StartseiteBuchkritiken und TippsLesetipp: Handbuch für Negerfreunde - Singen können die alle!

Lesetipp: Handbuch für Negerfreunde – Singen können die alle!

Marius Jung: Singen können die alle!

Warum mussten Sie bei dieser Überschrift weiterlesen? »Neger« ist ein Tabuwort, ein Reizwort. »Das Wort Neger hat inzwischen den Beigeschmack des Rassismus und sollte von nicht-schwarzen Menschen nicht verwendet werden«, schreibt Marius Jung.

Und dennoch ging ein Aufschrei durchs Land, als man dieses Wort unlängst aus den Kinderbuch-Klassikern von Otfried Preußler, Astrid Lindgren und Erich Kästner tilgte.

Als sich Literaturkritiker Denis Scheck über diese political correctness lustig machte und dazu sein Gesicht schwärzte, warf man ihm Rassismus vor. Sogar der New Yorker berichtete.

Gut, dass Marius Jung jetzt ein hilfreiches »Handbuch für Negerfreunde« verfasst hat.

Das Negerhandwerk gelernt

Denn Marius Jung darf das Wort »Neger« verwenden, weil er selbst einer ist. »Von Geburt an, sozusagen von der Pike auf habe ich das Negerhandwerk gelernt«, schreibt er.

Marius Jung wurde 1965 in Trier geboren. Seine Mutter ist Deutsche, der Vater US-Soldat. Von ihm hat Marius Jung die dunklere Hautfarbe und eine Frisur mit hohem »Wuschelfaktor«.

Jung ist Schauspieler. Oder Entertainer? Oder Comedian?

»Doch das Wissen, dass ich auch im 21. Jahrhundert viele Jobs deshalb nicht bekomme, weil ich ein Schwarzer bin, macht mir immer wieder schlechte Laune. Diese Wut wollte ich konstruktiv umsetzen.«

Marius Jung macht dies auf der Bühne und nun in seinem Buch »Singen können die alle! – Handbuch für Negerfreunde«.

Das Werk ist eine Mischung aus Autobiografie, Geschichtensammlung, Essayband und transkribiertem Comedy-Programm. Mit Humor beschreibt Marius Jung sein Leben als Deutscher mit dunkler Hautfarbe. Es ist zum Glück keines dieser Bücher, für die lustlose Klappentextschreiber Phrasen verwenden wie »bei dem einen das Lachen im Halse stecken bleibt«.

Dafür aber, dass der Klappentext-Schreiber des Carlsen Verlags die Phrase »ohne den gefürchteten Zeigefinger« verwendet, sollte man ihm dieses Taschenbuch um die Ohren hauen.

»Woher kommst du eigentlich?«

Denn das Buch von Marius Jung ist nur dort schlecht, wo er in den ausgelutschten Plauderstil der Comedians abrutscht, zum Glück nicht allzu oft. Denn Comedians haben kein Anliegen und keine Haltung. Für jeden Witz werden sie zu Opportunisten und Populisten.

Das ist bei Marius Jung und dem Thema Hautfarbe anders, denn er ist … – tja, da geht es schon wieder los – »davon selbst betroffen« kann man nicht schreiben. Marius Jung berichtet einfach aus seinem Leben. Wie ihn wildfremde Menschen in den Haaren wuscheln, wie man ihm attestiert, dass er »verdammt gut Deutsch« spreche oder dass er bei der Frage »Woher kommst du eigentlich?« vermuten muss, dass der Fragesteller nicht damit rechnet, »Aus Köln!« zu hören.

Diese kleinen Beobachtungen machen das Buch interessant. Geschichten wie die, dass Jung als Schüler selbst zur »Rassismus-Keule« griff, als ihn ein Lehrer bestrafte: »Das machen Sie nur, weil ich ein Farbiger bin!« Sofort wurde ihm bewusst, dass er etwas sehr Dummes gesagt hatte.

Alle die meinen, sie müssten sich schützend vor die Schwarzen stellen wie die Rassismuskeulenschwinger und Verfechter der political correctness, gehen Jung viel mehr auf den Keks – auch beim Fernsehen. So spielen »Schwarze erstens wenig und zweitens meist die gleichen Rollen«. Als Musiker oder Asylbewerber werden sie gerne besetzt, doch als Jung sich auf die Rolle eines wirklich fiesen Diskothenkbesitzers und Chef eines Dealerrings freute, wurde er wegen vorauseilender political correctness abgelehnt: »Wir dürfen einen Farbigen im deutschen Fernsehen nicht so darstellen.«

Nicht das Wort Neger ist böse

Das bringt uns zum Thema »Das N-Wort in Kinderbüchern«: Jung will das Wort in den Büchern belassen. Den Grund können Sie – ganz ironiefrei – in seinem Buch nachlesen.

Mittlerweile vom Verlag eliminiert: N-Wörter im Buch »Pippi Langstrumpf«.
Mittlerweile vom Verlag eliminiert: N-Wörter im Buch »Pippi Langstrumpf«

Eine Selbstverständlichkeit, die viele oft vergessen, spricht Jung ebenfalls deutlich aus: »Nicht das Wort [Neger] ist böse, sondern die Haltung dessen, der es in diskriminierender Absicht verwendet.« Dass man viel schlimmere Dinge sagen kann, ohne auch nur ein verfängliches Signalwort zu gebrauchen, zeigt er überzeugend am Beispiel von Thilo Sarrazin.

Jung macht sich einen Spaß daraus, »Negerwitze« zu sammeln und dabei die Frage stellen: »Über welche der folgenden Witze darf man lachen und über welche nicht?« Und wenn man sich dann beim Lesen tatsächlich diese Frage stellt, hat einen Marius Jung voll erwischt.

Zu loben ist auch der Verlag, denn mit dem Kauf des gedruckten Buches erwirbt man gleichzeitig die E-Book-Version. Nach Eingabe von E-Mail und gewünschtem Format erhält man einen Download-Link, über den man eine personalisierte Version erhält, also eine Datei mit »weichem Kopierschutz«, worin die E-Mail hinterlegt ist.

Doch dann blickt man auf das Cover, und da wird einem bewusst, dass die E-Book-Version notwendig ist, denn wer will schon in öffentlichen Verkehrsmitteln ein knallgelbes Buch lesen, auf dem der nackte Körper eines Schwarzen mit roter Schleife über dem Genitalbereich zu sehen ist und das den Untertitel »Handbuch für Negerfreude« trägt? Dann liest man öffentlich doch lieber im grauen E-Reader.

Eines will man sich im Bekanntenkreis jedoch nicht nehmen lassen: den Blick in die Gesichter, wenn man in trauter Runde beiläufig verkündet, dass man derzeit mit großer Freude ein »Handbuch für Negerfreunde« liest. Es ist dieses ungläubig erstaunte Entsetzen, das einen auch auf Lesetipps mit entsprechender Überschrift klicken lässt.

Wolfgang Tischer

Derzeit können keine Titelinfos angezeigt werden.

Weitere Beiträge zum Thema

8 Kommentare

  1. Lieber Herr Tischer,

    SO stelle ich mir eine Buchbesprechung durch jemanden vor, der von der Materie Ahnung hat! 🙂 Klingt interessant und macht Lust darauf, sich das Buch näher anzusehen.

  2. das N-wort hat nicht nur den beigeschmack von rassismus, sondern ist rassistisch. und von rassismus betroffenen vorzwerfen, sie schwingen die rassismuskeule ist in sich schon ein kolonialrassistisches bild, da die keule eher mit primitivität in verbindung gebracht wird. so werden schwarzen menschen und people of color gesilenct / zum schweigen gebracht. ich finde wir und da zähle ich mich als schwarze deutsche dazu, sollten rassismus nicht nur benennen dürfen, denn wir wissen wovon wir sprechen. haltungen und zuschreibungen finden ja nicht im luftleeren raum statt, sondern direkt mit handlungen und denkmustern von personen verbunden sind. sprachliche oder visuelle. wer glaubt, das ist ein seitenthema, das nur personen kennzeichnet, die sich am rechten rand dieser gesellschaft bewegen, irrt zutiefst.
    es ist traurig, dass weiße menschen, denn um die geht es hier, sich mit ihrem eigenen rassismus oft nicht auseinandersetzen wollen. rassismus ist ein weißes problebem. das n-wort entstand zu zeit der kolonialen eroberungen und ausbeutungen. es ist eng mit der sklaverei und entmenschlichung und globaler arbeitsteilung verbunden. die moderne hat überhaupt erst durch dieses system stattfinden können. und nicht umgekehrt. pippi langstrumpf erzählt ein stück dieser kolonial geschichte. problematisch ist ja nicht nur die verwendung des n-wortes, sondern das den menschen auf der insel automatisch hörig und minderwertig sind. weißer typ kommt auf eine “exotische” insel und ist dort sofort das oberhaupt dieses volkels. die hierarchien werden hier ungebrochen vortgesetzt. pippi kann auch nur deshalb so autark leben, weil sie eine große kiste mit gold hat, die ihr vater dank seiner raubzüge in anderen ländern unrechtmäßig in seinen besitz gebracht hat. macht es klick?
    eine buchpesprechung von jemanden, der ahnung hat, könnte so aussehen, erstmal die eigene sprecherInnen position deutlich zu machen. die ist in den fall weiß. das scheint so normativ zu sein, das es nicht mitbenannt werden muss. wohl aber alle anderen,die von der norm abweichen werden mit rassistischem vokabular belegt. herr tischer erweist sich hier als wenig kenntnisreich, was die thematik anbetrifft. ein blick auf die seite vom der braune mob oder glokal.org können helfen, die betroffen als experten zu respektieren und die eigenen verantwortung wahrzunehmen. anstatt abwehrreflexe einzusetzen. wie wärs mit einem critical whiteness seminar? mich interessiert ernsthaft, was der autor davon hält. ich weiß nicht, wie sehr die leserInnenkommentare hier widerhall finden.

  3. Liebe anne,
    ihr Kommentar bezieht sich im Wesentlichen auf die von mir zitierten Worte und Wörter aus dem Buch von Marius Jung. Daher scheint mir das Buch wie nur für Sie geschrieben, und Sie scheinen perfekt zur Zielgruppe zu gehören. Kaufen Sie es, lesen Sie es! Viel Spaß!
    Herzliche Grüße
    Wolfgang Tischer

  4. Im Radio hörte ich schon eine Rezension. Und diese Buchkritik hat meinen Wunsch, das Buch zu kaufen und zu lesen, nur verstärkt.

    Der “politisch korrekte” Kommentar von “anne” ist nicht nachvollziehbar. Wenn man anderen Menschen “wenig Kenntnisse” vorwirft, aber selbst über eine Wortherkunft schwadroniert ohne grundlegende Erkenntnisse der Sprachforschung zu berücksichtigen, der (die) hat selbst den “Fehler” begangen. Worte haben unterschiedliche Bedeutung, die sich auch oft ändert. Worte muss man im Zusammenhang sehen. “Neger” aus dem Zusammenhang einiger Bücher zu reißen, es als “rassistisch” zu bezeichnen und somit die Autoren Lindgren und Kästner indirekt als Rassisten zu bezeichnen ist unlogisch und nicht angebracht.

    Sieht man den Kommentar selbst im Zusammenhang, so passen Worte wie “sprecherInnen” ins Bild, das “anne” von sich zeichnet. “Neger” als Wort verbannen zu wollen ist nur ein Herumdoktern an Symptomen, ohne damit wirklich gegen eine mögliche Ursache vorzugehen.
    In diesem Sinne ist “anne” als “schwarze deutsche” eine typische Deutsche und somit – wie schon Herr Tischer bemerkte – die eigentliche Zielgruppe für das Buch.

    Ich werde das Buch kaufen, lesen und weiterhin “Neger” als Wort verwenden. Und wer mich dann als Rassisten bezeichnet, kriegt prompt die passende Antwort von mir.
    Ich wünsche noch ein friedliches und liebevolles Osterfest.

  5. Manche Kommentare sind dermassen flüssig dass sie als überflüssig zu gelten haben. Astrid Lindgren ist tatsächlich eine Frau gewesen und sie hat ihre Sprache wohl schon etwas ernster genommen als so mancher Negerfetischist.
    Als ob jemand etwas dagegen hätte wenn irgendein Verlorener Internetnutzer Neger zu sicher selber sagt.

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein.
Bitte geben Sie Ihren Namen ein