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Lesenswertes über Literaturjurys

Ausschnitt aus der Website des Deutschen Buchpreises
Ausschnitt aus der Website des Deutschen Buchpreises

Am Dienstag (15.08.2017) wurde die Longlist zum Deutschen Buchpreis bekannt gegeben, also die 20 Titel und Autoren, die sich nun Hoffnung auf den Gewinn des mit 25.000 Euro dotierten Preises machen können. Knapp einen Monat später werden dann nur noch sechs übrig sein, wenn die Shortlist bekannt gegen wird.

Anders als bei Sportwettbewerben, bei denen die besten Zeiten oder Weiten ausschlaggebend sind, liegt es in der Natur der Sache, dass Literaturpreise auch nach Geschmack und Vorlieben vergeben werden.

Wer den Preis bekommt, bestimmt eine Jury, die im Falle des Deutschen Buchpreises aus sieben jährlich wechselnden Jurorinnen und Juroren besteht. Aber wie muss man sich das vorstellen? Bestechung, Vetternwirtschaft und Intrigen? Und am Ende hat man meist den Preisträger gekürt, der es nach Meinung von Fachleuten am wenigsten verdient hat?

Ausgewogenheit ist kein Qualitätskriterium

Zumindest Letzteres wird einer Jury immer wieder gerne vorgeworfen. Schon bei Bekanntgabe der Long- oder Shortlist wird regelmäßig gejammert, dass die oder der nicht auf der Liste sei, was eigentlich gar nicht sein könne, weil es der beste Roman der letzten Jahre gewesen sei, und da sei es ja ein Zeichen der Jury-Inkompetenz, dass sie oder er nicht auf der Liste zu finden sei.

Zudem wird in den letzten Jahren immer mehr auf Ausgewogenheit geachtet. Besteht diese nicht, wird dieser Mangel der Jury zum Vorwurf gemacht. Warum wieder mehr Männer als Frauen auf der Liste? Warum so wenig junge Autoren? Warum so viele Konzernverlage? Die Fragen und Vorwürfe könnten beliebig fortgesetzt werden. Dabei sollte eine qualitative Auswahl nie nach Ausgewogenheit fragen, den die ist kein Qualitätsmaßstab.

Ein Standardvorwurf gegen den Deutschen Buchpreis ist immer wieder der, dass er sich zu kommerziell orientiere. Wenn ganz tief geschlagen wird, dann wird auch immer wieder erwähnt, dass Buchhändlerinnen und Buchhändler in der Jury sitzen, die nur das Verkaufen im Blick hätten und weniger die literarischen Kriterien. Das ist natürlich Unsinn. Auf der anderen Seite ist es aber nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Prädikate »Auf der Longlist«, »Auf der Shortlist« und »Gewinner« durchaus werbewirksam sind. Entsprechende Büchertische in den Buchhandlungen und ein Heft mit Leseproben schränken die Sicht der Buchkäufer oftmals etwas ein. Schon Sekunden nach der Bekanntgabe der Longlist treffen die Mails der Verlage in den Redaktionen ein: »Unser Autor ist auf der Shortlist!«

Über das Prozedere des Deutschen Buchpreises und die Gerüchte, die sich darum ranken, war im literaturcafe.de vor zwei Jahren anlässlich der Shortlist 2015 zu lesen.

Selbstherrliche eitle Gesellinnen und Gesellen?

Was jedoch wenig Beachtung und Berücksichtigung erfährt, ist die Arbeit und Belastung, die eine Jury-Tätigkeit bedeutet. Doch für Autoren – und insbesondere für die, die bei den Nominierungen leer ausgegangen sind – sind Jury-Mitglieder oftmals selbstherrliche eitle Gesellinnen und Gesellen, die keine Ahnung von guter Literatur haben, schließlich haben sie die Qualität des eigenen Werkes ja nicht erkannt.

Als Juror für eine Jury benannt zu werden, ist ehrenvoll, noch dazu, wenn es sich um einen renommierten Preis handelt. Doch wer je in einer Jury saß, weiß, dass es keine einfache Arbeit ist. Je nach Auswahlprozedere müssen eine Menge an Texten oder Büchern gelesen oder durchgearbeitet werden. Und Jury-Sitzungen können zur psychischen Belastung werden, denn das soziale Gefüge innerhalb einer Jury ist eine Sache für sich. Sodann besteht immer die Gefahr, dass die Mehrheitsentscheidung eine Preisträgerin oder einen Preisträger nach oben spült, die oder den man eigentlich verhindern wollte. Bestechung, Vetternwirtschaft und Intrigen spielen da keine Rolle.

Auch umgekehrt ist es interessant zu sehen, wie sich am Ende doch die guten Texte durchsetzen, sofern es nicht seltsame Modalitäten gibt, die plötzlich einzelnen Jury-Mitgliedern mehr Gewicht geben.

Von Vorteil sind immer Jury-Entscheidungen, bei denen sich die Mitglieder persönlich treffen und das Ergebnis festlegen. Nachteilig sind Jury-Ergebnisse, die rein aufs Zusammenzählen von getrennt vergebenen Punktelisten beruhen.

Aber warum machen die das dann?

Aber warum machen die das dann? Niemand wird doch zur Jurytätigkeit gezwungen? Diese Fragen mag man stellen. Schaut man auf die Besetzung von Literaturjurys im Lande, so beschleicht einen zudem gelegentlich das Gefühl, dass es nur eine kleine Schar von Menschen sind, die in einer Art rolierendem System die Posten der Jurys besetzen. Hinzu kommt, dass die Ausrichter von Literaturpreisen oftmals auch gewisse klangvolle Namen in der Jury haben möchten. Davon gibt es im Kritikerbereich nicht allzu viele. Einige sitzen gerne in Jurys, bringen entsprechende Routine mit und werden daher immer wieder gerne eingeladen, andere haben das einmal gemacht, dann aber nie wieder, weil sie erkannt haben, dass sie für diese Art von »gruppendynamischen Preisabsprachen« nicht geschaffen sind. So reduziert sich der Kreis.

Der Literaturkritiker Christoph Schröder war Mitglied der Jury des Deutschen Buchpreises im vergangenen Jahr 2016. Auf zeit.de schreibt er, warum er nach der Erfahrung seiner Jury-Tätigkeit die kontroversen Diskussionen um die Auswahl nicht mehr hören kann. Ein sehr lesenswerter Beitrag. Darin verweist Schröder auch auf einen umfangreichen Text des Kollegen Dirk Knipphals von der taz. Knipphals sitzt ebenfalls seit Jahren in den unterschiedlichsten Literaturjurys und hat seine Erfahrungen niedergeschrieben. In einem Beitrag für den Merkur aus dem Jahr 2016 gibt er einen sehr guten Einblick in die Jury-Arbeit, speziell in die interpersonellen Mitgliederbeziehungen. Das kann sehr spannend sein, manchmal aber auch anstrengend und belastend.

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