StartseiteBuchkritiken und TippsSelf-Publishing: Wo sind die Nadeln im E-Book-Heugebirge?

Self-Publishing: Wo sind die Nadeln im E-Book-Heugebirge?

Andreas-AckerIch habe mir einen Kindle zugelegt, nachdem mir ein vorzüglicher Roman empfohlen wurde, den es nur als selbstverlegtes E-Book gibt. Das Lesen auf dem Mobiltelefon hätte nicht wirklich Spaß gemacht. Die Besprechung folgt.

Nach der Lektüre war ich voller Hoffnung. Ist das selbstverlegte E-Book also doch besser als sein Ruf?

Völlig naiv klicke ich auf die Top-100 der kostenlosen Kindle-E-Books. Was hat die Schwarmintelligenz der Schnäppchenjäger dort nach oben gebracht?

Leider nichts Gutes.

Andreas Acker: Die Beschleunigung der Angst

Als ich auf die Liste schaue, steht der Thriller »Die Beschleunigung der Angst« weit oben. Ich lade das Werk herunter, beginne zu lesen und halte – wie häufig – nicht lange durch, vor allem wegen des inhaltlichen Unfugs gleich zu Beginn: Da balanciert ein Daniel ein Tablett durch

das Wohnzimmer, das er mit zwei Flaschen Bier, zwei Gläsern, einer prall gefüllten Schüssel Chips sowie einer Dose Erdnüsse im Teigmantel beladen hatte.

Erster Tiefschlag: Ein beladenes Wohnzimmer! Gemeint ist natürlich das Tablett, aber es steht anders da. Stünde da durch das Wohnzimmer ein Tablett, wäre fast alles in Ordnung.

Aber eben nur fast: Wie zugemüllt muss das Wohnzimmer sein, dass Daniel genötigt wird, das Tablett zu balancieren? Und wie dünnhäutig-elastisch muss diese Schüssel konstruiert sein, damit Daniel sie prall befüllen kann mit Chips, ohne dass diese zermalmt würden oder die Schüssel platzt wie ein Luftballon?

Was ein bemühtes Witz-komm-raus-Geschwafel!

Thomas auf dem Balkon ruft Daniel zu sich, weil der sich dort unbedingt was  reinziehen soll, und Daniel bringt Thomas eine Flasche Bier mit. Wohlgemerkt: kein Glas! Und dieses Bier hat Thomas natürlich wie immer ignoriert so heißt es später. Beginnende Demenz bei einem Fastdreißiger?

Sie beobachten von oben einen onanierenden Autofahrer durchs offene Schiebedach seines geparkten Geländewagens. Dazu folgt seitenlang belangloses Gerede über Techno und die tendenzielle Gefährdung einer vorbei laufenden jungen Frau durch den Onanierer. Diese junge Frau hat eine Besonderheit: braune Haare, die über ein gelbes, ärmelloses Oberteil fielen.

Was daran besonders ist? Weiß ich nicht. Der Satz wäre mir nicht weiter aufgefallen.

Das Besondere daran ist das Adjektiv, das ich unterschlagen habe: Es sind lange braune Haare … Der Erzähler denkt wohl, der Leser würde sonst auf Haarausfall tippen.

Und als einer bierdurstigen Wespe ein vorzeitiger Tod durch Morgenpost bereitet wurde und die Zeitung anschließend mit roten und gelben Flecken beschmiert war, da stellte ich das Weiterlesen ein: Eine blutsaugende Wespe?

Fazit: Langweilig, und inhaltlich blöde.

Derzeit keine Titelinformationen vorhanden.

Mari Sol: Verliebt in einen Ehemann

Mari-SolEtwas später erneut die Kindle-Top-100-Liste der kostenlosen E-Books aufgerufen. Die Reihenfolge ändert sich schließlich schnell.

Auf Platz 1 steht jetzt Mari Sol: Verliebt in einen Ehemann.

Das gibt’s doch nicht: Bereits die digitale Titelseite nach dem Cover hat einen Layoutfehler: Autorenname sowie Buchtitel sind zentriert, die Spartenbezeichnung Roman rutscht nach rechts weg. Absicht? Sieht nicht so aus. Auf der folgende Seite fast das gleiche: diesmal ist die dritte Zeile zu weit links.

Auf der nächsten zentrierten Seite prasselt es nur so von Fehlern:

Absolut gar nichts ‐ ist so schlimm im Leben, wie das Bewusstsein,
von verpassten Gelegenheiten.

Bindestrich statt Gedankenstrich, und dieser wäre auch falsch, da hier keinerlei Höhepunkt kommt; die Kommas vor und nach wie das Bewusstsein sind falsch; und was das für ein Bewusstsein sein soll, das verpasste Gelegenheiten haben, bleibt mir hermetisch. Vielleicht ist das Wissen um gemeint?

Was wiederum an verpassten Gelegenheiten schlimm sein soll, erschließt sich mir überhaupt nicht: Soll ich mir allen Ernstes einreden lassen, dass es mir erheblich besser ginge, hätte ich bei passender Gelegenheit all die tatsächlich umgebracht, denen ich den Tod gewünscht habe?

Ein Ratschlag und ständiger Spruch von einem alten Freund.

Das sind mir die rechten Freunde, die einem ständig ihre Lebensdummheit um die Ohren schlagen! Zudem kann auf Ein ganz und muss auf den Punkt am Ende verzichtet werden, das ist schließlich kein Satz!

Über den ich, oft nachdenken muss in meinem Leben und nie vergessen konnte. Ganz lieben Dank für diesen weisen Rat. Ich hoffe das Du jetzt, im himmlischen Paradies glücklich leben kannst.

Was ein Blödsinn: Selbstverständlich muss »ich« darüber nachdenken, wenn »ich« den Satz nie vergessen kann (nicht konnte – es sei denn, »ich« ist jetzt tot!). Und dann all die anderen Fehler: Keine Kommas nach dem ersten ich und nach musste; vor ich nie vergessen kann fehlt das Relativpronomen den; Komma nach hoffe; dass statt das; kein Komma nach jetzt; und im abendländischen Kulturkreis ist das Paradies immer im Himmel und himmlisch somit ein völlig überflüssiges Adjektiv …

Das reicht! Da hat Frau Sol gehörig die Gelegenheit verpasst, sich an einen deutschkundigen Berater zu wenden, und jetzt hat sie den Salat: Der Müll ist veröffentlicht und alle Rechte bei ihr!

Und der Roman selbst?

Ich gebe zu, ich habe versuchsweise die ersten Sätzlein gelesen, auch wenn die Erwartungen bereits auf Null waren: Bei den ersten sieben hat’s mich nur geschaudert. Und nach dem achten und neunten war endgültig Feierabend:

Satz 8:
Sein Schädel senkte sich und seine Hand fing die schwere Last auf.

Senken ist ein langsamer Vorgang! Da gibt es nichts aufzufangen, allenfalls zu stützen. Also: Der Kopf hat sich gesenkt und ruht in seiner Hand!

Nicht vergessen, denn jetzt folgt

Satz 9:
Mit der anderen Hand griff er nach seinem Glas und trank den letzten Schluck mit einem Hieb aus.

Wen hat er womit geschlagen? Sich das Glas vor die Stirn oder ins Gesicht? Sich mit der Stützhand auf die weiche Birne? Wie kriegt man Flüssigkeit aus einem Glas in einen hängenden, abgestützten Kopf?

Und welcher Algorithmus stellt so was auf Platz 1?

Marie Sol: Verliebt in einen Ehemann - Liebesroman. Kindle Ausgabe. 2013. . 3,09 €  » Herunterladen bei amazon.de Anzeige

Rainer Harde: OHN(E)MACHT

Rainer-HardeNoch ein letzter Versuch, war glaube ich ein 7. Platz auf wasweißich für einer Liste: OHN(E)MACHT von Rainer Harde.

Schon der Titel macht Angst: Soll das ein genialer Einfall sein? Die Erklärung, Ohnmacht bedeute eigentlich Ohne Macht?

Die erste Seite nach dem Titelbild enthält “Von Rainer Harde” – mit diesen amerikanischen Anführungszeichen und fett: Die Angst steigt: Was kommt noch?

Ein erster Abschnitt mit Einrückung!

Die Hoffnung sinkt … das wir wohl auch wieder nichts! Und so ist es auch: Nach einer Datumsangabe folgt:

Der Himmel ist dunkel, schwarze Wolken nehmen jedes Sonnenlicht an diesem Tag.

Die ersten 4 Wörter sind überflüssiges Geschwätz, denn sie tragen inhaltlich nichts bei zum Rest des Satzes. Es sei denn, sie sind als ironische Anspielung auf Edward Bulwer-Lytton gedacht. Wohl eher nicht. Man darf gespannt sein (oder besser nicht, der erwartbaren Enttäuschung wegen), was dann zu sehen ist an diesem sonnenlichtlosen Tag.

Zunächst jedoch wird man nicht enttäuscht, denn es gibt nichts zu sehen, sondern beißenden Gestank zu riechen und Menschen und Sirenen zu hören.

Knapp drei Zeilen im Sonnenlichtlosen geschafft!

Aber dann wir das wieder vergessen getreu dem verbreiteten Motto »Was geht mich mein Geschreibsel vor drei Zeilen an!«

Kirsten blickt über die Köpfe tausender Menschen vor sich (hinter sich geht sowieso schlecht, und blicken nützt nichts, sie kann weder die Köpfe sehen noch das dahinter), sieht (geht gar nicht, Sonnenlicht ist ja weg!) schemenhaft im Rauch (dito) die gläserne Reichstagskuppel auftauchen (dito).

Mehr habe ich nicht gelesen. Da nimmt sich ein Erzähler selbst nicht ernst. Warum sollte ich ihn dann ernst nehmen?

Derzeit keine Titelinformationen vorhanden.

Wo sind die literarischen Nadeln im E-Book-Heugebirge?

Bitte keine web-Adressen wie z. B. ebookmeter.info oder ebooks-lesen.net, die Herrn Ackers Werk als echten bzw. wahren »Pageturner« bezeichnen – ein von englisch radebrechenden Deutschen erfundenes supercooles Dummwort. »Seitenumblätterer« – Was nicht gar! Das sind doch die, die möglichst schnell etwas Interessantes entdecken wollen, z. B. in Katalogen, aber im Leben keine ernsthaften Leser, die mehr wollen als breit getretenen Quark!

Reichen Sie mir eine Nadel!

Halt! Bevor Sie jetzt über den Kritiker herfallen: Belehren Sie mich eines Besseren! Zeigen Sie mir einen lesenswerten E-Book-Roman! Zeigen Sie mir mehr als zusammengeschusterte Thrillerfragmente und bemüht-witzige Frauenromane. Romane mit einer lesbaren, korrekten Sprache, E-Books ohne überflüssige Adjektive.

Aber: Es darf nicht Ihr eigener Roman sein. Solche Mails bekomme ich jeden Tag genug, und selten erweist sich ein solcher Hinweis mit Selbstbezug als Glückstreffer. Das gilt auch, falls Sie Verwandter, Freund oder Verleger sind.

Nutzen Sie das Formular unter diesem Beitrag, und empfehlen Sie mir das Werk eines Selbstverlegers, das Sie als Leser begeistert hat und von dem Sie ernsthaft(!) glauben, es könnte auch mir gefallen.

Bitte empfehlen Sie mir keine »Auch-als-E-Books«!

Bitte empfehlen Sie mir nur Self-Publishing-Texte, die es ausschließlich als E-Book gibt. Ich möchte keine Tipps zu gedruckten Büchern, die es auch als E-Book gibt. Eine Ausnahme mag lediglich für Kindle-Bücher gelten, die zusätzlich bei CreateSpace angeboten werden.

Mein Kindle will gefüllt werden – aber mit guten E-Books! In den nächsten Tagen wird eine gute E-Book-Besprechung folgen, gerne würde ich noch mehr davon schreiben.

Reichen Sie mir die interessanten E-Book-Nadeln, von denen ich mich gerne stechen lasse. Schreiben Sie Ihren Tipp nicht in die Kommentare, sondern verwenden Sie das Formular, das mich direkt erreicht. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge.

Malte Bremer

Ihr E-Book-Tipp für Malte Bremer
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6 Kommentare

  1. Nun ja, es wird schon sein, daß die Bücher, die im Amazon Selbst Publishing erscheinen, auf dem regulären Markt keine Chance haben und die sind von denen die Autoren die Manuskripte zurückbekommen haben. Denn sonst würden sie ja bei Rowohl und bei Fischer etc verlegen.
    das Problem, wenn man es so nennen will, ist, daß halt inzwischen relativ viele Leute schreiben und wahrscheinlich immer weniger lesen und da finde ich es wirklich toll, daß Amazon ihnen, aus wahrscheinlich ganz anderen Grünen, ein Tor eröffnet hat, denn vorher war man ja mit dem Selbstgedruckten, das allerletzte und da ich als Psychologin der Meinung bin, daß jeder schreiben soll, der das will und das auch selber schon seit vierzig Jahren mit inzwischen dreißig selbstgemachten Bücher, drei andere und Texte in vielen Antologien sind auch dabei, praktiziere.Ein bißchen ratlos stehe ich dem Erfolgsdruck gegenüber, man muß verkaufen und verkaufen und möglichst auf Platz eins stehen , werde aber demnächst einen Versuch starten und meine “Dreizehn Kapitel” auch hineinstellen und gestern war ich auf einer Selbstpublisher und Klein oder Kleinstverlagmesse mit vielen Damen, die eine Menge Bücher in mir völlig unbekannten Verlagen, die alle so schön billig glänzten, hatten. Natürlich kann man ihnen ein Lektorat und eine Stilfibel empfehlen, ich habe übrigens gerade, den immer noch hochgelobten Ludwig Reiners, mit seiner politischen Vergangenheit gelesen und gedacht, daß ich das Wort “derselbe” eigentlich sehr lebendig finde und besonders ist es gut, daß den “nicht so Erfolgreichen” nicht mehr die Fallen mit diesen Zuschußverlagen, die ein paar tausend Euro nehmen und dafür ein bißchen loben, blühen und wenn die Häme, daß jemand schreibt und nicht bei Fischer verlegt, ein wenig kleiner wird, ist das ja auch sehr gut. Jeder, wie er kann und schreiben ist eigentlich eine sehr billige Alternative, also soll es jeder tun, so gut es kann und das ist Amazon und natürlich auch dem literaturcafe zu verdanken und das finde ich sehr gut

  2. Auweia, in Deckung liebe Selfpublisher-Kollegen, Malte Bremer hat sich einen Reader gekauft 😀

    Nein, ich hol mir schon mal Chips und Popcorn, dazu muss ich auch kein Tablett balancieren. Ich freue mich auf mehr Malte Bremer, egal ob ihm jetzt etwas gefällt, oder ob er etwas zerreißt. Und auf die Kommentare bin ich auch gespannt.

    Hmm, was könnte Malte Bremer gefallen. Es juckt mich ja in den Fingern, etwas vorzuschlagen, dass ihm ganz und gar nicht gefallen wird, aber nein, so gemein will ich weder zu Herrn Bremer noch zum jeweiligen Autor sein.

    Zitat: “Und welcher Algorithmus stellt so was auf Platz 1?”

    Einfach nur die Anzahl der Gratis-Downloads, mehr nicht. Bei den tatsächlichen Verkaufscharts ist es etwas komplizierter, und ich persönliche lande sowieso schon lange nicht mehr in den Gratis-Top-100.

    “Aus diesem Grunde lese ich als kostenlose eBooks ausschließlich die Klassiker der Literatur wie Dumas, Tolstoi, Dostojewski etc.”

    Ich höre also heraus, es sei besser, nichts mehr kostenlos anzubieten. Es bringt eigentlich sowieso kaum noch etwas, da die kostenlosen Downloads keinen Nachbrenner in der normalen Verkaufscharts zünden.

  3. Eines vorweg: ich bin keinesfalls der Meinung, dass die oben zitierten Texte ein hohes oder gar professionelles Niveau haben.
    Da Sie aber großen Wert auf Erbsenzählerei legen, möchte ich Ihnen meine Erbsen nicht vorenthalten.

    Sie schreiben, sie hätten mit dem Lesen von “Beschleunigung der Angst” aufgehört, als eine erschlagene Wespe einen Blutfleck verursacht – begründet durch die Tatsache, dass Wespen kein Blut saugen.
    Ich finde dies sehr befremdlich und hoffe zugunsten Ihres erheblichen, aufdringlichen Intellekts, dass es sich dabei um einen albernen Scherz handelt.
    Haben Sie in Ihrem Leben etwa noch nie eine Fliege getötet, die in der letzten Nanosekunde ihrer Existenz einen roten Fleck auf Ihrem weißen Putz hinterlassen hat ?

    Nun denn, vielleicht handelt es sich um eine Bildungslücke meinerseits, und die ordinäre Stubenfliege saugt auch Blut, wenn niemand hinschaut ?

    In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine angenehme Weihnachtszeit.

    P.S. Ein “Gebirge” aus Heu ist ebenso unsinnig wie eine “prall gefüllte Chipsschüssel”….

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