satz-für-satz für hermann mensing

Ihm war, als hätte er die folgende Geschichte schon einmal geschrieben, doch fiel ihm nicht mehr ein wann.

Satz von Wolfgang Tischer, Stuttgart

 

Die Geschichte zum Satz:

Er fuhr seinen Computer hoch, klickte auf Arbeiten bis 2000 und startete eine Suche. Sein Suchwort: Liebesgeschichte. Der erste Versuch stammte vom 18.09 ....

... 14:22
Papa fand ihn gut. Aber nur als Maschine, nicht mir mir drauf.
Mama fand ihn grauenhaft. Mama sagte, er sähe aus, wie ein verunglückter Space-Cruiser aus einem billigen Science Fiction Film.
Na und? sagte ich.
Ich fand ihn super. Er war meine Rakete. Und das Beste war: ich hatte ihn selbst bezahlt. Einen Euro und noch einen und noch einen. Insgesamt: jede Menge.
So viel Geld für so ein Ding? hatte Mama gesagt.
Ja. Mein Geld.
Rausgeschmissenes Geld! hatte Mama gesagt.
Was weißt du denn! hatte ich geantwortet.
Eineinhalb Jahre hatte ich zweimal pro Woche Reklame ausgetragen. Flyer für Supermärkte, Tonnen Papier, manchmal gelb, manchmal rot, immer mit den billigsten und besten Angeboten. Wenn das Wetter schlecht war, ließ ich schon mal einen Packen in einem Papiercontainer verschwinden.

Der zweite Versuch datiert vom 26.09.

Ich stelle mir vor, wie sie hinter mir sitzt. Beide Arme um meine Hüften gelegt. Und wie der Wind weht. Und wie wir durch die Straßen fahren. Wie ihr Haar fliegt und wie sie kreischt, wenn wir uns in die Kurve legen.
Sie ist mir so nah wie nie vorher.
Stopp!
So soll es bleiben.
Ich gebe Gas.
Der Himmel flattert wie ein bleiches Tuch, Fahrtwind drückt auf unsere Gesichter und wir atmen in kleinen, rastlosen Zügen. Ich weiß, was sie will. Ich kenne ihre Gedanken, als wären es meine.
Sie ruft meinen Namen.
Nein Teke, nein, bitte nicht!!!
Ach komm, hab dich nicht so, dir macht das doch auch Spaß!
Sie lacht ein lautes, gluckendes Lachen, sie prustet vor Freude.
Es ist nämlich so: wir reißen aus. Sie und ich. Wir kommen heute Abend einfach nicht nach Hause. Heute Abend sind wir am Meer.

Hier reißen die Aufzeichnungen ab, einen dritten Versuch gibt es nicht.


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über den Autor Hermann Mensing
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