  … ist das jetzt unfreiwillige Selbstironie, also ein Versehen? Oder ein bewusster Akt? zurück

Jetzt hat er’s dem Leser aber gegeben – Hallelujah! Wenn er jetzt nicht endlich aufwacht … Streichen! Das ist schon oberpeinlich! zurück

Wenn er nur bei einer „ausgestrahlten“ Dauer-Werbesendung auf der Küchenarbeitsplatte herum hackt, dann muss er dauernd auf ihr herumhacken, schließlich wird eine Dauer-Werbesendung dauernd ausgestrahlt  … das ging völlig daneben! zurück

Jetzt wird auch noch das Thema verlassen: Es ging doch wohl ums SITZEN! So etwas passiert halt, wenn man beim Drauflosschreiben den Faden verliert. zurück

Bis WAS nicht mehr geht? Das Hacken, weil die Arbeitsplatte wegen dem Dauerhacken kleinst gehackt ist, z. B. zu Staub? Der kann ja dann mit dem Staubtuch … Was soll’s! zurück

Nö! Hab ich keine Lust zu! zurück

© 2015 by Malte Bremer. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe – gleich welcher Art – verboten.