Ich kann nicht duschen, weil ich auf den gelben Kombi warte. Es könnte ja sein, dass er vor meiner Haustür erscheint, just in dem Moment, indem mir mein Schuppen-Shampoo die Ohren verstopft.
     Vielleicht rufen sie mich aber über Handy an, schicken mir eine eMail oder eine SMS. Vorsorglich habe ich Internetzugang rund um die Uhr beantragt und eine D2-Mailbox, die ich stündlich abhöre. Früher oder später müssen sie sich melden, man kann schließlich nicht einfach beim Verlag mein Rückporto einkassieren und das Manuskript als Klopapier benutzen.
     Dann sind da noch diverse Ausschreibungen, deren Deadline seit Urzeiten abgelaufen ist, und die Literaturzeitschriften, die entweder ganz schnell oder nie antworten.
     Sie alle stecken irgendwie unter einer Decke. Es ist eine Riesenverschwörung im Gang, ich spüre es. Noch kenne ich nicht den Ursprung, aber ich ahne, dass die Bundespost mit drin hängt. Man muss Beweise sammeln. Gestern zum Beispiel beobachtete ich den gelben Kombi beim Nebenhaus und warf mir schnell einen Jogginganzug über. Aus meinem Fens-ter sah ich ihn um die Ecke biegen und - verschwinden!. Die doppelte Dosis meiner Herzpillen war fällig. In unserem Haus gibt es drei Mietparteien, da ist es doch sehr wahrscheinlich, dass wenigstens ein Briefkasten zu füllen ist. Manchmal denke ich, dass es jemanden bei der Post gibt, der meine Umschläge einsammelt und sich fröhlich die Hände reibt. Zur Sicherheit habe ich mir selber einen Brief geschrieben, den ich am nächsten Tag enttäuscht in den Händen hielt. Es war eine Absage.
     Wo aber befindet sich der enorme Haufen der Zusagen, den ich erwarte? Zunächst hatte ich den Briefträger in Verdacht. Brutus hatte ihn mal mit einem der Beamten verwechselt, die immer wieder versuchen, mich aus der Wohnung zu werfen, weil ich seit einem halben Jahr Mietrückstände habe. Ich verweise die Herren dann grundsätzlich auf meine ausste-henden Zahlungen der Verlage, die ich schon fest eingeplant habe. Jedenfalls holte sich der Briefträger einen angeknabberten Zeh und war eine Zeit lang nicht besonders gut auf mich zu sprechen. Es passte daher ganz gut, dass diese neue Kampfhundverordnung in Kraft trat, denn nun ist Brutus im Himmel und ich in den Miesen, und der einzige, der mich erlösen kann, ist der Briefträger. Aber er scheint verdammt nachtragend zu sein.
     Ich bin schon so tief gesunken, mir einen Handel auszudenken: Ein kleines Schäferstündchen bei mir gegen eine hinterzogene Zusage. Leider scheitert meine Idee immer daran, dass mir einfällt, dass ich ja noch müffle, weil ich ununterbrochen aus dem Fenster starren muss, und dadurch am Duschen gehindert werde. Hinterhältigerweise werden die Briefe zwischen 6:00 und 13:00 Uhr ausgetragen.
     Womöglich ist eines meiner genialen Werke schon veröffentlicht und man hat mich nicht informiert, um sich vor der Bezahlung zu drücken. Oder aber - Moment, das Handy bimmelt. Oh Gott, ja. Das ist der große Moment. Ganz ruhig bleiben. Souverän. Ich bin im-merhin eine zukünftige Bestsellerautorin mit hohen Ansprüchen.
     »Hallo Susanne, hier ist Gabi. Ich dachte, ich melde mich mal, seit einiger Zeit sehe und höre ich gar nichts mehr, und ...«
     »Tut mir Leid, aber ich erwarte einen dringenden Anruf.« Klick und tschüß. Immer diese lästigen Fans, die einen umschwirren wie die Motten das Licht, wenn man so knapp vor dem Durchbruch zur Berühmtheit ist.
     Mein genialer Verstand zwingt mich in Richtung Computer und meine Finger rasseln diesen Text herunter, denn ich weiß, irgendwo gibt es noch mehr arme Schweine wie mich, deren Postbote sich schon einen netten Deal ausdenkt. Schriftsteller aller Bundesländer, vereinigt euch! Wir werden -
     Oha. Das schwarze Posthorn leuchtet auf signalgelben Untergrund zwischen den Garagen hervor. Der denkt wohl, der kann sich verstecken. Ich werde meinen Grundkurs Beamtenverteidigung auffrischen und ihn an der nächsten Hausecke abfangen, wenn ich nicht vorher von den Gläubigern niedergemäht werde, die seit heute Morgen das Haus umstellen. Wünscht mir Glück!

 

© 2000 by Susanne Sakel. Unerlaubte Vervielfältigung oder Weitergabe - gleich welcher Art - verboten.


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