New York - Ende 2003
Ein Tagebuch aus dem Praktikum in einer gro�en Stadt
Foto von New York

Teil 6 - 01.01.2004
Home Sweet Home - Wieder daheim

New York Ein letztes Kapitel im Reisetagebuch aus New York - in welchem ich, während ich diese Zeilen zu Papier bringe, schon nicht mehr verweile. Schon Tage vor der Abreise klangen mir die weisen Worte einer guten Freundin im Ohr, die einst als Au Pair die Hudson-Metropole aufsuchte. Damals - so berichtete sie mir - hielt man es noch für notwendig (vielleicht auch heute noch?), für Europäerinnen eine Art Einführungsabend in den »american way of life« zu halten, um so gröbere Zwischenfälle zu vermeiden. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde auch vor dem Kulturschock gewarnt, der nach Rückkehr ins Heimatland zweifelsohne über einen hereinbrechen würde (außerdem hielt man auch noch andere wertvolle Tipps für angebracht.jenen, sich die Achselhaare zu rasieren beispielsweise, denn so würden es echte Amerikanerinnen auch machen.Hört, hört! Wann diese bahnbrechende neue Mode wohl in Europa Einzug halten wird?).
     Ich war jedenfalls gewarnt. Zwar hatten wir ja nur drei Monate in den USA verbracht, aber allein Folge 5 zeigt ja schon, was sich da bereits alles verändern kann. Ich wollte auf jeden Fall nichts dem Zufall überlassen und einem eventuellen Kulturschock schon präventiv ein alkoholtechnisches Schnippchen schlagen. In diesem Sinne war die letzte Woche vor Abreise determiniert durch die einzig legale Droge der Menschheit (neben Schokolade und . äh.Kaffee), die man selbst in den USA mühelos erhält, sofern man 21 Lenze zählt (eine Bedingung, die ich leider schon seit geraumer Zeit erfülle) und bereit ist, dem jeweiligen Drink in der Öffentlichkeit ein hübsches Papp-Outfit zu verpassen. Alkohol floss in rauen Mengen - ob aus dem Likor-Store in unser geliebtes Appartement geholt oder in sämtlichen Bars unserer »hood« genossen, die wir bis jetzt noch nicht kannten. Nachdem unsere Leber bis Freitag vor Abreise schon relativ stark strapaziert wurde, sahen wir in der Einladung zur Geburtstagsparty für Samstag Nacht keine große Gefahr mehr. Uns kurz mal blicken lassen, ein, zwei Gläschen kippen, sich in Hinblick auf den Abflug am nächsten Tag noch vor Mitternacht auf den Heimweg machen, um so rechtzeitig aufwachen, rechtzeitig Koffer packen, rechtzeitig zum Flughafen abfahren und rechtzeitig abfliegen (und zwar in dieser Reihenfolge) zu ermöglichen.
     Nun gut, was soll ich sagen.zwei von drei Personen hielten sich auch an diesen Plan, meine Wenigkeit allerdings nicht so ganz. Schon der Name der Location, »Open Bar« nämlich, hätte die Worte »Nomen est Omen« in mir hervorrufen sollen. Die Bar blieb für mich bis drei Uhr morgens open. Danach ging es aber natürlich nicht direkt nach Hause, sondern weiter in den nächsten Club. Ich will hier lieber die Kurzversion wählen, um nicht alle Details dieser Nacht offenbaren zu müssen, aber im Endeffekt küsste ich um sieben Uhr morgens das Kopfkissen, von dem ich mich um acht Uhr wieder hätte erheben sollen, jedoch erst um halbzwölf das lästige Weckerklingeln bemerkte, dafür jedoch dann sofort hellwach war. Das Packen verlief wie folgt: Koffer auf, Schublade raus, reingekippt, Kopfwehtablette geschluckt, nächste Schublade, gefreut, weil alles im Koffer verstaut, auf Mäntel, Jacken und Schuhe aufmerksam gemacht worden, geflucht, Schuhe weggeworfen, Kopfwehtablette geschluckt.
New York     Irgendwie schafften wir es doch noch zum Flughafen, und früh genug, um noch mal den neuen Air Train auszuprobieren, mit dem man jetzt von einem Terminal zum anderen schweben kann. Im Air Train stecken geblieben, da die Technik doch noch nicht ganz ausgereift zu sein scheint. Flug trotzdem noch bekommen.
     Im Flugzeug verspürte ich das erste Mal in diesen letzten Tagen vor Abreise ein Gefühl der Wehmut. Die Skyline Manhattans zeigte sich zu unserer Linken noch mal in bester Sonnenuntergangs-Manier, was mein Herz verkrampft und meine Augen glasig werden ließ. Um dieser Melancholie Einhalt zu gebieten, bestellte ich gleich mal den ersten Long Drink. Auch, um dadurch den Flug billiger zu machen.denn meine Theorie lautet wie folgt: würde man den Drink nun in einer Bar in New York zu sich nehmen, zahlte man zirka 10 Dollar.also müsste es doch möglich sein, auf diese Weise einen 400 Dollar Flug auf 300 runterzukriegen.
     Verehrte Leser, es war möglich. Doch ich möchte auf diesem Wege allen davon abraten, es mir gleich zu tun. 350 Dollar wären eventuell ausreichend gewesen. Nach nur fünf statt zehn Wodka Orange (halt, neun Wodka und ein Campari, denn der Wodka war ja ab fünf Uhr morgens aus.) hätte ich den Flug trotzdem genossen. Ich wäre sehr wahrscheinlich trotzdem angeheitert genug gewesen, um lauthals die Lieder, die das Bordradio in meine Ohren posaunte, mitzugrölen. Ich hätte sogar auch trotzdem im Gang getanzt. Nur wäre mir eventuell eine Stunde auf der Flugzeugtoilette erspart geblieben.
     Man kann sich in etwa vorstellen, welchen Anblick ich bot, nachdem wir in Wien gelandet waren. Kulturschock? Ha! Ich war wohl ein einziger Schock für die anderen. Ungekämmt. Unausgeschlafen. Ungeschminkt (stimmt nicht ganz.schließlich hatte ich noch die Wimperntusche vom Vorabend unter den Augen.). Ungewaschen. Und sehr betrunken. Die ersten Stunde in meiner Heimat habe ich schlafen verbracht. Die ersten 14 Stunden genauer gesagt. Als ich wieder aufwachte, war es Weihnachten. Seit drei Tagen verkaufe ich Schweine. Glücksbringer, damit wir uns richtig verstehen. Und das ist alles, was ich zu meiner Rückkehr bisher sagen kann. Ich bin körperlich angekommen - der Geist folgt hoffentlich bald :-)

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© Text und Bilder 2003 by Claudia Sebunk. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.

Claudia Sebunk, Publizistik-Studentin an der Universität Wien, befand sich Ende 2003 im Alter von 26 Jahren in New York, wo sie für drei Monate als Praktikantin in einer Fotoagentur arbeitete. In dieser Zeit schilderte sie Woche für Woche ihre Eindrücke im Literatur-Café schildern.

Wozu ein Praktikum? Einerseits um die nach Studienabschluss mit großer Sicherheit folgende traurige Periode der Arbeitslosigkeit zumindest um einige Wochen hinauszuzögern; andererseits um die Lücken jener ominöser Liste namens »Was ich in meinem Leben schon alles erreicht habe«, die jeder, der kurz vor seinem 30. Geburtstag steht, gezwungen ist, aufzuzählen, zumindest durch »Auslandserfahrung« aufzufüllen, nachdem Punkte wie Job, Haus, Hund, Mann, Kind nach wie vor durch Abwesenheit glänzen und bis zu oben erwähnten Datum auch nicht unbedingt zu erwarten sind.

Mit wem? Nachdem sie 2002 das selbe Abenteuer schon einmal, jedoch alleine, gewagt hatte, entschloss sie sich dieses Mal für eine Dreier-Konstellation (bitte schlüpfrige Witze an dieser Stelle bei Bedarf selbständig einfügen) und lebt nun mit einem Pärchen, bestehend aus zwei weiteren Praktikanten in New Yorks East Village.

Warum New York? Die Mieten rangieren in Höhen, die nur noch schwindelfreie Menschen zu erklimmen im Stande sind. Es ist laut. Es ist dreckig. Und zu dieser Jahreszeit auch nicht gerade kuschelig warm. Eine Wohnung, deren Heizung nur an drei Tagen pro Woche funktioniert und die leider auch gleichzeitig Effekte auf das Warmwasser hat (das in diesem Falle als Kaltwasser bezeichnet werden müsste), macht diesen Umstand nicht gerade leichter. Man steckt ständig in einem Strom von Menschen fest, der einen in Richtungen drängt, in die man eigentlich gar nicht wollte. Begriffe wie quality time, fat free/sugar free sweets (ein Paradoxon per se) und Wasserkakerlaken (als wenn normale Kakerlaken nicht schon reichen würden) müssen plötzlich in den Wortschatz integriert werden und man hat pro Tag etwa $10 Dollar zur Verfügung, um die amerikanische Wirtschaft anzukurbeln bzw. das eigene Bäuchlein wahlweise mit Essen oder Bier zu füllen (beides ist aufgrund oben erwähnter finanzieller Umstände selten möglich). Warum zur Hölle tut man sich das an?

Weil es sich eben um New York handelt. Und die Stadt ist es immer noch wert, auf sämtlichen verwöhnt-europäischen Luxus zu verzichten, um sich kopfüber ins Abenteuer zu stürzen. New York macht mit all seinen Superlativen alles andere wett.

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