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Literaturport gegen Literaturportal

Land gegen Bund»Der Literaturbetrieb hat diesen Sommer was zu lachen, denn es gibt jetzt das Literaturportal«, schreibt Robert Rudolf in der Maerkischen Allgemeinen. Hätte man für den digitalen Witz, den das Literaturarchiv Marbach produziert hat, nicht 150.000 Euro an öffentlichen Geldern grundlos und nahezu unsichtbar versenkt, so könnte man unbeschwerter Lachen. Wir warten zudem nach wie vor gespannt auf das Antwortschreiben von Staatsminister Neumann auf unseren offenen Brief.

Doch die Farce der öffentlich bezuschussten Literaturporale geht weiter. Gestern, am 21. Juli 2006, ging der Literaturport online. Auch das ist ein weiteres Literaturportal im Netz, für dessen Aufbau diesmal nicht Bundesmittel, sondern Landesmittel verwendet wurden. Denn der Literaturport soll hauptsächlich das literarische Leben in Berlin und Brandenburg digital abbilden.

Was findet man dort? Ein Autorenlexikon. Wie beim Marbacher Portal. Veranstaltungen. Wie beim Marbacher Portal. Hördateien mit Lesungen. Wie beim Marbacher Portal. Eine Übersicht über Preise und Stipendien. Wie beim Marbacher Portal.

Die Macher des bundesweiten Literarturportals kopierten oder kauften für 150.000 Euro überflüssigerweise nur das zusammen, was es ohnehin schon im Netz gab.

Und kopiert man in Brandenburg nun den Marbacher Dilettantismus, um noch einmal wertvolle und an anderen Stellen sinnvoller eingesetzte Gelder der Literaturförderung ins Netz zu blasen?

»Die haben bei uns abgekupfert.« So zitierte die Maerkische Allgemeine den Leiter des Literarischen Colloquiums am Berliner Wannsee (LCB), der den Literaturport entwickelte. Mit Landesmitteln will er daher gegen die Bundesmittel kämpfen und die Marbacher platt machen. Die Maerkische Allgemeine berichtet, dass Bayern und Sachsen-Anhalt schon angeklopft hätten. In fünf Jahren soll der deutschsprachige Raum nach dem berlin-brandenburgischen Konzept vernetzt sein.

Ja, man könnte in diesem Sommer wirklich laut lachen. Vor allen Dingen bei den kleinen Literaturzeitschriften, denen die öffentlichen Zuschüsse gekürzt oder gestrichen wurden. In den öffentlichen Büchereien und Bibliotheken, die mangels öffentlicher Gelder geschlossen werden, bei den vielen anderen privaten und ehrenamtlichen Literaturangeboten im Internet, denen nun Bund und Länder mit Steuergeldern Konkurrenz machen. Doch das Lachen klingt mehr nach Irrenhaus, denn nach Vergnügen.

Schaut man sich den Literaturport näher an, so lässt sich aber in der Tat deutlich erkennen, dass er dem bundesweiten Literaturportal qualitativ überlegen ist. Während das Marbacher Literaturportal die Daten lieblos und mit einer hohen Fehlerquote zusammengetragen hat, sind Darstellung und Aufbau des Literaturports wesentlich solider. An kleinen Details merkt man, dass man sich bei diesem Portal wirklich Gedanken gemacht hat. Die Wettbewerbe sind beispielsweise nach Ablaufdatum in Tagen geordnet. Und klickt man auf die Detaildaten, so merkt man, dass dort tatsächlich welche vorhanden sind. Während die Marbacher Meister des Copy-and-Paste bei den Fördereinrichtungen und Wettbewerben gerade mal die Selbstbeschreibungen der Veranstalter übernommen haben, sind die Infos beim Literaturport detaillierter und strukturierter aufgebaut. Hier hat man sich tatsächlich Gedanken über die Zielgruppe gemacht hat, die natürlich wissen will, an welchem Wettbewerb aktuell die Teilnahme noch lohnt oder für welche Stipendien man sich bewerben sollte. Ein sehr schöner Service.

Und auch die Gestaltung und der Zugriff auf die Regionen oder den Literaturkalender sind beim Literaturport gut gelöst. Doch bei den Inhalten hat auch dieser Kalender (noch?) nicht allzu viel zu bieten. Bei den wenigen Veranstaltungen finden sich aber durchdachte Details wie Links zu Routenplanern und vollständige Angaben zum Veranstalter und kein Kraut- und Rübensalat wie beim Literaturportal, das hier offensichtlich nicht mal auf Datenbanken zurückgreift.

Natürlich stellt sich auch beim Berlin-Branenburger Literturport die Frage, wie lange man diese Qualität durchhalten kann. Denn Qualität kostet Geld. Ein sich durch die Veranstalter selbst befüllender Veranstaltungskalender ist naives Wunschdenken. Ohne Redakteure, die den Daten ständig nachlaufen müssen, kann ein solches Angebot nicht betrieben werden. Ebenso sind gut strukturierte Datenbanken sinnvoll, die man in Berlin-Brandenburg anscheinend hat, in Marbach jedoch nicht.

Vor die Entscheidung gestellt, was man den tun sollte, um zu verhindern, dass weiterhin überflüssige Gelder verjubelt werden, so sollte man keine Kampfansage »Mit Landesmitteln gegen Bundesmittel« machen, sondern nach Durchsicht beider Angebote den Marbachern empfehlen, keinen weiteren Euro in ihr maues Literaturportal zu investieren, sondern die bundesweiten Daten, so sie überhaupt korrekt sind, ins Brandenburger Angebot zu übertragen und ihnen vielleicht auch noch das al im Domainnamen zu überlassen, um dann gemeinsam alles daran zu setzen, die Daten umfangreich und aktuell zu halten.

Aber das wird natürlich nicht passieren, denn zu unüberbrückbar sind die Animositäten zwischen Bund und Ländern. Außerdem müsste man sich am Marbacher Literaturarchiv dann selbst eingestehen, dass man sich mit dem Literaturportal extrem geschadet hat und ein Teil des ansonsten guten literarisch-dokumentarischen Rufes leichtfertig verspielt hat. Von den 150.000 Euro Bundesmitteln ganz zu schweigen.

Vielleicht wäre das aber wirkliche Größe. Ob man sie in Marbach hat?

Ach übringens: Die Adresse literaturpo.de ist aktuell noch frei!

Nachtrag/Presseschau:
Weitere online verfügbare Artikel über Literaturport und Literaturportal
Frankfurter Rundschau: Die FR weiß, dass der Literaturport einen Zuschuss von 23.000 Euro erhalten hat. Auch dort stellt man fest, dass der Literaturport auf den ersten Blick besser ausschaut als das Marbacher Portal. Als amüsant und absurd wird der Regionalbezug des Literaturport bezeichnet, der insbesondere bei “überregionalen” Schriftstellern wie Kafka jede allgemeinen Info ausklammert.
Die Welt: “So wird’s gemacht”, ruft Wieland Freund in der Welt den Marbachern zu. “Der Literaturport kommt einem doch vor wie ein lautes Ätsch”. Freund ist voll des Lobes für den Literaturport und berichtet, dass man in Marbach nun alles neu und anders machen will, wozu es aber wahrscheinlich schon zu spät sei.
FAZ: Sebastian Domsch fasst den Vergleich der beiden Portale gut zusammen: Nicht nur die zwei Buchstaben zeigen: Weniger ist oft mehr.

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