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Abel Alpha
von Angelika Hensgen

Für jemanden, der Abel Alpha hieß, war klar, dass er dem Anfang, dem A eben, große Bedeutung beimaß. Wo er ein A sah, hörte oder nur ahnte, überkam ihn großes Wohlbefinden. Ihn störte ein wenig die Initialenfolge A.A., aber das war eine Abkürzung, und eine unangemessene Füllung der Leerstellen ließ vor allem Rückschlüsse auf das geistige Niveau des Auslegers zu.
     Das A half Abel Erlebnisse einzuordnen und Entscheidungen zu treffen. Arztbesuche erfüllten ihn niemals mit Angst, seit er als kleiner Junge A sagen durfte. In der Schule verdankte er seinem Namen, dass er immer als erster aufgerufen wurde, nie musste er warten, er betrachtete diesen Umstand als Privileg. Außerdem schonte die besondere Weltsicht seine Nerven, denn er machte sich nichts draus, wenn jemand rief: »Du A…!«
     Die Schule schloss er besser ab, als seine Eltern und Lehrer es je vorausgesehen hätten. Sie wussten ja nicht, dass ihm alles passieren durfte, nur nicht die Verbannung aus dem A-Kurs, und dieser bedeutete eben die Zulassung zum Abitur. An der Universität belegte er die Fächer Afrikanistik, Anglistik und Archäologie. Die ungewöhnliche Kombination verhalf ihm zu einer persönlichen Arbeitsatmosphäre. Er betrieb begeistert Feldstudien und ein Thema für die Abschlussarbeit war auch schnell gefunden. Gerade zu dieser Zeit fiel allerdings ein Sandkorn in das rundlaufende Getriebe seines Lebens.
     Abel lernte Zaza Zymase kennen. Niemals vorher war es passiert, dass er das A völlig vergaß. Seine Magisterarbeit ruhte ein ganzes Semester, er hatte nur Augen für Zaza und wollte immer in ihrer Nähe sein. Zaza Zymase genoss dies sehr. Wer wird nicht gerne angehimmelt. Als obdachlose Punkerin konnte sie ein warmes Bett gut brauchen und Abel war ein Schatz und gebildet dazu. Über alles konnte man mit ihm reden, nur das Gespräch über Buchstaben hätten sie lassen sollen. Aus irgendeinem Grund stellte Abel sich nämlich vor, dass sie heiraten würden und Zaza Alpha wäre doch ein Name von einsamer Spitze. Zaza zog das Cleopatranäschen kraus und konnte sich keinen Grund vorstellen, warum sie nicht Zaza Zymase bleiben könnte. Immerhin, so argumentierte sie, schließe ihr Doppel-Z eine Sache doch eben so gut ab, wie sein Doppel-A alles eröffne. Da grinste der studierte Abel schlau. Das mit dem Z sei so eine Sache, sie würde doch wohl das Weihnachtslied kennen… du bist A und O. Natürlich, Zaza wusste nur nicht, was das jetzt sollte, wo Karneval vor der Tür stand. Also, setzte Abel seine Antithese fort, das Z ist irgendein unauffälliger Buchstabe im griechischen Alphabet, das Omega sei der letzte, und das wüsste doch jedes Kind, das unter einem Tannenbaum gesessen hat. Das A aber… weiter kam er nicht, denn Zaza haute ihm kurzerhand die Azalee samt Übertopf auf die Birne und entschwand.
     Als Abel sich das Blue Pack gegen die Beule drückte, konnte er sich nur über sein mangelndes Feingefühl wundern. Wer soviel wert auf seinen Buchstaben legt, sollte auch den eines anderen respektieren können.

© 1998 by Angelika Hensgen. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

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