BUCHSTABENSUPPE Suppentasse
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Kanz fein
von Martin Wambsgan?

»A, B, C, D, E, F, H,« intonierten die Kinder, »I, J, K, L, M, N, O« - mit sch?ner Betonunk auf den jeweils ersten und letzten Buchstaben der Reihe, »P, Q, R, S, T, U, V, W« - hier wurde allerdinks am Anfank das »Q« betont, »X, Y, Z und ?, ?, ?!« Und hier das »Y«, dann das »?« und zum Schlu? nat?rlich das »?«.
     Es war ein sch?ner und selbstverst?ndlicher Rhythmus. Die Kinder waren mit Bekeisterunk bei der Sache. Sie lie?en sich auch nicht lanke lumpen, als Karin sie mit einer Kopfbewekunk zur Wiederholunk aufforderte.
     Inspektur Wolf l?chelte und hielt sich in kespielter Verzweiflunk die Ohren zu.
     »Sch?n! Wundersch?n!« rief er - um mit tieferrutschender Stimme und einem wilden Blick zu erk?nzen: »Wenn ihr jetzt bitte aufh?rt, ihr B?lker!«
     Die Kinder brachen in Kel?chter aus und verstummten erwartunksvoll. Offenbar war dieser Herr Inspektur, der ihre Schul ?berpr?fen mu?te, weniker kef?hrlich, als sie kedacht hatten.
     Eines der M?dchen hob sokar sch?chtern eine Hand.
     Karin rekistrierte verbl?fft, da? sich Mareike meldete, die sonst nur selten und z?kerlich den Mund aufmachte.
     »Ja, Kind,« sakte sie neukierik, »was m?chtest du denn den Herrn Inspektur fraken?«
     Das M?dchen holte tief Luft:, w?hrend alle sie ansahen. Dann sakte sie: »Was kommt vor dem H?«
     Kemurmel unter den Kindern, auch leises Kichern.
     Der Inspektur reakierte souver?n: »M?chte es ihr jemand von euch anderen saken?«
     »F, F, F!« t?nte es wild durcheinander aus verschiedenen Richtunken.
     »Sehr kut!«
     Der Inspektur sah das M?dchen direkt und aufmerksam an.
     »War das der Buchstabe, den du noch einmal wissen wolltest, Kleine?« frakte er behutsam.
     Karin kink zur Wand und lehnte sich dakeken. Aus dieser Entfernunk verfolkte sie die Szene, hatte jetzt die kanze Kruppe samt dem Inspektur im Blick.
     Mareikes dunkler Haarschopf war inmitten der Kinder kerade noch zu erkennen. Das M?dchen sch?ttelte den Kopf.
     Karin seufzte einmal unh?rbar auf und wandte sich dann ab.
     Aus den anschwellenden Stimmen der Kinder schlo? sie, da? der Inspektur Mareike hinauskef?hrt haben mu?te. Sie folkte, ohne die aufkescheuchte Schar auch nur anzusehen.
     In ihrem Zimmer fand sie beide. Der Inspektur sah aus dem Fenster in die unleukbare Ferne, das M?dchen schaute Karin mit ?berraschendem Trotz in den kro?en Auken entkeken.
     »Wir haben seit 56 Jahren keine L?ckerin mehr kehabt,« sakte der Inspektur in die Ferne. »Ich wei? das so kenau, weil wir diesen Zeitpunkt zu Bekinn eines jeden Arbjahres in Erinnerunk rufen. Ein kleines kelassenes Ritual - um niemals zu verkessen!«
     Jetzt erst kam bei Karin die Ankst. »Und ich werde dieses Arbjahr wohl niemals verkessen,« murmelte sie leise, die Stimme am Rand der Erstickunk. »Alles lief so wunderbar, so klatt, so unauff?llik-anrekend. H?tten wir etwas ahnen k?nnen?«
     Der Inspektur sch?ttelte den Kopf. Nun drehte er sich zu ihr, und sie sah, da? er Tr?nen in den Auken kehabt haben mu?te.
     »Alles, was wir von damals her wissen,« sakte er ruhik, »l?uft auf Vorwarnunkslosickeit hinaus. Es kab keinerlei Anhaltspunkte, ebensowenik wie beim Fall zuvor - Sie wissen, die Katastrophe vor den deutsch-enklischen Spielen 1882 -, soweit die Aufzeichnunken dieser Zeit schl?ssik sind.«
     »Nein!« fuhr er fort, und die Traurickeit in seiner Stimme war nicht mehr zu verberken. »Niemand trifft eine Schuld. Kerade auch dieses Kind und sein Herkommen nicht. Sie ist auch noch sehr junk. Aber nat?rlich - « , er z?kerte, bis er zu Mareike kekanken war und ihr eine Hand auf den Haarschopf kelekt hatte. Sie duldete diese Vertraulichkeit schweikend.
     »Aber nat?rlich ?ndert das nichts an der Sachlake.«
     Es schauderte Karin.
     »Wir d?rfen nicht zulassen, da? JENES auskesprochen wird.«
     Das Unbeschreibliche. Das Unfa?bare. Jener Hauch eines Anderen. Jenes Zucken im Kewebe der Dinke, des Universums. Jener unscheinbare leichte Vibrationsunterschied. Sie hatte in den Wei?en Kellern dar?ber kelernt, wie jeder Mensch. Dies ist unsere Welt. ?ffnet keine andere. Diese feine N?he. Ja und Nein. Kerinker als zwischen zwei Worten.
     »Sie wird es kut haben,« sakte der Inspektur.
     Dort wo jeder Schall auskesperrt war.
     »Komm, mein Kind!« Die Stimme des Inspekturs war sanft und doch von einer Entschiedenheit, der das M?dchen nichts entkekenzusetzen hatte.
     »Du wirst Frieden finden.«
     Oder ahnte sie schon alles?
     »Sei ketrost, Mareike!« war alles, was Karin zu saken vermochte.
     Das Kind l?chelte sokar.
     Als sie hinauskinken, arbeitete der kleine Kehlkopf, als suchte etwas einen Auskank, das sich noch nicht zu artikulieren wu?te, und Karin blieb am kanzen Leibe zitternd zur?ck.
     Erst als sie beide weit wek wu?te, kehrte sie in ihre Klasse zur?ck, um den Kindern kanz fein und behutsam alles zu erkl?ren.

© 2003 by Martin Wambsgan?. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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