Startseite»Bis Klagenfurt anruft«Irseer Pegasus Ob das fette Brauerei-Ross wirklich Flügel hat?

Irseer Pegasus Ob das fette Brauerei-Ross wirklich Flügel hat?

Gespannte Erwartung in Irsee (Klick zum Vergrößern) - Foto: Cornelia TravnicekDer Irseer Pegasus ist ein seit zehn Jahren stattfindendes Autorentreffen im Kloster Irsee. Um teilnehmen zu können, muss man sich bewerben und im Falle einer erfolgreichen Bewerbung ca. 200 Euro Teilnahmegebühr bezahlen. Ob sich das lohnt, wollte Cornelia Travnicek wissen. Ein weiterer Praxisbericht.

Warum ich gerade hier, im Burger King am Münchner Bahnhof, in eine Stimmung absoluter Traurigkeit und Einsamkeit verfalle, und das nur, weil schon das dritte gefühlsduselige Lied hintereinander im Radio läuft, das weiß ich nicht. Vielleicht, weil ich für drei Stunden heimatlos bin, solange dauert es noch bis mein Zug nach Hause abfährt. Der Irseer Pegasus 2008 ist zu Ende.

Cornelia Travnicek

berichtet im literaturcafe.de seit 2006 von ihrer bisherigen Autorenlaufbahn und davon, wohin es führen kann, wenn man eines Tages beschließt zu schreiben. Interessant für alle, die Ähnliches selbst erlebt haben, noch erleben wollen oder sich vielleicht nach der Lektüre entschließen, es doch besser zu lassen. Seinerzeit schrieb Cornelia unter dem Motto »Bis Klagenfurt anruft« sieben Berichte und einige Bonusfolgen u.a. über Veröffentlichungen, Preise, Lesungen, Literaturforen und die eigene Website.

Cornelia Travnicek: Chucks (Buchcover)Im Frühjahr 2012 erscheint Cornelia Travniceks erster Roman »Chucks« in der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA). Wie ergeht es einem als österreichische Autorin, wenn man zu einem großen deutschen Verlag wechselt? Erfüllt sich ein Autorinnentraum? Ist es der Karrieredurchbruch?

Unter dem Titel »Bis Klagenfurt anruft. Reloaded« setzt Cornelia Travnicek 2012 ihre Berichte im literaturcafe.de fort.

Im Juli 2012 las sie dann tatsächlich in Klagenfurt und gewann den mit 7.000 Euro dotierten Publikumspreis. 2012 ist sie Stadtschreiberin in Kärnten.

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www.corneliatravnicek.com

Cornelia Travnicek: Chucks: Roman. Taschenbuch. 2014. btb Verlag. ISBN/EAN: 9783442747023. EUR 8,99 » Bestellen bei amazon.de Anzeige)

Weil Gert Heidenreich der laut Vorstellung durch Herrn W. nicht nur Schriftsteller ist, sondern auch der Mann von Elke Heidenreich war angemerkt hat, er vermisse das Abweichen vom geradlinigen Erzählen, darum beginne ich im ersten Absatz am Ende. Zäume den Pegasus also von hinten auf. Oder vielleicht mit diesem Absatz wohl eher von der Seite. Alles eine Frage der Perspektive.

Der Irseer Pegasus definiert sich selbst als Autorentreffen und fand heuer zum zehnten Mal statt. Sich zu bewerben kostet nichts, das Eingeladenwerden allerdings doch. Warum bewirbt sich also eine Autorin, die sonst nie im Leben Teilnahmegebühren für einen wie auch immer gearteten Wettbewerb zahlen würde, bei einem Seminar, das Unkosten von ca. 350 Euro mit sich bringt (Seminarbeitrag von 199 Euro, Zug, Taxi und nicht inkludierte Getränke). Die Wahrheit ist: sie hat sich etwas davon erhofft, mit dem sie sich im Nachhinein rechtfertigen könnte.

Was am Ende davon blieb, außer dem nun aufgebrauchten Weihnachtsgeld: Hauptsächlich Müdigkeit. Denn die Tage des Seminars (3. bis 5. Januar 2008) sind bis zum Letzten vollgestopft mit Anwesenheitspflicht. Lesungen, Textbesprechungen und Diskussionen, bei denen grundsätzlich der Zeitplan nicht eingehalten wird was zu einer Verkürzung der ohnehin knapp bemessenen Pausenzeit führt. So ist man fast pausenlos (und) im Verzug.

Laut Ausschreibung sollten alle Teilnehmer mindestens eine eigenständige Veröffentlichung vorweisen. Oder Vergleichbares. Die meisten der Teilnehmer hatten Vergleichbares. Der Anteil an männlichen und weiblichen Autorinnen war ausgewogen, der Altersdurchschnitt war eher im oberen Bereich der Skala anzusiedeln. Gert Heidenreich war leider nur für die Lesung aus seinem Buch und die Teilnahme an der Podiumsdiskussion anwesend.

Am Ende des Workshops wird jedes Jahr ein Preis vergeben, der von den Autoren selbst bestimmt werden kann. Man bewertet alle seine Kollegen auf einer Skala von Null bis Fünf, die Punkte werden dann addiert. Sich selbst bewerten alle von vornherein mit Fünf, um auf eine einheitliche Basis zu gelangen, soweit ganz fair. Zusätzlich wird ein Jurypreis vergeben. 3. Platz und Jurypreisträger dürfen sich über die Deckung ihrer Ausgaben freuen, 2. Platz und 1. Platz kassieren da schon etwas mehr. Die Preisverleihung hat sich Gert Heidenreich nicht mehr angesehen.

Warum es gut war: Weil man wieder einmal unter andere Autoren kam, sich ausnahmsweise auch wieder mit dem handwerklichen Teil des Schreibens beschäftigte und einige nette Leute kennenlernte. Das Essen war auch gut. Warum es nicht so gut war: Weil es etwas gekostet hat und das nicht wenig, weil die meisten Autoren sich nicht einmal Notizen zur Kritik, die sie bekommen haben, machten, was eigentlich eine Diskussion unnötig macht, weil es viel zu viel in zu kurzer Zeit war. Und weil es traurig war.

Klinke in Irsee (Klick zum Vergrößern) - Foto: Cornelia TravnicekIch möchte hier einen sehr ehrlichen Absatz über junge Autoren schreiben. Wir glauben doch alle im Geheimen, dass wir ES irgendwann schaffen. Was dieses ES ist, das definieren wir nicht so genau. Einen Bestseller landen, den Deutschen Buchpreis gewinnen, den Nobelpreis, was auch immer. Genau darum ist der Irseer Pegasus traurig. Weil dort so viele Menschen waren, die es eben nicht geschafft hatten. Noch immer nicht haben. F. titulierte das ganze »B-Veranstaltung«. Da war also die B-Seite der Literatur. Regional »erfolgreiche« Autoren – auch unter den Veranstaltern. Als junger Autor hat man eine gewisse Vorstellung von dem Alter, in dem man es geschafft haben möchte. Die meisten der Kollegen lagen da leider darüber, manche sogar weit. Und irgendwie keimt dann in einem selbst die Angst, auch einmal in diesem Alter hier zu sitzen und noch immer zu warten. Darauf, dass es passiert. Und dahinter wieder steht die Angst, dass es nie passieren könnte.

Neben all dem war das alte Benediktinerkloster Irsee eine schöne Kulisse, von der man durch den Stress leider wenig sah. Ganz am Schluss wurde auch noch eine Respektlosigkeit an den Autoren begangen, welche die Stimmung Mancher dann doch etwas ins Negative schlagen ließ, wenn ich das so ausdrücken darf. Es ist ja toll, wenn man in einem schönen Barockzimmer ein Streichquartett aufspielen lässt und Reden schwingt und in all dem Pomp Autoren Geld schenkt. Dass man diese vier Autoren aber fünf Minuten bevor die Zeremonie beginnt, vor den Augen aller anderen in Grüppchen wartenden Autoren zu einem Foto mit der Presse bittet und somit banal und rüde zu verstehen gibt, wer nun die Preisträger sind, das ist in meinen Augen und auch in denen anderer Teilnehmer einfach respektlos und nichts anderes. Dann braucht man nämlich die ganze Zeremonie nicht mehr, es gibt keine Spannung dahinter und manche Autoren bleiben dann auch nicht so lange, sich nochmal diese vier Texte anzuhören, die sie teilweise ja erst am Vormittag lange und breit diskutiert haben.

Zusätzlich entstand manchmal der Eindruck einer Werbeveranstaltung. Oder dass manche Leute sich viel zu gerne selbst reden hören. Aber egal. Wer einen der gut dotierten Preise verliehen bekommt, bei dem mag sich das Ganze im Nachhinein durch eine rosa Brille betrachten lassen. Bei F. und mir, da war das etwas anders. Wir haben beschlossen: einmal und nie wieder. Nie wieder für etwas zahlen müssen. Lieber das Geld nehmen und Urlaub machen. Und die netten anderen Autoren im Internet kennenlernen (einige der Teilnehmer findet man unter anderem im Poetenladen). In die Liste von »keine Teilnahmegebühren« und »keine Zuschussverlage« reihten sich der Irseer Pegasus und vergleichbare Veranstaltungen, die nicht vollkommen kostenlos sind. Abgehoben sind wir also nicht.

Warum es am Samstag nach 20 Uhr nur eine einzige Verbindung von München nach Österreich gibt, die über Salzburg hinausgeht, ist mir ein Rätsel. Auf Bahnhöfen befindet man sich in einer Art Zwischenwelt. Hier am Ende dieses Berichts sind es nur noch zwei Stunden bis Mitternacht und damit zur Abfahrt meine Zuges. Die Lieder im Radio werden auch nicht fröhlicher.

Cornelia Tavnicek

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