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B wie Baula
von Dagmar Friedrich

Unsere Oma wird im Mai 91 Jahre alt. Obwohl sie meine Schwiegermutter ist, nenne ich sie Oma wie unsere Kinder. Es ist einfacher, und jeder in der Familie weiß, wer gemeint ist. Wir haben nämlich nur noch die eine Oma. Das reicht auch.

Sie ist eine sehr tatkräftige Frau mit großen, eher männlichen Händen, die zupacken können. Zu Lebzeiten von Opa quälte sie ihn oft mit ihrer Aktivität, wobei ich ihr keine Böswilligkeit unterstellen will. So fand sie es einmal an der Zeit, dass das kleine Wohnzimmer getüncht wird. Vor allem um die Lichtschalter herum waren schwarze Fingerabdrücke zu sehen. Weil sie das störte, suchte sie sich im Keller einen Pinsel und einen Rest von Farbe, der vom letzten Renovieren übrig geblieben war, und begann ihr Werk.

»Allmächt', jetzt hob i mei Brilln verlecht!« stöhnte sie, denn unsere Oma ist aus "Nernberch". Auch ohne Brille pinselte sie um den Schalter herum, bis die Fingerabdrücke verschwunden waren. Fertig! Da ihre Tatkraft oft der Planung vorauseilt, war ihr allerdings nicht aufgefallen, dass der neue Farbton nicht mit dem matten Gelb des alten Anstrichs übereinstimmte. Opa war gezwungen, das restliche Zimmer zu weißeln, was ihn für die nächsten sechs Wochen voll beanspruchte, denn unser Opa ist sehr gründlich.

Als Opa vor einigen Jahren starb, erfüllte sie sich einen lang gehegten Wunsch: eine Reise. Die Pflege des bettlägerigen Mannes, vor allem die Notwendigkeit ihrer ständigen Anwesenheit, hatte diesen Wunsch in ihr wachsen lassen. Da ihre drei Kinder zu phlegmatisch waren, die Reise zu organisieren, nahm sie mit gewohnter Tatkraft die Sache selbst in die Hand.

Mit ihrem Fahrrad fuhr sie - mit ihren damals 82 Jahren - in das kleine Reisebüro, das sie aus unseren Erzählungen kannte. Zielstrebig steuerte sie auf die blonde junge Frau zu, die den Laden leitete.

»Grüß Gott, was kann ich für Sie tun?«
     »Ich dät gern a Reise buchn.« antwortete Oma.
     »Bitte nehmen Sie doch Platz, ich werde Sie gerne beraten.« sagte die Blonde. »Haben Sie schon eine Idee, wo es hingehen soll?«
     »Ja, ich will nach Bommbäh!«
     »Wie viele Personen werden an der Reise teilnehmen?«
     »Ich foa ganz alla!«
     Die Blonde stutzte. Eine beachtliches Vorhaben für eine - wenn auch rüstige - alte Frau.
     »Möchten Sie nur den Flug buchen, oder suchen Sie eine organisierte Reise mit Hotelunterbringung und Verpflegung?«
     »Na, ned nur den Fluch, scho mit a Bension und Reiseleidung!« antwortete Oma entrüstet.
     »Da hätten wir ein günstiges Angebot mit Zwischenlandung in Istanbul, Unterbringung in Bombay in einem Drei-Sterne-Hotel, 14 Tage mit Halbpension und deutschsprachiger Reiseleitung.« Die Blonde blätterte heftig in ihren Katalogen.
     Oma war verwirrt. Da ihr Hörvermögen mit zunehmendem Alter ständig nachließ, legte sie ihre Hand hinter ihre rechte Ohrmuschel und fragte: »Wie bitte?« Manchmal redet sie nach der Schrift.
     Irritiert blickte die Blonde auf. »Möchten Sie lieber einen Non-Stop-Flug?«
     »I will ned nach Istanbul. Was dät ich in Istanbul? I will nach Bommbäh!!!« Omas Entrüstung wuchs.
     »Nun, ich dachte, ein kleiner Zwischenstop könnte auf einem so langen Flug nicht schaden. Immerhin sind es fast 16 Stunden reine Flugzeit bis nach Indien!« beschwichtigte die Blonde.
     »Ich will ned nach Indien, ich will nach Bommbäh in Idalien!!!« Allmächt', versteht die denn ka Deutsch?
     Allmählich dämmerte es der Blonden, dass es sich hier scheinbar um ein grundlegendes Missverständnis handelte.
     »Kann es sein, dass Sie nach Pompeji in Süditalien reisen möchten?!?« fragte die Blonde zaghaft.
     »Des soch ich doch die ganze Zeid, nach Bommbäh mit B wie Baula!!!«

Letztes Jahr hat unsere Oma mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester eine Mittelmeerkreuzfahrt gemacht. Aber das ist eine andere Geschichte...

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