StartseiteLiteratur onlineZwei literarische Websites für den Grimme Online Award 2008 nominiert - aber...

Zwei literarische Websites für den Grimme Online Award 2008 nominiert – aber warum?

Grimme Online AwardGestern wurden die Nominierungen für den Grimme Online Award 2008 bekannt gegeben. Seit Jahr 2001 werden mit diesem Preis durch das Adolf-Grimme-Institut qualitativ hochwertige Websites ausgezeichnet.

Leider bröckelte das Ansehen des Preises im letzen Jahr gewaltig, nachdem aufgrund einer technischen Panne die Gewinner vorab im Internet zu lesen waren und der Eindruck entstand, dass sich die Jury die Preise gegenseitig zuschanzt.

Unter den vier nominierten im Bereich »Kultur und Unterhaltung« finden sich in diesem Jahr gleich zwei literarische Websites. Eine Quote von 50% für die Literatur ist in dieser Rubrik ja schon mal nicht schlecht. Zumindest darüber kann man sich freuen.

Doch ein Blick auf die beiden Angebote lässt die Frage aufkommen, was an diesen Websites denn so herausragend »qualitativ hochwertig« sein soll, dass sie einen Preis verdient hätten.

Zum einen ist da der Literaturport Berlin-Brandenburg nominiert, der uns die literarische Landschaft in und um die Bundeshauptstadt näherbringen soll. Verglichen mit der desaströsen Internet-Ruine des staatlich geförderten literturportal.de glänzt der Literaturport fast schon überirdisch. Aber was ist nüchtern betrachtet dran an diesem Angebot, das zudem regional sehr beschränkt ist? Die Infos schauen aktuell aus, sie sind einigermaßen sinnvoll und übersichtlich angeordnet. Ein Angebot also, das ganz nett ist. Aber ist es wirklich so herausragend, dass es den Grimme Online Award verdient hätte? Reicht wirklich eine einigermaßen aktuell und übersichtlich aufbereitete thematische Datensammlung, um »qualitativ hochwertig« zu sein? Der Grimme-Nominierungskommission offenbar ja, die in ihrem Begründungstext die Site als »umfangreiches Rechercheinstrument« lobt.

Die zweite Nominierung ist der Reading Room der F.A.Z. zu John Littells Bestseller »Die Wohlgesinnten«. Es war der erste Versuch der F.A.Z., den Fortsetzungsroman ins Internet zu bringen, wie es die der Nominierungstext verkündet. Und im Text wird kühn behauptet: »hier können Leser über den aktuellen Roman diskutieren und miteinander ins Gespräch kommen oder aber die Diskussionen im Expertenforum kommentieren«.

Tatsächlich ist der »Reading Room«, der mittlerweile in einen deutschen »Lesesaal« umbenannt wurde, aber nur eine Website, auf der die F.A.Z. eine Diskussion simuliert. Alles vorab gefiltert und Expertenmeinungen, die wahrscheinlich brav per Copy-and-Paste vom Redaktionsteam aus der Word-Datei in den »Reading Room« übertragen wurden. Essays und Besinnungsaufsätze, die wenig mit webgerechten Texten zu tun haben. Darüber hinaus ist die Website alles andere als übersichtlich gestaltet. Ein kontrolliertes und beschütztes »Internetforum«, wie es sich ein Zeitungsverlag vorstellt und auf dem eine echte Kommunikation nicht stattfindet. Und solch ein Angebot soll »qualitativ hochwertig« und preisverdächtig sein?

Generell schreibt die Nominierungskommission zu allen 17 nominierten Angeboten: »Besonders spannende Entwicklungen gab es dabei vor allem auf zwei Gebieten zu beobachten: Online-Video und Nutzerbeteiligung«. Die beiden oben genannten literarischen Websites können damit jedoch nicht gemeint sein, denn die präsentieren sich als konservative Textsammlungen und sind wenig herausragend.

Gab’s wirklich in diesem Jahr nichts Besseres unter den Einreichungen zu finden? Oder geht man nach dem Imageverlust vom letzen Jahr einfach auf Nummer sicher? Denn wer der F.A.Z. einen Preis verleiht, dem ist dort eine »wohlgesinnte« Berichterstattung gesichert.

Weitere Beiträge zum Thema

3 Kommentare

  1. Man könnte einfach sagen: Da haben Kulturredakteure sich gegenseitig Preise zugeschoben. Man kennt sich. Die gleiche Szene.

    Aber ich fürchte, es ist schlimmer, viel schlimmer: Die kennen keine anderen Seiten. Für die sind “Reading Room” (jetzt heißt er ja Lesesaal) und Brandenburgs Literaturportal absolut neu und aufregend.

    Hans Peter Roentgen

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein