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Ein T wie Tumor
von Stephanie Semisch

Ein T wie Tumor oder doch das T für Tod. Was ist passiert. Warum sie? Immer noch kann ich es nicht glauben. Das T steht für so vieles im Moment. Die Trauer, der Todesfall, die Todesstille usw. Ich will nicht trauern, ich will stark sein. Ich möchte ihr helfen. Wie kann ich ihr helfen. So viele Fragen und das T steht wie ein Kreuz, zu riesig um es umzuwerfen und so mächtig, dass man Respekt davor hat. Alles wäre viel einfacher, wenn es das T nicht gebe. Am liebst würde ich es wegradieren oder besser noch evakuieren. Auf eine einsame Insel schicken, damit es niemanden mehr weh tun kann. Doch das Schicksal will es so und wir müssen das T so nehmen, wie es sich in voller Größe zeigt. Gibt es auch nette Wörter mit dem Anfangsbuchstaben T? Mir will nicht eines einfallen. Mein Kopf ist leer und dieses T klopft jede Sekunde erneut an und fragt was es tun soll. Ich schreie und schlage. »Weg gehen sollst du, verschwinden. Keiner hat dich gebeten zu kommen.«
     Ist das der richtige Weg. Wir müssen tapfer sein und stark. Wir werden es schaffen. Optimismus wird verlangt. Seit Dezember weiß sie es. Ich erst seit gestern. Wie konnte sie es so lange ertragen? Ich zermatere mir mein Hirn und die Antworten bleiben fern. Halt muss ich geben. Sie davon überzeugen, dass alles wieder gut wird. Lügen soll ich?
     Sie selber spricht vom Tod und fühlt sich wohl, wenn sie es sagt. Kann das sein? Ich weine, wenn sie so redet! Doch sie hat ein Lächeln im Gesicht und sagt, dass wir alle mal sterben müssen. Und dann fügt sie hinzu: »Das T steht auch für Treue, Tugend, Tollkühnheit und auch für Tapferkeit. Es ist nicht so schlecht wie du denkst.« Als sie das gesagt hat, nimmt sie mich in den Arm und, anstatt dass ich sie tröste, tröstet sie mich.

© 2002 by Stephanie Semisch. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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